Iced Americano

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Wir saßen jetzt schon eine geschlagene dreiviertel Stunde im Foyer des Krankenhauses und warteten auf meine Untersuchungsergebnisse.

Dies hatte mir zumindest die Zeit gegeben, Chris zu erzählen, warum wir überhaupt hier waren. Er hatte mir die ganze Zeit über ruhig zugehört, wie es auch Hikaro getan hatte.

Hin und wieder erschienen kleine Falten auf seiner Stirn und seine Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen, aber er unterbrach mich nicht ein einziges Mal. Nachdem ich nun aber meine Ausführungen beendet hatte, schaute ich ihn, auf eine Reaktion wartend, an. Er seufzte tief und setzte dann zum Reden an.

Doch bevor er auch nur ein Wort herausbringen konnte, wurde er schon unterbrochen. „Ms Park, wir haben jetzt ihre Ergebnisse. Folgen Sie mir doch bitte." Wir erhoben uns und folgten der Schwester in einen kleinen Untersuchungsraum, wo zuvor ein Arzt mein Knie betastet hatte.

Ich kam mir vor wie in einem Film, als der Arzt die Röntgenbilder an eine Magnettafel pinnte. Ich war jedoch froh, dass dies keine Filmszene darstellte, sonst würde der Arzt mir gleich mitteilen, ich werde nie wieder laufen können und im Hintergrund würde eine traurige Melodie eingespielt werden.

Der Arzt, der nebenbei noch recht jung aussah, setzte sich auf einen Drehstuhl und wies Chris und mich an, uns ebenfalls zu setzen. „Also gut, ich muss schon sagen, so eine Patientin wie Sie hat man nicht alle Tage.", lächelte er mich freundlich an. War das jetzt ein Kompliment? "..Danke?" Antwortete ich vorsichtig.

Also ich könnte auf meine Narkoseallergie verzichten. „Wenn es Sie nicht stört, können Sie ruhig du zu mir sagen...ist mir angenehmer. Außerdem werden wir uns ja demnächst einmal öfter sehen, nicht wahr?" Fügte ich hinzu. Sein Lächeln zeichnete sich sogar in seinen Augen ab. So sieht wohl jemand aus, der seinen Wunschberuf ausführen darf.

„Gern, dann also du. Naja, stimmt schon, dass du jetzt mindestens einmal im Monat zum Check-Up kommen solltest, aber erstmal zum jetzigen Stand. Dein Knie hat keine Schäden von dem gestrigen Sturz genommen, dennoch war es sehr riskant, dein Knie diesen Belastungen auszusetzen. Solange das Knie nicht operiert wird, wird es nie wieder zu hundert Prozent funktionsfähig sein, daher sind sämtliche sportliche Aktivitäten zu reduzieren beziehungsweise untersagt."

Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber war sich wohl nicht sicher, ob er es wirklich tun sollte. „Sagen Sie es ruhig.", forderte ich ihn auf.

„Nun ja...der Unfall ist beim Tanzen passiert richtig? Du betätigst dich also gern sportlich oder hattest es zumindest, richtig?" Ich nickte vorsichtig. Er seufzte.

„Mir ist klar, welche Gefahren eine OP birgt, immerhin bin ich Arzt, dennoch muss sie nicht den Tod bedeuten. Die Wahrscheinlichkeit, dass du während der OP stirbst ist gering, aber durch den hervorgerufenen Schock, ist die Gefahr des Komas sehr hoch...trotzdem ist nicht gesagt, dass du nie wieder aufwachst. Es kann Jahre dauern, aber es ist nicht unmöglich. Es gab auch schon Fälle, die nach zwei Wochen ihr Bewusstsein wiedererlangt haben. Worauf ich hinaus will ist, du solltest die Möglichkeit einer Operation nicht ausschließen...bitte denk in Ruhe darüber nach, okay?"

Ich nickte zwar, doch als das Bild meines Onkels vor mir auftauchte, machte sich Angst in mir breit. Nein! Keine OP, niemals! Ich war den Tränen nah und senkte den Kopf, um es zu verbergen.

Chris, der bereits aufgestanden war, legte mir eine Hand auf die Schulter. „Hey Doc, wenn es nichts weiter zu sagen gibt, können wir dann gehen." Er schaute Chris kurz an, nickte dann aber.

„Das wäre vorerst alles. Wir sehen uns dann in einem Monat wieder." Er reichte mir die Hand und dann Chris, wobei er seine kurz umschlossen hielt. „Ich würde es bevorzugen, wenn du mich nicht Doc nennst...Ich wollte sie nicht verletzen oder verunsichern. Ich bin Arzt und versuche immer meinen Patienten die Hilfe zu geben, die sie brauchen. Ich hoffe du verstehst das." Chris entzog ihm seine Hand und zuckte mit den Schultern.

„Von mir aus. Also dann..." Er nahm meine Hand und führte mich aus dem Untersuchungszimmer. Ich hätte schwören können, ein Flüstern in Richtung des Docs gehört zu haben: „Und seit wann hat es mit helfen zu tun, wenn ein Doc ein Mädchen zum Weinen bringt?"

Doch im nächsten Moment öffneten sich auch schon die automatischen Schiebetüren und wir standen bei herrlichen Sonnenschein vor dem Krankenhaus. Kurz herrschte Stille bis Chris sich zu mir umdrehte.

„Soojin, hör mal..." „Soojin!" Malwieder wurde Chris unterbrochen, dieses Mal von einem echt lauten Gebrüll. Ich schaute mich um.

Auf der anderen Straßenseite standen zwei Mädchen. Eines davon sah uns an und winkte uns hektisch zu, die andere stand locker neben dran und sah auf ihr Handy.

Das aufgedrehte Mädchen  guckte nach links und rechts und überquerte dann rennend die Straße. Mit der Brille, dem Mundschutz und dem Hut brauchte ich eine Weile bis ich erkannte, wer diese Mädels waren, von der uns eine in voller Lautstärke eine Begrüßung gebrüllt hatte.

Als ich jedoch die roten Haare des anderen Mädchens sah, wusste ich um wen es sich handelt.

„Hi Soojin, hey Chris!" Begrüßte uns Chaeryeong begeistert.

"Hi Jin" begrüßte mich Yeji und gab mir eine kurze Umarmung. Ja, neben Dornklößchen wurde ich von Yeji auch noch Jin genannt. Für mich war das ein Kompliment, immerhin war Kim Seokjin aus BTS eines meiner Idole und mich erinnerte der Spitzname an ihn.

"Ach? Ich bekomme keine Begrüßung?" Fragte Chris und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust.

„Dich sehe ich doch jeden Tag" gab Yeji mit genervtem Unterton zurück. „Sie bald auch! Das ist kein Argument" schmollte er weiter. „Jaja" antwortete sie nur und verdrehte ihre Augen.

„Was macht ihr denn in diesem Stadtteil von Seoul?" fragte Chaeryeong begeistert und biss in ihren Donut.

Das war definitiv die schlechteste Frage, die er hätte stellen können. Was machten wir wohl hier...vor einem Krankenhaus...? Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, während Chaeryeongs strahlende Augen mich geradezu durchbohrten.

Ich sah zu Yeji und musste feststellen das auch sie, trotz schlechter Laune, an der Frage interessiert war. Sie sah mich mit ihren braunen Augen an während sie ein Schluck aus ihrem Iced Americano schlüpfte.

505-Stray KidsWhere stories live. Discover now