Back to Life

Door _time_to_fly_

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*** WATTYS 2018 GEWINNER *** Nachdem Betty den Kampf gegen den Krebs verloren hat, hinterlässt sie nichts als... Meer

Prolog
1. Brief
Challenge Nr. 1
1. Antwort
2. Brief
Challengen Nr. 2
2. Antwort
3. Brief
Challenge Nr. 3
3. Antwort
4. Brief
Challenge Nr. 4
4. Antwort
5. Brief
5. Antwort
6. Brief
Challenge Nr. 6
6. Antwort
7. Brief
Challenge Nr. 7
7. Antwort
8. Brief
Challenge Nr. 8
8. Antwort
9. Brief
Challenge Nr. 9
9. Antwort
10. Brief
Challenge Nr. 10
10. Antwort
11. Brief
Challenge Nr. 11
11. Antwort
12. Brief
Challenge Nr. 12
12. Antwort
Epilog
Danksagung

Challenge Nr. 5

86 16 21
Door _time_to_fly_




***

Ich bin ich,
bin böse, allein und ziemlich nichtig.
in einer Welt gefangen,
in einer Welt voller Krieg und bösem Blut,
in einer Welt in der sich niemand liebt und jeder nur sich selbst in den Mittelpunkt spielt,
in einer Welt, in der mir das Lachen vergeht und ich nicht weiß wo mir der Kopf steht.

In unserer Welt - in unserem Leben.
Ich verabscheue es:
das selbstsüchtige Verhalten der Menschen,
die lieblosen Freundschaften,
die hasserfüllten Beziehungen.

Ich hasse das alles so sehr.
Ich könnte kotzen, könnte hier und jetzt umdrehen, mit dem Fuß auf den Boden stampfen und verschwinden, denn was soll ich euch das hier alles erzählen, ich denke ihr wisst es selbst.

Ihr wisst doch genauso gut wie ich, wie ihr seid.
So voller Hass, so voller Selbstsucht, voller Ignoranz, voller: seht ihr wie toll ich bin? Schaut mich an, zeigt mir wie viel wert ich bin, wie bewundernswert ich imponieren kann, was ich alles so gut kann, warum man mich bewundern muss.

Abgemacht! Ich schaue euch an. Ich betrachte euer perfektes Aussehen, bewundere, dass ihr toller und beliebter seid als ich. Ich schaue euch an, so wie ihr euch gegenseitig anschaut. Oberflächlich und im Hinterkopf habt ihr doch nur euch selbst, nur eure eigenes Bild, vergleicht euch mit dem anderen. Was kann ich besser? Was habe ich was er nicht hat? Welche Macken zeichnen ihn aus? Warum kann ich ihn fertig machen, über ihn lästern, schlecht über ihn reden?

Warum bin ich der Mittelpunkt der Welt?

Du Idiot. Du Egoist. Du egozentrisches Ding!
Warum spielt ihr euch nur so auf?
Damit ich hier über euch reden kann?

CUT!

Es geht nicht um euch, es geht um mich!
Was muss ich tun, um den anderen zu gefallen?
um den Maßen der Gesellschaft zu entsprechen?
Welcher meiner Macken muss ich vertuschen um hier und jetzt gut dazustehen?

Ich bin nicht besser als ihr!

Wir sind doch alle genau gleich.

Und stehst du auch schön im Mittelpunkt?
Fällt das Licht gerade auf dich?
Tut mir leid, wenn ich hier rede und dir gerade die Show stehle, es ist nicht meine Absicht, ich will nicht in der Mitte sein, ich will euch zeigen wer in der Mitte steht.

Vier Buchstaben, drei Personen und doch sind sie alle gleich.
Als drei Einigkeit man sie auch bezeichnet.
Groß, mächtig, wohlwollend und so voller Liebe, dass ich egal was ich hier sage es niemals in Worte fassen kann.

Gott!
Jesus Christus!
Der heilige Geist!

Liebe!
Wer wünscht sich das nicht?
Ich spreche hier nicht von vergänglicher Liebe, ich spreche von unendlicher Liebe.

Schaut nicht auf mich, wie ich hier stehe und erzähle,
schaut nicht auf euren Nebenmann,
auch nicht auf euren besten Freund.
Richtet euren Blick auf Gott! Auf euer Herz.

Denn ich frage euch hier und jetzt:

Was liegt in deinem Herz?
Ist es Neid, Habgier, Sorge und Schmerz?

Ist es Selbstsucht? Egoismus? Das Streben nach all den Materiellen Dingen dieser Welt? Sind es Zweifel? Angst? Um morgen? Eure Zukunft? Euer gesamtes Leben?

Ich aber sage euch. Ich aber gebe euch weiter, was meine beste Freundin mir einst gelehrt hat. In Momenten als mein Herz aussah wie das eure.

Ihr braucht nicht versuchen die besten zu sein, weil ihr es sowieso nicht seid.
Man findet immer jemanden besseren und wenn nicht, wenn man seine Augen verschließt:
Gott ist besser, besser als jeder noch so tolle Mensch auf dieser Welt.

Macken hat jeder, Fehler, Dinge die man als schlecht bezeichnen könnte und die einen Menschen ebenso ausmachen.

Gott nicht und dennoch...

Er liebe euch trotzdem.

Er liebt euch in jedem Moment eures Lebens.

Er liebt euch egal wie beliebt ihr seid, wie anerkannt, wie anscheinend perfekt!

Aber ihr müsst es zulassen. Ihr müsst ihm Eintritt gewähren. In euer Herz. In euer vor Habgier, Sorge, Zweifel und Angst gefangenes Herz.

Er wird es frei machen. Er wird es mit Liebe füllen. Mit Ruhe. Mit Geborgenheit.

Warum fangen wir Menschen das nicht an zu kapieren? Wir bescheuerten Idioten?

Es zählt nicht was wir nach außen hin zu sein scheinen. Es zählt wie sehr wir unser Herz unser ganzes Leben auf Gott ausrichten.

Ich bin ich,
bin böse, allein und ziemlich nichtig.
in einer Welt gefangen,
in einer Welt voller Krieg und bösem Blut,
doch ich wurde befreit.
Befreit vom Vater der Ewigkeit. Des Unendlichen. Des Allmächtigen. Des Ungreifbaren.

Ich lebe in dieser Welt, doch ich bin nicht von hier. Eines Tages wird er mich zu sich zurück holen, so wie er meine beste Freundin zurück geholt hat. Ich muss nicht in dieser Welt bestehen. Ich muss vor Gott bestehen.

Ich will nicht in der Mitte sein, ich will euch zeigen wer in der Mitte steht.

Vier Buchstaben, drei Personen und doch sind sie alle gleich.
Als drei Einigkeit man sie auch bezeichnet.
Groß, mächtig, wohlwollend und so voller Liebe, dass ich egal was ich hier sage es niemals in Worte fassen kann.

Gott!
Jesus Christus!
Der heilige Geist!

Liebe!
Wer wünscht sich das nicht?
Ich spreche hier nicht von vergänglicher Liebe, ich spreche von unendlicher Liebe.

Schaut nicht auf mich, wie ich hier stehe und erzähle,
schaut nicht auf euren Nebenmann,
auch nicht auf euren besten Freund.
Richtet euren Blick auf Gott! Auf heuer Herz.

Denn ich frage euch hier und jetzt:

Was liegt in deinem Herz?
Ist es Neid, Habgier, Sorge und Schmerz?

Wenn du mir aber antwortest:

Nein – niemals!

In meinem Herzen ist nichts von all dem.

In meinem Herzen befindet sich so viel mehr.

Vier Buchstaben, drei Personen und doch sind sie alle gleich.
Als drei Einigkeit man sie auch bezeichnet.
Groß, mächtig, wohlwollend und so voller Liebe, dass ich egal was ich hier sage es niemals in Worte fassen kann.

Gott!
Jesus Christus!
Der heilige Geist!

Liebe!

Geborgenheit!

Friede und Ruhe!

Dann lächle ich, nehme dich in den Arm und weiß, durch Gott habe ich gute Arbeit geleistet. Sei glücklich! Du hast alles was man zum Leben braucht! Nichts kann dir mehr im Wege stehen, Gott ist da, er wird all die Schranken öffnen, Mauern durchbrechen und jeden noch so großen Stein bei Seite räumen. Jede Tränen trocknen, jedes Zittern beruhigen.

Denn du bist Christ! Er lebt in deinem Herzen. Du kannst dich so unendlich glücklich schätzen.

***

Ich lege den Stift zur Seite. Ich mache mir gar nicht die Mühe alles noch einmal zu lesen. Warum sollte ich auch? Ich bezweifle es damit besser zu machen. Lieber lese ich noch einmal Bettys Brief, schließlich hat mich auch jener hierzu inspiriert. Zu dem Poetry Slam der nur vor mir liegt. Geschrieben mit einem grünen Filzstift auf gelbem Papier. Es ist schlecht zu lesen, doch es interessiert mich herzlich wenig.

Nur eine einzige Person muss es jemals lesen können. Nicht Betty, auch wenn ich es ihr so unglaublich gerne gezeigt hätte, schließlich ist sie nach wie vor meine Inspiration, sie war es schon immer und sie wird es schon immer sein. Egal welche Schritte ich in meinem Leben gehen, sie alle wurden durch Betty inspiriert und sie alle werden durch Betty inspiriert werden.

Ich will ihn in meine Tasche packen, den Poetry Slam, bevor ich ihn zerreiße. Genau zwei Mal, in vier möglichst gleich große Stücke. Ich zittere, muss mich zurück halten. Finde meine Tasche erst nachdem ich das zweite Mal einen Blick in meinen Schrank werfe.

Ich will das Stück Papier in die Außentasche schieben, als ich bemerke, dass diese schon belegt ist. Ohne darüber nachzudenken ziehe ich ein weißes, säuberlich beschriebenes und zusammengefaltetes Papier aus der Tasche und beginne zu lesen. Lediglich die ersten Worte, als es mir wie Schuppen von den Augen fällt und ich wie erstarrt mitten im Zimmer stehen bleibe.

Es ist der Brief. Jener Brief, der sich eigentlich in Philipps Eigentum befinden sollte. Es ist der abgeschriebenen Brief, das orginal, auf der Rückseite des Poetry Slams habe ich...

Ich hechte zur Nachtischschublade, öffne sie viel zu heftig, die harte Kante knallt gegen mein Knie, ich unterdrücke ein Stöhnen und aufkommende Tränen und beginne darin zu wühlen.

Er ist nicht da. Der Poetry Slam über das Reden habe ich niemals zerrissen. Ich habe ihn irgendwo in den Tiefen meiner Tasche vergraben, warum auch immer und genau jenes Orginal, mit dem Poetry Slam, welcher meine Gedanken und Gefühle perfekt widerspiegelt, welcher praktisch mein Inneres auf einem Papier der Realität aufzeichnet, befindet sich nun in Philipps Händen.

Wie konnte ich nur so unvorsichtig sein?

Wie konnte ich ihm den Brief anvertrauen, ohne wirklich nachzufragen?

Auf dem Weg ins Krankenhaus bin ich erstaunlich ruhig, geradezu gelassen. Rein theoretisch hatte die Möglichkeit von Anfang an bestanden, dass er das Orginal gefunden haben könnte. Ich hatte mir darüber keine Gedanken gemacht. Und warum nicht?

Weil es okay ist. Weil es auf eine völlig absurde und bescheuerte Weise okay ist. Es ist okay, dass er an meinem Inneren teilnimmt, es ist okay, dass er nicht nur den abgeschriebenen, sondern den von Herzen kommenden Brief erhalten hat. Es ist alles okay. Ich bin okay.

Okay, als ich an Milenas Zimmertüre klopfe, eintrete und vollkommen erleichtert feststelle, das Philipp am Fenster steht und nach draußen starrt. Es ist komisch ihn nach all den Wochen wieder zu sehen und es ist ebenso komisch nicht zu wissen was genau geschehen ist und mit der Tatsache konfrontiert zu werden, dass das Mädchen nach wie vor im Krankenhaus verweilt.

„Hey.", murmle ich und ich bin selbst erstaunt über die Töne die meine Lippen verlassen.

Er bewegt sich keinen Millimeter. Gerade als ich Luft hole, um es erneut zu versuchen, fällt mir ein, dass er taubstumm ist. Egal wie viel ich quassle, er kann mich nicht hören. In seiner Gegenwart ist es egal ob ich reden kann oder nicht, er kann es sowieso nicht hören und ihm geht es ja nicht besser. Er ist ebenso wenig dazu fähig Worte zu formen wie ich das bin.

Der Poetry Slam über mein Inneres könnte genauso gut das seine widerspiegeln. Es macht mir Angst und gleichzeitig fühle ich mich ihm dadurch irgendwie besonders verbunden.

Ich muss lächeln, als ich auf ihn zugehe und ihn sanft an der Schulter berühre.

Wie im Trance wendet er sich mir zu und beginnt zu strahlen als sich unsere Blicke treffen. Seine Augen sprühen so viel Wärme aus, dass mir ganz warm ums Herz wird und seine sanfte und doch feste Umarmung zu Begrüßung macht es nicht besser, sie ist allgemein viel zu kurz. Er riecht wunderbar.

Ich werde zurück in die Realität befördert als ich bemerke wie er sich von mir abwendet und zu einem Rucksack geht, der am Rande des Bettes liegt.

Es ist ein komisches Gefühl in diesem Sinne aufzutauchen. Anders als wenn ich in meiner eigenen Welt gefangen bin, dieses Mal war ich in der seinen gefangen. In seiner Umarmung, in seiner Fürsorge, in seiner Berührung.

Es macht mir irgendwie Angst.

Ich hauche gegen die Fensterschreibe, als er zurück kommt und beginne zu schreiben, während ich den eigentlichen Brief in meinen Händen halte.

Den Brief den du bekommen hast. Es war das Orginal. Den Poetry Slam auf der Rückseite, den habe ich eigentlich nicht beabsichtigt dir zukommen zu lassen.

Wir brauchen eine Weile bis er wirklich jedes Wort verstanden hat und ich muss immer wieder erneut schreiben, weil die beschlagene Scheibe viel zu schnell verschwindet, doch letztendlich kapiert er es doch, lächelt mir zu und holt zur Antwort dennoch einen Block.

Man muss die Unterhaltung ja nicht noch komplizierter machen, als sie sowieso schon ist.

Schreibt er. Ich grinse ihn an, habe kein Problem ewig an einem Satz zu basteln, es macht mir beinahe Spaß. Es ist wie beim schreiben, da brauche ich manchmal auch Stunden für wenige Worte und hierbei sind sie letztendlich doch nur für meine Schublade und Betty bestimmt, sicherlich aber nicht für einen Jungen namens Philipp.

Im Allgemeinen hätte ich den Brief sowieso nie bekommen sollen und ob es nun das Orginal ist oder nicht? Ich bin froh, dass ich deinen Slam lesen durfte. Er hat mich sprachlos gemacht, ehrlich, er war wunderbar. Es waren meine Gedanken eins zu eins, nur dass ich sie niemals so wunderbar in Worte hätte fassen können.

Ich muss einfach lächeln. Weil er so süß ist und vermutlich hätte mich jeder Andere ausgelacht für das was ich dort in meiner Freizeit fapriziere, doch Philipp, er toleriert es nicht nur, nein er erkennt es vollkommen an, bewundert es geradezu.

Ich will nach dem Block greifen, um ihm zu antworten, doch er zieht ihn wieder zurück und schreibt einfach weiter.

Du kannst mit deinen Poetry Slams anderen Menschen von Gott erzählen, ich hoffe das weißt du.

Ich nicke und schüttele gleichzeitig den Kopf. Betty weiß es und Philipp anscheinend auch, aber ich?

Ich kann sie aber nicht vortragen.

Dieses Mal ist er es, der sanft lächelt und mir für einen Moment einfach nur in die Augen schaut.

Mein Herz schlägt definitiv zu schnell, verrückter Weise fühle ich mich dennoch absolut ruhig und geborgen.

Noch nicht. Irgendwann bestimmt wieder und bis dahin kannst du sie ja einfach schreiben. Ich lese sie unfassbar gerne.

Ich schlucke als ich etwas unsicher nicke und er einfach fortfährt.

Ich habe dir einen Brief geschrieben. Als Antwort. Darin komme ich noch einmal auf deinen Slam zu sprechen und ebenso auf all deine anderen aufmunternden Worte.

Er hält mir einen Brief hin. Beziehungsweise er sieht aus wie ein richtiger Brief, jedenfalls dem Umschlag nach zu urteilen, als ich jedoch einen Blick hinein werfe, muss ich herzlich anfangen zu lachen.

Es befindet sich dort kein schön zusammen gefaltetes Papier, sondern ein Chaos an kleinen zerrissenen Zettel. Ich lache herzlich auf.

Ich war mir unsicher, ich wollte eigentlich niemand daran teilhaben lassen und deshalb habe ich sie zerrissen, aber du findest da Nummern drauf und wenn du sie von links nach rechts und von oben nach unten zusammen setzt dann musst du nur noch lesen.

Ich nicke begeistert, denke an die zerrissenen Slams in meiner Schublade, wir sind uns erschreckend ähnlich und dann an denjenigen auf dem grünen Papier in meiner Tasche. Ich gehe ihn holen und er beobachtet mir aufmerksam. Ich fühle mich erstaunlicher Weise nicht wirklich unwohl.

Ich habe auch etwas für dich. Du kannst froh sein, dass es noch lebt und nicht ebenfalls zerrissen wurde. Ein Poetry Slam. Ich kann sie selbst nicht vortragen, aber du sagtest du würdest sie gerne lesen und deshalb...

Er liest mit während ich schreibe und er lässt mich gar nicht zu Ende reden. Den Block nimmt er mir aus der Hand, ehe ich mich Sekunden später in seinen Armen wieder finde. Es fühlt sich himmlisch an. Himmlisch geborgen, himmlisch sicher, himmlisch ruhig und so voller Liebe.

Es ist Luft die er mir da ins Ohr haucht, keine Töne oder dergleichen, aber es klingt für mich wie ein Danke und mir wird ganz warm und ich hauche ihm ebenfalls ein Danke zu, dass er ohne zu hören zu verstehen scheint und mit einem Lächeln bestätigt.

Unser Zusammensein wird durch die Türe gestört. Sie knallt gegen die Wand und wir fahren auseinander. Milena hüpft herein, einmal um uns herum und ruft, mit den Armen wild durch die Gegend fuchtelnd, sie sei endlich entlassen.

Philipp freut sich so sehr für seine kleine Schwester und ich freue mich mit ihnen.

Und erst als ich spät Abends auf meinem Bett sitze und seinen Brief öffne, da wird mir bewusst, dass ich immer noch keine Ahnung hatte warum Milena eine solche lange Zeit im Krankenhaus hatte verbringen müssen und ebenso weiß ich über Philipp nicht mehr als sein Alter, wie er riecht und lächelt und ich weiß inzwischen wie sich seine Umarmungen anfühlen, aber von ganz alltäglichen Dingen, Beruf, Hobbys oder Beziehungsstatus fehlt jede Spur.

Aber es ist okay. Es ist alles okay. Es ist okay, dass unser Kennenlernen so anders abläuft, als es normalerweise ablaufen müsste. Es ist okay, dass er nicht so viel erzählt, es ist okay, dass er gar nicht erzählen kann und es ist sogar okay, dass ich momentan unfähig bin zu reden.

Alles ist okay. Es ist okay, dass ich allein durch seine Anwesenheit beginne Schritte zu gehen. Schritte in die richtige Richtung. Schritte back to life!



***

Liebe Leica,

ich muss zugeben es ist total komisch dir hier nun auf deinen Brief zu antworten, während ich dich kenne, jedenfalls ein ganz kleines Wenig, besser als du mich gekannt hast, als du einst Worte zu Sätze geformt hast und Leica, es mag sein, dass dieser Brief nie für mich bestimmt war, dass all diese Worte hier nicht auf mich zutreffen, weil ich ihn gefunden habe, den Brief, nicht persönlich überreicht und dennoch, ob ich es will oder nicht, sie treffen mich mitten ins Herz. Diese Worte. Deine Worte.

Es klingt möglicherweise verrückt, es klingt ziemlich sicher verrückt, aber wenn ich hier lese, dann fühlt es sich an, als würdest du mich schon ewig kennen, während ich keine Ahnung habe wer du bist, was dich ausmacht und auszeichnet und ich dementsprechend nicht so wirklich weiß was ich antworten soll, wohin das Ganze führen soll, ich weiß es nicht – wirklich nicht! Vielleicht werde ich sie auch zerreißen, die Antwort hier und du wirst sie nie zu Gesicht bekommen, aber wenn doch, dann kann ich dir versichern, alles was hier geschrieben steht, kommt von Herzen, genauso wie es deine Worte kamen, von Herzen.

Ich habe angesprochen, dass ich das Gefühl habe, dich nicht wirklich zu kennen und gleichzeitig kenne ich dich ja doch, auf eine ganz merkwürdige Weise, nach unserem Gespräch letztens im Krankenhaus. Es ist irgendwie absurd. Ich kann es nicht so richtig fassen. Letztendlich weiß ich nur, dass ich dich gerne wieder treffen würde und da Milena hoffentlich bald entlassen wird und wir uns dann vielleicht nicht mehr sehen, lege ich hier jetzt einfach Mal ein Treffen fest.

25.Juli! Einverstanden? Sehr schön! Ich hole dich dann ab. 14.00 Uhr würde mir passen. Bei dir auch? Super, dann sind wir uns ja einig. Ich entscheide was wir machen und du lässt dich einfach überraschen. Cool, ich freue mich.

Da wir das mit dem Treffen nun also geklärt haben, möchte ich wieder auf deinen Brief zu sprechen kommen.

Danke erst einmal für das ganze Lob, betreffend meines Lächelns, meiner Augen, meiner Hände, meinem Mund, den Beinen, dem Herzen, der Vergangenheit und Zukunft. Ehrlich, da werde ich ganz rot.

Ich kann all diese lieben Worte nur zurück geben, und im Gegensatz zu dir, kenne ich die Person, der ich das hier nun schreibe.

Für dich, liebe Leica:

Du bist du, und so wie du bist bist du perfekt, denn genau so hat Gott, unser Vater dich gewollt:

Dein Lächeln ist perfekt, weil es offen und ehrlich bist und weil ich mit Lächeln muss – ganz automatisch!

Deine Augen ebenso. Diese blauen Augen, weil sie strahlen wie keine anderen und weil ich manchmal das Gefühl habe, dass du durch deine Augen sprichst, wenn du glücklich und traurig, aufgeregt und nervös bist, weil du es mit Worten nicht kannst.

Ja, dein Mund kann keine Worte formen, nicht im Moment und dennoch will ich dir sagen, dass er perfekt ist, so wie er ist und deine nicht vorhandenen Haare ebenso, weil sie zeigen wie stark du bist und wie sehr du Betty geliebt hast.

Ich könnte hier so weiter machen, all die wundervollen Sachen aufzuzählen, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass es erstens Nachgemacht und zweitens relativ oberflächlich ist und deshalb würde ich dich lieber zuerst besser kennen lernen und dir dann Komplimente betreffend deines Charakters machen.

Nach dem 25. Juli ab 14.00 Uhr wird das dann hoffentlich der Fall sein.

Nur eines möchte ich zum Schluss noch erwähnen:

Der Poetry Slam auf der Rückseite deines Briefes. Er ist absolut, unglaublich wundervoll. Wenn ich ihn lese, habe ich das Gefühl, ich hätte ihn verfasst und nicht du. Es fühlt sich an, als ob er mein Inneres und nicht das deine widerspiegeln würde. Ich fühle mich dir damit irgendwie verbunden.

Es ist verrückt. Es tut mir leid, dass du diesen verwirrenden Brief hier lesen musstest. Ich bekomme meine Gedanken gerade nicht wirklich sortiert.

Alles Liebe

Philipp

***

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