• Fenja •
Mich überkommt direkt die Furcht und meine Augen werden groß, so wie der oberste Befehlshaber des Kriegslagers mich gerade ansieht. Shade sagt kein Ton und regt sich nicht, ich habe aber gerade größere Sorgen, als dass es Shade hier genehm ist.
Ich bin kurz davor eine Panikattacke zu bekommen.
„Ganz ruhig, Prinzessin Fenja. Bitte habt keine Angst und sorgt euch nicht, bei mir seid Ihr zu jeder Zeit sicher und könnt euch in meine Obhut flüchten", haut der nun fast schon sanft raus.
„Du siehst aber nicht danach aus", platzt es aus mir heraus.
Ich kann es nicht verhindern, ich beginne am ganzen Leib zu zittern und die Furcht kriecht meine Knochen hinauf.
Das scheint den Befehlshaber zu animieren, zur Tat zu schreiten. Ich spüre nun seinen Umhang um meinen Schulter und mit einem Ruck hebt er mich mitsamt Shade wahnsinnig geschickt in seine Arme. Und ehe ich mich versehe, finde ich mich plötzlich in dem Büroabteil des Befehlshabers wieder. Behutsam setzt er mich auf einem bequemen Sessel ab und heizt sogleich den kleinen Ofen weiter an. Shade hockt nun auf meinem Schoß.
„Ich bin Tinon, bitte bleibt ganz ruhig, ich bereite euch einen beruhigenden Tee zu. Danach erkläre ich euch, was hier vor sich geht", meint der Vampir und werkelt bereits mit einem Kessel an der Feuerstelle herum.
Shade sagt noch immer kein Ton und krallt sich einfach nur in mein Oberteil. Um uns herum wärmt uns aber der Umhang von Tinon.
Und der kniet sich nun neben uns auf den Boden, sodass sein Blick auf meiner Höhe ist. Zeitgleich reicht er mir den wohlriechenden Tee nach frischen Kräutern und legt beruhigend seine Hand auf meinen Rücken.
„Erdmagie", rät er mir leise mit einem Schmunzeln.
„Jaron ist echt überall", kommt es augenrollend aus mir heraus.
Tinon fängt nun herzhaft an zu lachen und grinst mich breit an. Dann stimmt er dem mit einem wohlwissenden Nicken zu.
„Prinz Jaron hat bei uns damals im Rekrutentraining die eine oder andere Einheit übernommen. Da war er nie so freundlich und zuvorkommend, wir hatten alle Angst vor ihm", verrät Tinon mir amüsiert.
„Nein, echt?", frage ich nun verblüfft nach.
Sanft umschließt Tinon mit seiner Hand den Becher mitsamt meiner Hand und führt den warmen Tee zu meinem Mund, damit ich auch brav trinke.
„Nur das Training von Prinz Sorin war gefürchteter und das kam erst später. Aber selbst als Jungvampir war der schon so", bestätigt er belustigt.
Unglaublich, dieser Tinon schafft es in kurzer Zeit sehr effektiv meine aufkommende Panikattacke in den Griff zu bekommen. Er hockt nun weiter neben mir und hält einfach weiter meinen Rücken und meine Hand. Worüber ich echt dankbar bin, ehrlich gesagt.
„König Vittorius sprach mir vor Aufbruch strenge Maßnahmen zum Durchgreifen zu, falls ein Mitglied des Königshauses aus der Reihe tanzt. In so unruhigen Zeiten wie diesen brauchen die Schützlinge besonders viel Halt. Prinz Mattheo wird zum Anbruch der Nacht wieder rausgelassen, keine Sorge. Aber eine Weile wird er noch ausharren und darüber sinnieren müssen. Erziehungsmaßnahme, wenn Ihr versteht", verrät Tinon mir.
Ja, ich verstehe ja, was er meint.
Und dann kommt das nächste Highlight, denn Shade löst sich von mir und will den armen Tinon hauen.
„Shade, hör auf, verdammt!", tadele ich ihn direkt und will ihn zurück halten.
Der Minidämon reißt sich aber los und holt wieder aus, um Tinon eine scheuern zu wollen. Shade sieht ihn dabei auch echt grantig und stocksauer an.
„Verzeiht, Prinz Shade, aber auch bei Babies mache ich keinen Halt. Und mich interessiert es nicht, ob ihr dabei schreit und strampelt, ich fülle stets gewissenhaft meine Pflicht aus. Überlegt es euch also gut, ob Ihr meine strenge Hand kennenlernen wollt", redet Tinon nun auf Shade ein.
Passend dazu hält er kurzerhand Shades kleine Hände fest, womit er die Aufmerksamkeit des Babies hat.
Leider interessiert Shade sich nicht für die Ansprache, er will dem armen Tinon weiter das Leben schwer machen.
Im nächsten Moment entwendet er mir Shade, hält ihn behutsam und ohne großen Aufwand fest und setzt sich so dann mit einem Sessel neben mich. Shade staunt kurz nicht schlecht, kann sich jetzt aber nicht mehr wirklich bewegen. Am wilden herumstrampeln und schreien vor Wut hindert es ihn aber nicht.
Mit großen Augen verfolge ich nun, wie Shade erfolglos gegen Tinon ankämpft, der völlig gelassen da sitzt und den Wutanfall aushält. Nebenbei nippe ich an meinem Tee, bis Shade schließlich keuchend innehalten muss.
„Haben wir uns beruhigt, Prinz Shade?", fragt Tinon ihn trocken.
Der Minidämon schaut nur mit trotzigem Gesichtsausdruck seitlich hoch, richtet sein Blick dann wieder nach vorne in den Raum und verharrt so. Tinon lässt ihn dann los, Shade bleibt aber brav sitzen.
Wow, das muss Silas sich mal abgucken!
• Delian •
Der unhöfliche Vampir mit den Beschwörungen, sagt Fenix zielstrebig.
Das kann nur Vample sein, jemand anderes fällt mir nicht ein. Und dieses Vorgehen entspricht nicht den Befehlen, die Val mir zugesprochen hat.
Was soll's, wenn ich am Ende damit den Vampiren den Arsch rette, bringe ich Val gerne gegen mein ungehorsames Verhalten auf.
Also halte ich mich nicht weiter mit unnötigen Sätzen oder Gedanken auf und lenke meine Visionsmagie auf den Punkt, wo Vample sich befindet. Mein Körper meldet direkt „Nein" zum Vorhaben an, aber ausruhen kann ich mich, nachdem Vample hier ist.
Und so spreche ich meine Weltenmagie an, um kurz darauf direkt neben Vample auf dem Schiff zu landen.
„Heilige Scheiße, teleportiere dich doch nicht einfach direkt neben mich! Mein armes Fast-Rentner Herz!", tadelt Vample mich und zuckt dezent zusammen.
„Geschieht dir recht, jeder bekommt, was er verdient!", prustet Vampina lautstark lachend drauf los.
Der Kampf hier in den Reihen ist noch in vollem Gange, aber umliegend sehe ich zahlreiche elitäre Vampirkrieger, die die Situation im Griff haben. Nach den ganzen Hiobsbotschaften endlich mal eine schöne Aussicht!
„Du musst sofort mitkommen, Lucans Handelsstadt braucht so viele Beschwörungen, wie du hinbekommst!", kommt es dann eilig aus mir heraus.
Vample hebt kurz eine Augenbraue, nickt dann aber ohne zu zögern und stürmt Vampina für einen innigen Kuss um.
„Schön aufräumen und immer schön den Müll trennen. Umwelt und so!! Und wehe, ihr macht das nicht ordentlich, dann gibt es Hausarrest!", befiehlt Vample nun frech grinsend.
Vampina holt einfach aus und klatscht Vample volle Kanne in den Nacken.
„Aua!", ruft Vample und reibt sich fluchend die leicht rot werdende Stelle in seinem Nacken.
„Ist der Kindergarten jetzt reisefertig? Ja? Oder muss klein Vampelchen doch noch Pipi?", setze ich dreist einen drauf.
Bei dem Satz hält Vampina sich sogar den Bauch vor enormem Lachanfall. Also Schadenfreude wird bei dieser Frau auch echt groß geschrieben, ich sag's euch.
„Große Fresse hat der Kerl. Gefällt mir!", grinst Vample und hält mir seine mit Ruß verschmierte Hand hin. „Und glaube bloß nicht, dass ich die vorher sauber mache und jetzt gib Gummi", setzt er nach und lässt dabei immer noch grinsend die Augenbrauen mehrmals wackeln. Der zieht echt alles ins Witzige.
Ich kann nicht anders, als mit den Augen zu rollen, so witzig wie er sich findet. Aber leider ist er ziemlich brauchbar.
„Bis bald, mein Vampirfledermausstummelzähnchen", sagt Vampina schließlich mit einem Lächeln, welches Vample mit lüsternem Blick erwidert.
Bevor die beiden aber noch nicht jugendfreie Dinge hier anstellen, ergreife ich seine Hand und teleportiere uns auf direktem Wege in die Hauptstadt von Lucan. Für meine Ankunft wähle ich den Turm beim Quartier, weil man von hier eine der besten Überblicke über die Stadt hat. Ich schmiere auch kurz noch meine nun auch leicht verrußte Hand an meiner Hose ab.
„Du siehst aus, als hättest du ordentlich einen durchgezogen. Willst du nicht Heia machen gehen?", mustert Vample mich von der Seite.
Eine Antwort erhält er nicht, denn er springt zugleich los und landet ein Stückchen weiter auf den Dächern vor dem Quartier. Im nächsten Moment spüre ich Fenix bei mir, die mich nun stützten wird. Anstatt aber ins Quartier zum Ausruhen zu gehen, halten wir inne und gönnen uns das Spektakel, was Vample da veranstaltet.
Auf dem Land sind Wale und Haie unpraktisch, wie man sich sicher vorstellen kann, dafür scheint er aber eine Vorliebe für Orks und andere Fantasiegestalten zu haben. Vample hat sogar den Orks Keulen spendiert und ein paar Elfen mit Bögen beschworen.
Es sind jedoch nicht mehr so viele Beschwörungen wie auf dem Meer. Anscheinend geht Vample langsam doch etwas die Puste aus. Mit den Orks und den Elfen konzentriert er jetzt wohl seine Kräfte und setzt auf brachiales Durchbrechen und gezielte Schüsse.
„Husch, Husch! Ihr wisst was ihr zu tun habt!", scheucht Vample seine kleine Armee mit wedelnden Händen fort, die sich nun zielstrebig in Bewegung versetzt.
Blassgrüner leichter Nebel verfolgt die Beschwörungen und aus den Augenhöhlen tritt der bekannte, ebenfalls blassgrüne Schimmer auf.
Die Orks stürmen vorneweg, während die Elfen mit ihren Bögen dahinter die Nachhut übernehmen.
Eine Gruppe schwarzer Ork umkreist eine Gruppe von feindlichen Kämpfern, die den Fabelwesen mit blankem Entsetzen entgegen schauen. Brachial rennt einer der Orks los und eröffnet somit das Gemetzel. Oder das Plattklopfen, um genau zu sein.
Die Krieger werden umgerannt, verlieren durch die Wucht den Stand und landen schließlich auf dem Boden. Als die feindlichen Soldaten im Dreck liegen, schlagen die Orks mit blanken Fäusten und beschworenen Keulen auf sie ein. Die Todesschreie sind nur kurz und selbst als der letzte Schrei schon verhallt ist, schlagen die Orks immer noch auf den Feind ein. Bei dem Anblick jagt es Fenix und mir einen Schauer über den Rücken.
Seltsamerweise scheinen die Beschwörungen zwischen Freund und Feind unterscheiden zu können, denn sie nehmen nur Soldaten mit einem Ziegenkopf als Erkennungssymbol aufs Korn.
„Was ist er für einer?", will Fenix, mit einer Gänsehaut auf ihren Armen, wissen.
In knappen Sätzen berichte ich von den letzten Stunden und Tagen des Kampfes, den Fenix ja nicht hautnah miterlebt hat. Beinahe habe ich ein schlechtes Gewissen, mich auf meiner Liebsten aufstützen zu müssen, aber in Anbetracht der Lage nehme ich das so hin. Und Fenix tut es mit tiefer Liebe, sie dabei so zufrieden zu sehen, gefällt mir. Naja und sie ist nun mal älter als ich, ich kann sie gerade gut gebrauchen.
Orangen.
Und dann kommt Vample in Bedrängnis, er springt nun schnell von einem Dach zum nächsten, dabei sieht er sich leicht getrieben um. Er wird von ein paar Feinden verfolgt, die wie Assassinen oder Ninjas aussehen, wenn ihr mich fragt.
„Um Himmels Willen, Fenix, wir müssen was unternehmen!", kommt es entgeistert aus mir heraus.
Vample stößt einen lauten Pfiff aus und schon folgen ihm seine Orks auf das Dach und die Elfen visieren ebenfalls seinen Standpunkt an.
Leider bemerkt der Feind einen entscheidenden Fakt sehr schnell: Als Totenbeschwörer bist du eher vom Typ Fernkampf, was bedeutet, dass Nahkampf vermutlich eher nicht deine Spezialität ist. Und das sieht man deutlich, denn Vample zieht sein Schwert und ist nun eher auf die Flucht vor den verhüllten Gestalten konzentriert, als auf Nachschub seiner Orks und Elfen.
Die ersten Beschwörungen handeln schon eher ziellos, so als ob ihnen die Befehle fehlen und werden jetzt Opfer der feindlichen Soldaten am Boden.
Ich bin fast im Begriff los zu stürmen, werde aber von Fenix aufgehalten.
„Du bist kampfunfähig, mein liebster Delian. Und so lasse ich dich nicht zurück! Außerdem würde Magnus mir den Kopf abreißen, das mache ich nicht!", betont Fenix nun strikt.
„Aber Vample braucht Hilfe!", werfe ich verhalten ein.
Fenix hat leider total Recht, denn ich hänge wie ein alter Lappen halb auf ihr drauf und habe die beste Zeit hinter mir, zumindest für heute.
„Bleib mal locker, sieh doch!", meint Fenix nun schmunzelnd und deutet auf den Luftbereich über den Dächern der Stadt.
Eine pechschwarze Silhouette nähert sich und bei näheren Betrachten fällt auch mir ein Stein vom Herzen. Mit kräftigen Flügelschlägen von schwarzem Gefieder nähert sich ein großer Rabe, auf dem ein sehr kampfbereiter Sonan hockt. Und direkt dahinter sehe ich Lucan herum springen, der leichte Mühe dabei hat, dem Raben folgen zu können.
Sonan brettert sich jedenfalls dem Feind voll in den Weg und auch Lucan fällt freudestrahlend über die Gestalten her.
„Verzieht euch aus meinem Land, ihr Arschlöcher!", brüllt Lucan voller Wut und eindeutig als Herrscher dieser Länderei zusammen.
„Das sind also der legendäre Prinz Lucan und der berühmte Lord Hauptmann Sonan im Kampfeinsatz", schwärmt Fenix mit großen Augen drauf los.
Das hier gibt zum sonstigen Kampftraining mit den beiden einen großen Unterschied: Was wir hier sehen, ist ein Kampf auf Leben und Tod. Und Letzteres wollen Lucan und Sonan getrost dem Feind überlassen.
„Brauchst noch eine Extraeinladung oder geht's auch so?", will Lucan nun von Vample wissen, der den beiden Kriegern doch auch kurz mal neugierig zusieht.
Der räuspert sich, wischt sich den Schweiß von der Stirn und vollführt ein paar elegante Bewegungen, um die Reihen seiner Beschwörungen aufzustocken.
Und so überlassen Fenix und ich den älteren Vampiren dann das Kampffeld. Fenix hilft mir nun nämlich dabei, in das Quartier zu kommen und mich endlich in die Waagerechte zu begeben.
Die lauten und klirrenden Geräusche des Krieges halten an, doch mitbekommen tue ich davon nichts mehr. Ich bin so sehr ausgelaugt, dass ich mich nicht dagegen wehren kann, nun in einen tiefen und festen Schlaf zu sinken.