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Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. Ich fand es so krass, dass der Mann, der eigentlich die ganze Zeit so nett war, völlig aus dem Nichts auf den Polizisten geschossen hat. Ich dachte, der steigt einfach nur aus, ich habe überhaupt nicht die Waffe in seiner Hand gesehen.

„Wie hast du das alles so schnell gesehen? Du hast mich auf die Seite gezogen, bevor überhaupt der erste Schuss gefallen ist?", fragend sah ich zu meinem Bruder.

„Das ist alles einfach nur Erfahrung. Ich habe die Waffe auch nicht gesehen, aber mir ist aufgefallen, wie er seine Körpersprache verändert hat und wie er mit seiner Hand hinter seinen Rücken gegriffen hat. Das zusammen ist eigentlich sehr eindeutig und lässt schon vermuten, was als nächstes passiert", antwortete Alex.

Ich fand es echt krass, dass ihm zum einen so Kleinigkeiten auffallen, aber zum anderen auch, dass er dann auch noch so schnell reagieren konnte.

„Und wie geht das jetzt weiter?", hakte ich nach. „Das ist ein Fall der Polizei. Sie werden ermitteln, was der Mann dort gemacht und wie es so weit kommen konnte. Er wird angeklagt und verurteilt" erklärte mir mein Bruder, „ist das nicht ein Fall für euch?". Mein Bruder schüttelte den Kopf, „so Kleinigkeiten machen wir nicht, das ist Aufgabe der Polizei".

Ich fand nicht gerade, dass dies eine Kleinigkeit war, immerhin wurden zwei Menschen verletzt. Das zeigte mir einfach einmal mehr, dass Alex in seinem Beruf viel schlimmere Dinge sieht, die ich mir zum Teil gar nicht so vorstellen konnte. Für mich war das hier alle schon so surreal.

„Passiert sowas oft?", hakte ich weiter nach. „Ja, leider. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass die Polizisten sich sehr nett mit Menschen unterhalten, diese aber im nächsten Moment eine Waffe ziehen. Die Polizisten versuchen meist alles, damit sie nicht selbst schießen müssen, aber kommen oft einfach nicht darum herum", antwortete Alex.

„Wie ist das bei euch?", fragte ich etwas unsicher. „Anders, wir sind in anderen Situationen als die Polizei. Die Polizisten wissen oft nicht, ob der ihnen gegenüber einfach nur ein normaler Bürger oder eventuell ein Verbrecher ist. Bei uns sind das keine Alltagssituationen wie bei der Polizei. Wir befassen uns mit den Kriminellen und wissen oft, wer sie sind und wie gefährlich sie sein können. Dementsprechend schnell sind wir an unseren Waffen und schießen auch".

„Erschießt ihr oft Menschen?", unsicher sah ich zu meinem Bruder. Das alles war einfach so surreal für mich. „Wir machen es nie gerne, aber natürlich kommt es vor und gehört zu unserem Beruf dazu".

„Hast du auch schon Menschen erschossen?", fragte ich zögerlich weiter nach. „Ja", erwiderte Alex. „Macht dir das nichts aus?", hakte ich etwas verwundert nach.

„Es ist nie einfach anderen das Leben zu nehmen, aber es bleibt uns oft nichts anderes übrig. Wenn wir schießen müssen, versuchen wir immer so zu schießen, dass wir die Menschen damit nicht umbringen. Aber es gibt auch Situationen, in denen wir das nicht können und die einzige Möglichkeit ist, sie direkt zu erschießen. Das gehört leider zu unseren Berufen dazu und wir alle wissen das und müssen damit umgehen können. Natürlich fällt es einem manchmal schwerer, wenn es zum Beispiel Jugendliche sind, aber davon dürfen wir uns nicht abschrecken lassen. Wir erschießen sie nicht, weil wir möchten, sondern weil wir müssen" erklärte mein großer Bruder total entspannt, als ob ihm das wirklich nicht viel ausmachen würde. Wahrscheinlich hatte er sich einfach schon daran gewöhnt.

Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. Ich wusste ja, was meine Brüder beruflich machten, trotzdem war mir irgendwie noch nie so bewusst, was das bedeutet und was sie alles machen. Es muss krass sein, einen echten Menschen zu erschießen. Zumindest wäre es das für mich. Für meine Brüder ist das sicherlich anders, es gehört ja wie Alex schon sagte zu ihren Berufen, aber für mich war das alles einfach total surreal.

Big Brothers 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt