• Lucia •
Mittlerweile sind wir alle vollzählig und Vittorius findet sich bereits mit Yara vor dem großen Kuchenbuffet ein.
„Ich möchte mich dafür bedanken, dass ihr heute wirklich alle zu diesem Anlass hergekommen seid und die Einladung für einen gelassenen Abend in solchen Zeiten annehmt. Bitte genießt den heutigen Abend und sammelt Kraft für den Krieg, denn die Lage spitzt sich zu, wie wir alle wissen. Aber eine Sache wäre da vorher noch", betont Vittorius voller Ehrgefühl und sieht dabei durch die Menge der königlichen Vampirfamilie inklusive der Hauptmänner.
Fragend sehen ihn alle an, dann setzt Vittorius sich aber in Bewegung und kommt genau vor Val und mir zum Stehen. Val steht gerade hinter mir und seine Arme ruhen um meinen Oberkörper geschlungen, so lehne ich mich bequem an meinem Gemahl an.
Und Vittorius legt nun seine flache Hand mit einem breiten Lächeln auf meinen Bauch. Auch Val und ich erwidern das Lächeln, denn diese Nummer hier haben wir extra mit dem König abgesprochen.
„Eurem heranwachsenden Sohn sichere ich bereits jetzt den Schutz meiner Ländereien und meiner Einheiten zu. Das ist natürlich eine Selbstverständlichkeit. Möge er gesund und munter auf die Welt kommen, meine Glückwünsche zur Schwangerschaft!", verkündet Vittorius nun mit seiner erhabenen Stimmlage.
Dann zieht er mich für eine feste Umarmung zu sich ran und klopft Val mit einem stolzen Lächeln auf die Schulter.
„Ich werde Großvater?", ist Thorne der erste Vampir, der fast schon schreiend das Schweigen durchbricht.
Ausnahmslos alle sehen uns nun mit wohlwollenden Blicken an und vermutlich trennen mich nun noch zahlreiche Umarmungen und Hände an meinem Bauch vom Kuchenbuffet.
Ich will Kuchen verdammt! Die sollen das Baby danach fühlen!
Keine Sekunde später reißt Thorne mich förmlich aus den Armen von Vittorius, der das lachend zulässt und reißt Val direkt mit in eine herzliche Umarmung.
„Ein Baby! Ein Enkelkind für mich! Ich werde Großvater!", verkündet er zufrieden und überglücklich.
Nach und nach erhalten wir nun viele Segenswünsche und natürlich lässt Taavi es sich nicht nehmen, seinen ersten medizinischen Blick auf das Baby zu werfen. Aber das hat Großvater natürlich schon bestens im Blick.
Schließlich sind wir nach einer halben Stunde endlich fertig und ich darf mir ein Stück Kuchen aussuchen. Planlos stehe ich vor dem riesigen Buffet und will am liebsten alles essen.
Ich entscheide mich für Nusskuchen und verdrücke das kleine Stück auch schon voller Genuss.
Nach einer Weile ist Taavi wieder bei Val und mir, der mir lächelnd über den Bauch streicht.
„Ich biete natürlich meine vollumfänglichen, medizinischen Dienste an, aber das ist euch sicher klar, oder?", sagt er freundlich.
Es ist nun mal Taavi, so kennen und lieben wir ihn. Stets aufopferungsvoll und gefüllt mit schieren Mengen an Wissen.
Ich will gerade nicken, da fällt Val mir schon in meine Aktion.
„Verzeih, Taavi, aber der einzige Mediziner, der Lucia näher zu Gesicht bekommt, ist Sorin. Deine Dienste werde ich nur im äußersten Notfall einfordern", verkündet Val streng.
Oha. Wow.
„Das verstehe ich", erwidert Taavi förmlich. Das tut er wirklich und er akzeptiert es auch, aber ich kenne Taavi. Das kränkt ihn. Aber Großvater kennt mich nun mal von klein auf und hat mich schon mehrmals unbekleidet gesehen. Nicht zuletzt sogar gepflegt, als ich meine Hände nicht benutzen konnte.
Val hat eben so seine Werte, das finde ich auch in Ordnung. Schließlich soll Val ja auch nicht mit seinem Astralkörper vor sämtlichen Frauen der Stadt posieren gehen. Seine dunkle und verruchte Ausstrahlung, die seinem Vater sehr ähnlich ist, zieht schon die Blicke so mancher Frauen an.
Die Vampire versinken überwiegend in belanglosen Themen, ich reiße mich aber los und geselle mich zu Benedikt.
„Kuchenverbot, habe ich gehört?", raune ich ihm ganz leise zu.
„Schwanger, habe ich gehört?", erwidert er breit grinsend.
Oha, das Kuchenverbot trifft ihn sehr, sonst würde er Witze darüber reißen. Auch echt gemein, dass er nun am Kuchenbuffet teilnehmen muss und Jaron ihm nicht mal ein Stück gewährt.
„Meinst du es zählt, wenn ich sage, dass ich für Zwei essen muss?", frage ich Benedikt nun ganz leise.
„Ah, Val untersagt dir also auch den Kuchen?", hakt Benedikt ebenso leise nach.
Kurzerhand entpuppen wir uns als totale Leidensgenossen, wir beschließen sogar, einen kleinen Spaziergang zu machen. Hauptsache weg vom Kuchen und von den ganzen Personen, die noch ein zweites Stück essen.
Eine Weile plaudern wir so und vertreiben uns die Zeit. In letzter Zeit kamen wir eher nicht dazu, mal entspannt Zeit zusammen zu verbringen. Als klein Lucia hat auch Benedikt mich natürlich stets im Auge behalten und mich immer heimlich Sachen anstellen lassen, zusammen mit Silas.
In Erinnerung an alte Zeiten geht der freudige und aufregende Tag dann allmählich zu Ende.
• Silas •
Der zweite Monat neigt sich langsam dem Ende zu, heute ist auch schon der 25. Tag des zweiten Monats.
Mikul behütet gerade Shade und Enya, wobei Enya sich vermutlich wie eine Prinzessin durch die Gegend tragen lässt und Shade sein rebellisches Verhalten an Mikul auslässt. Zusammen verbringen die Drei aktuell jedenfalls die Zeit im Wohnbereich, mit Vater, Ohta, Roan und Aaru warte ich noch auf die Teilnehmer des heutigen Kriegsrates.
Mutter trudelt gerade ein, vermutlich ist sie endlich mal fertig mit dem Bad. Nun kommen aber auch die ersten Teleportationen hier an, denn aus jeder Hauptstadt soll heute ein Hauptmann teilnehmen.
Grund dafür ist ein Bericht, der tiefe Anspannung in Vater auslöst.
Schließlich ist der Rat soweit versammelt: Cole, Khojin, Lunas, Simeon, Haru, könnte auch Milo sein, ich verwechsle die immer gerne, Leonhard, Gregory und als Stargast heute Idris persönlich.
Vater erhebt sein Wort und gibt den Bericht wieder:
An Vittorius Élouan Dracul,
König der vampirischen Ländereien,
Verehrter König Vittorius,
ich berichte von den zahlreichen Mitteilungen der Küstenlinien vor Prinz Jarons und Prinz Sorins Ländereien.
Die Zahl der Schiffe von Nicolai nimmt beachtlich zu und unseren Spähern zufolge, beginnen die Schiffe mit der Ausrichtung.
Anliegend findet Ihr sämtliche Bewegungen und Formationen auf einer Karte eingezeichnet. Ich sehe dringenden Handlungsbedarf.
In höchster Ehre
Im Auftrage
Olivan L. Dracul
Oberster Befehlshaber des dritten Lagers der Küsten von Prinz Jaron
Wirklich jeder der Hauptmänner zieht nun scharf die Luft ein, denn diese Nachricht bedeutet nur eines: Der Krieg geht los.
„Es ist soweit, das ist unser Startzeichen und ich gebe hiermit offiziell den Befehl, sich an den euch zugeteilten Küstengegenden einzufinden. Es verläuft alles wie geplant, rüstet euch und macht euch bereit. Wir starten nach der großen Besprechung vom Kriegslager aus", verkündet Vater mit machtvoller Stimmung.
Besonders in den letzten Tagen sind viele der Einheiten durch das Land gereist, um sich vor Ort einzufinden. Seit diese Schiffe an Anzahl zunehmen, erwarten wir jeden Moment einen solchen Brief.
Und nun ist er da.
Lucia und Delian, die schweigend am Rand sitzen und warten, beginnen nun mit den Teleportationen. Vater hält Lucia allerdings kurz auf, eindringlich sieht er sie an.
„Hör zu, Lucia. Ich spreche den eindeutigen Befehl aus, dass du auf dich und dein körperliches Wohlbefinden zu hören und einzugehen hast. Wirklich jeder hat die Anweisung, dich sofort deiner Magie zu berauben und dich zum Schutz sicher fest zu halten, sollte jemandem auffallen, dass du das nicht tust. Und das ziehe ich dann bis zum Ende des Krieges durch, das verspreche ich dir", droht Vater ihr richtig.
Lucia nickt verhalten, denn verstehen kann sie die Vorsichtsmaßnahmen schon. Auch wenn sie keine Freudensprünge über ihre Schwangerschaft mitten im Krieg macht, wünscht sie sich für ihren Sohn natürlich nur das Beste, Glück und Gesundheit.
Ich verstehe Lucia, schließlich habe ich zwei Babies an den Hacken, um die sich zur Zeit nur ein Elternteil kümmert.
„Ach, mein liebster Silas, ich meinen Gedanken bin ich doch stets bei euch", redet Shani mir verhalten zu.
„Es ist Krieg, Shani. Und du willst unsere Kinder nicht bei dir im Schloss haben. Tut mir leid, aber das verstehe ich nicht", entgegne ich konsequent.
„Mein Schattental ist genauso umkämpftes Gebiet", kontert Shani ruhigen Wortes.
Das mag sein, aber dennoch wäre ein Schloss voller Dämonenkrieger wesentlich sicherer für Shade und Enya, statt ein Kriegslager nach vampirischem Vorbild.
Schließlich sind die Hauptmänner nun wieder in ihren Ländereien und verbreiten die Kunde: In sechs Stunden zum Anbruch des Abends werden dann die Hauptmänner an die Front teleportiert. Und morgen folgen dann die vampirischen Landesherrscher und wer sonst noch dazu gehört.
„Genieße die letzten Momente der Ruhe, mein Sohn", verkündet Vater und krallt sich Mutter, um seinen Ratschlag nun selbst in die Tat um zu setzen.
Ich geselle mich nun zu Mikul auf die Sofalandschaft, wo Shade schon seit keine Ahnung wie lange versucht hinauf zu klettern. Mikul schaut da nur belustigt zu und hilft ihm kein Stück.
„Lässt du meinen Sohn etwa gerade Schwerstarbeit verrichten?", hake ich belustigt nach.
Das ist Shades Stichwort, er lässt sich auf den Boden plumpsen und krabbelt nun einfach von dannen. Mittlerweile ist sogar die Wohnhalle abgesichert, sodass Shade frei herumkrabbeln kann.
„Auf dem Sofa wollte Prinz Shade genauso wenig verweilen und bevor er einen Sturz vom Sofa erleidet, handhabe ich das lieber so", verrät Mikul mit einem Schmunzeln.
Ich muss es erwidern und sehe Shade hinterher, meine Aufmerksamkeit bleibt dann aber auf Enya hängen. Die quengelt nun nämlich herum und streckt ihre Ärmchen nach mir aus.
„Ich hole das Fläschchen", meint Mikul und drückt mir meine Tochter in die Arme.
Aus schon leicht feuchten Augen blickt sie mich an, als wäre sie kurz vor dem Verdursten.
„Du hast aber ganz schön viel Durst, meine süße Enya. Lass mich raten, Wachstumsschub?", rede ich amüsiert auf sie ein.
Sie findet das nicht witzig, stattdessen fängt sie an zu weinen und ich tröste sie einen Moment, ehe Mikul mit der Glasflasche zurück ist. Aufmerksam wie immer hilft Mikul mir und füllt mein Blut in das Fläschchen.
So nehme ich Enya nun seitlich haltend und reiche ihr die Flasche an.
„Der arme Vampirmann, der ihr mal verfallen wird", haut Mikul lachend raus.
Voller Gewaltbereitschaft beißt Enya sich an dem Glasaufsatz fest und leert die Flasche in gierigen Zügen. Ihre kleinen Babyhände krallen sich förmlich an der Flasche fest, aber sie rutscht immer ab. Das geht schon seit Monaten so, nichts Wildes. Shade ist derweil an der Babysicherung beim Balkon angekommen, sowas wie ein Zaun hält ihn nun davon ab einfach hinaus zu krabbeln. Nörgelnd rüttelt er nun daran herum, als wären das Eisengitter, die ihn in einer Zelle gefangen halten.
Mikul und ich schauen ihm einen Moment dabei zu, dann ertönt ein knackendes, klirrendes Geräusch. Dicht gefolgt von einem lautstarken, herzzerreißenden Weinen.
„Um Himmels Willen!", kommt es sofort aus Mikul heraus.
Und auch mir sackt mein Herz ab, denn Enya hat es geschafft die Glasflasche kaputt zu beißen. Ihr gesamter Mundbereich färbt sich bereits Blutrot und aus ihrem Mund ragen ein paar der Glassplitter.
Wie das aussieht!
„Vater! Mutter!", rufe ich sofort voller Panik und halte sofort Enyas Kopf, damit sie sich die Glassplitter nicht noch weiter in das Fleisch bohrt.
Was bei einem Baby, dass doll Schmerzen hat, nicht gerade leicht ist. Und mir tut das alleine vom zusehen schon selbst weh, ich schwöre es!
Meine kleine Enya!
Meine Tochter ist verletzt!
Aaaah!
„Was ist ... ich hole sofort Taavis Medizintasche!", betont Vater entsetzt.
Mikul hätte ihn beinahe ungeniert angestarrt, genauso wie er auch Mutter beinahe einfach nur noch angeschaut hätte, die neben Vater steht. Vater trägt nur eine Hose und steht oberkörperfrei hier, Mutter hat eins von Vaters Oberteilen an. Locker hängt es an ihren Körper bis kurz vor den Knien herunter, darunter immerhin noch eine bequeme Hose.
Was die wohl gemacht haben ...
Aber was auch immer es war, hust hust, hat ein schnelles Ende, weil Vater nun mit dem gesamten Medizinwerkzeug von Taavi neben Enya und mir hockt. Und er sieht sein Enkelkind wirklich über alle Maße schockiert an.
„Ich kanalisiere die Blutmagie, kümmere du dich darum, das Glas aus ihrem Mund zu kriegen. Und Silas, du musst sie streng festhalten dabei, hörst du?", instruiert Mutter uns kurzerhand.
Und dann tut wir genau, was sie sagt. Mikul assistiert nun und reicht Vater an, was er braucht. Behutsam zieht er die Glassplitter aus Enyas Mund, während Mutter unter vollem Einsatz der Blutmagie die Wunden von Enya heilt.
Das Weinen wird nicht weniger, aber immerhin lässt die Blutung nach. Scheinbar sind die Wunden auch so kompliziert zu heilen, dass Mutter von der Blutmagie Heilung kurzerhand schwarz vor Augen wird. Vaters Hände versorgen aber gerade noch Enya, er kann Mutter nicht auffangen. Dafür übernimmt das Mikul, er legt Mutter nun auf dem Sofa ab und hält sie einen Moment an Ort und Stelle, bis sie wieder zu sich kommt.
Bei Enya ist soweit alles gerettet und wir kommen mit einem Schrecken davon. Ich drücke meine Kleine fest an mich und tröste sie, ihr Schluchzen hallt noch immer lautstark von den Wänden wieder.
„Wo ist Shade?", will Vater nun wissen.