Kapitel 37: Folgen der Entführung

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• Fenja •

„Ich habe so einen Durst, Fenja", haucht Clarissa benommen.

„Ich auch, Clarissa, ich auch", erwidere ich und das leere Gefühl in meiner Magengegend bestätigt das auch nochmal.

Genau mitgezählt, wie viele Tage vergangen sind, haben wir nicht. Aber es müssen ein paar mehr Tage sein, denn wir sind kurz davor vampirisch zu verdursten.

Seit wir mit diesem Schiff in See gestochen sind, kam nicht ein einziges Mal jemand zu uns herunter. Und sämtliches Rufen bringt nichts, man ignoriert uns. Von den paar Stürmen, in die dieses Schiff gerät, einmal abgesehen.

„Ich will nicht sterben. Ich will zu Sorin", weint Clarissa nun wieder vor sich hin.

Meine Tränen sind mittlerweile zu träge und zu kaputt, als dass ich noch welche übrig hätte. Ehrlich gesagt befinde ich mich schon zu sehr im Kampf mit dem Tod, als das ich noch Kapazitäten für Tränen hätte.

Clarissa und ich stehen uns in den dunkelsten Stunden bei, aber nun allmählich dem Ende in die Augen zu blicken, ist viel zu furchterregend.

Ein diesiger Nebel breitet sich nun um uns herum aus, wie immer leiten diese Dreckssäcke weiter die Schattenrose in Pulverform in unsere Käfige.

Ich spüre gerade so noch, wie ich kraftlos auf das Strohbett sinke, da wird auch schon wieder alles schwarz um mich herum.

• Lucia •

Vor genau sieben Tagen nahm das große Unglück der Vampirspezies seinen Lauf. Zwei der hochrangigen Schlossprinzessinnen wurden von niemand geringerem als Nicolai persönlich entführt.

Genau das steht zumindest im Drohbrief, den Vittorius auf der letzten, großen Versammlung vorgelesen hat.

Verehrtes Vampirvolk,

wenn ihr diese Zeilen lest, werden sich zwei atemberaubende Prinzessinnen des Königshauses zur weiteren Verwendung in meiner Gewalt befinden.

Verabschiedet euch von dem Gedanken, sie je wieder zu sehen. Ich werde mich nicht einmal mehr auf dem Kontinent befinden, beginnt also erst gar nicht mit der Suche.

Ich empfehle eine bedingungslose Kapitulation und eine Übergabe sämtlichen vampirischen Habs und Guts.

Mit besten Grüßen
König der Totenpriester

Seitdem herrscht absoluter Ausnahmezustand und kein Jungvampir setzt einen unbeobachteten Fuß überhaupt irgendwo hin. Die Leibwache wird auch ausschließlich von den Vampirsöhnen des Königs direkt übernommen oder von den Hauptmännern selbst.

Denn genau das war der Knackpunkt vor sieben Tagen, seitdem haben wir kein Lebenszeichen der beiden erhalten.

Großvater kann man komplett vergessen, er ist echt richtig fertig mit der Welt. Vittorius hat sogar befohlen, dass Großvater vorübergehend in Vittorius' Schloss zu wohnen hat und dass Kilean stellvertretend alles übernimmt. Vittorius selbst ist aber auch sehr angeschlagen, immerhin ist Fenja sein jüngster Spross.

Einfach eingesackt und mitgenommen. Aus dem verdammten Quartier und keinem fiel was auf!

Und weil Großvater mir so unsagbar Leid tut, besuche ich ihn. Mal wieder, denn durch meine weiße Sicht bin ich ziemlich eingeschränkt und meine engste Vampirfamilie besteht auf besonderen Leibschutz. Und tatsächlich ist das eine Aufgabe, die Großvater immerhin ganz leicht auf andere Gedanken bringt.

„Sie lebt noch, Kleines", murmelt Großvater mit zitternder Stimme in mein Haar.

Durch die Vermählung würde er spüren, wenn das Band ganz abbricht. Das ist zumindest ein Vorteil, den Großvater gegenüber Jaron hat. Denn Jaron würde nie von Fenjas Tod erfahren, immerhin ist die Verbindung der Zwei noch nicht vollzogen worden.

Kronprinz Silas IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt