Zweite Chance

By Lara99_

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Keira hat eine Vergangenheit, die sie um jeden Preis verdrängen und vergessen will. Sie beginnt zu Studieren... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Epilog

Kapitel 22

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By Lara99_

Neues Update:) VOTEN UND KOMMENTIEREN BITTE!!


Kapitel 22

Es war die reinste Folter mit Bella shoppen zu gehen. Wir hatten einfach einen komplett anderen Modegeschmack, falls ich überhaupt einen besaß. Aber abgesehen davon war es trotzdem eine witzige Zeit, die wir zusammen hatten.

„Bella, ich warne dich." Sagte ich streng. „Kein Pink!"

„Aber Pink würde dir bestimmt so gut stehen! Ein schönes Rüschenkleid mit Perlen versetzt!" fieberte sie und zog mich quasi zu dem einen Kleidergeschäft, zu dem sie unbedingt wollte. Ich hatte schon längst vergessen, wie es hieß.

„Ich glaube du spinnst!" rief ich protestierend. „Wehe, ich meine es ernst! Kein Pink und keine Rüschen! Ich bin doch keine Ballerina!"

„Ach komm schon!" lachte sie. „Das wird so toll!"

„Ich mache mich doch nicht zum Affen!"

„Keira, du bist hübsch! Es wird mal Zeit, dass wir das betonen!" rief sie begeistert.

„Na das kann ja heiter werden." Murmelte ich zu mir selbst.

„Nein! Auf gar keinen Fall!"

„Aber warum nicht?" jammerte Bella. „Das sieht so schön aus!" Sie wies vorwurfsvoll auf das weiße Tüllkleid, das mir bis über die Oberschenkel ging.

„Sieht es nicht!" stritt ich ab. „Ich sehe aus wie diese komische Tänzerin von Schwanensee. Außerdem ist es viel zu kurz."

„Das kannst du vergessen!"

„Keira!" bescherte sich Bella. „Wieso siehst du nicht ein, dass das unglaublich aussieht?!"

„Weil es nicht stimmt!" rief ich frustriert. „Kannst du nicht einfach etwas aussuchen, das mich nicht wie eine Prostituierte aussehen lässt? Das Teil ist viel zu kurz und der Ausschnitt viel zu tief!"

„Gar nicht!" widersprach sie mir. „Blau sieht gut an dir aus! Vor allem die Rüschen und diese silbernen Steinchen!"

„Vergiss es!"

„Wow, das sieht super aus!"

„Tut es nicht."

„Doch!"

„Nein." Skeptisch betrachtete ich das Kleid, das sich wie eine zweite Haut an mich schmiegte.

„Doch! Es betont deine Kurven und deine Beine und es bringt deine braunen Augen mehr raus!" Bella dachte gar nicht daran nachzugeben.

„Aber es sieht – ich weiß nicht." Jammerte ich. „Außerdem habe ich das Gefühl, dass das alles gleich nach unten rutscht!"

„Das wird es nicht, vertrau mir!" lächelte Bella. „Es sieht richtig, richtig, richtig gut aus!"

„Das hast du auch bei den letzten anderen zehn gesagt." Bemerkte ich.

„Es waren acht, aber auch egal." Verbesserte sie mich. „Außerdem sieht das noch besser aus, als die anderen!"

„Na ja." Murmelte ich. „Wenigstens ist der Stoff nicht so komisch wie bei den anderen."

„Also nehmen wir's?" fragte sie aufgeregt.

„Von mir aus." Seufzte ich. „Damit wir fertig werden."

„Du siehst es immer alles so negativ!" beschwerte sie sich.

„Ich mag einfach keine Kleider, das ist alles!" verteidigte ich mich.

„Das verstehe ich einfach nicht! Sie stehen dir so gut!" seufzte sie frustriert.

„Bella, komm wir lassen das Thema."

„Aber-"

„Bitte." Ich sah sie fast flehend an.

„Na gut." Sie verdrehte genervt die Augen. „Aber wir nehmen das Kleid!"

„Ja, ja."

Als ich die Haustür hinter mir schloss, warf ich seufzend meine Schlüssel auf die Kommode und streifte erschöpft meine Schuhe von meinen Füßen. Dann schlurfte ich in die Küche, machte mir ein Glas mit Karottensaft und lief anschließend ins Wohnzimmer, wo Tobias auf der Couch saß und sich ein Fußballspiel anschaute.

„Komm her, Baby." Sagte er lächelnd, als er mich am Eingang gelehnt stehen saß. Ich war viel zu müde um ihn wegen dem Baby anzumotzen und kuschelte mich einfach an seine Brust und legte die Beine hoch.

„Hast du ein Kleid gefunden?" fragte er mich und küsste sanft die Stelle hinter meinem Ohr.

„Frag nicht." Murmelte ich, worauf er lachte.

„Von mir aus. Du siehst in allem unglaublich aus."

„Verdammter Charmeur." Seufzte ich und fuhr mit meiner Hand durch sein Haar.

„Nur die Wahrheit." Grinste er.

„Charmeur, sag' ich doch."

Donnerstagmorgen waren einfach immer zum kotzen. Vor allem wenn man mit Unterleibsschmerzen wach wurde und einfach die ganze Welt aus dem Fenster schmeißen könnte.

„Morgen, Kätzchen." Wünschte mir Tobias und umarmte mich wie jeden Morgen von hinten um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Ich schubste ihn genervt von mir weg und setzte meine Suche ihm Schrank nach meinen Cornflakes fort. Allerdings wurde ich nicht fündig, beziehungsweise entdeckte nur eine leere Packung.

„Wo sind meine Cornflakes? Du warst doch mit Einkaufen dran!" fragte ich ihn gereizt.

„Oh," verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, „ich glaube die habe ich gestern vergessen."

„Da bittet man dich einmal um etwas!" zischte ich wütend.

„Kätzchen, es tut mir leid." Versuchte er mich zu beruhigen.

„Ja, klar." Knurrte ich. „Jetzt muss ich auch noch hungrig zur Uni gehen."

„Du könntest von meinen-"

„Nein danke." Unterbrach ich ihn. „Ich gehe jetzt, wir sehen uns."

Damit nahm ich mir meinen Rucksack, steckte meine Schlüssel ein und knallte die Wohnungstür hinter mir zu. Ich liebe Donnerstage.

Der ganze Tag war eine Katastrophe. Ich wollte mich einfach nur in mein Bett legen und mich selbst wegen meiner Schmerzen bemitleiden. Warum mussten Frauen mit Blutungen zu kämpfen haben? Männer könnten diesen Blödsinn genauso gut ertragen! Das war einfach nicht fair! Und zu allem Übel hatten weder Bella noch ich irgendwelche Schmerztabletten. Es hatte meiner Meinung nach noch nie so wehgetan und ich sehnte mich mehr denn je nach einer heißen Dusche, die meine Muskeln entspannen würde.

Nach drei ewig langen Vorlesungen, auf die ich mich kein bisschen konzentrieren konnte, entschloss ich mich schließlich nach Hause zu gehen. Dort stellte ich mich unter den heißen Duschregen, bis das ganze Badezimmer nur noch aus feuchtem Nebel bestand. Danach ging es mir besser. Die Unterleibsschmerzen hatten nachgelassen und ich fühlte mich so, als ob irgendeine Last von meinen Schultern gefallen wäre. Das erste Mal seit Tagen nahm ich mir die Zeit um mich einzucremen, eine Maske zu machen und meine Fingernägel zu feilen. Ich genoss es richtig ohne diese lästigen Schmerzen aufatmen zu können und ging in meinen bequemen Pyjamas in die Küche um mir einen Karottensaft zu machen. Ich hatte kaum einen Schluck genommen, als die Bauchschmerzen wieder von jetzt auf gleich heftig zurückkamen. Ich keuchte erschrocken auf und hielt mir den Bauch. Es fühlte sich so an, als ob jemand mit einem Skalpell meine Bauchdecke durchschneiden wollte. Mit Tränen in den Augen ließ ich mich am Backofen auf den Boden gleiten und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

„Kätzchen?"

Ich war hin und hergerissen zwischen vor Erleichterung seufzen oder eine Tasse nehmen und sie ihm an den Kopf werfen, damit er mich alleine ließ.

„Geh!" schluchzte ich schließlich. Verdammt, warum tat das so weh?

„Dann würde ich ein schlechter Freund sein." Erwiderte er.

„Ist mir egal, geh einfach!" rief ich.

„Nein." Sagte er dickköpfig.

„Du verpasst deine Vorlesungen."

„Na und? Da war heute sowieso nichts Interessantes dabei."

Ich hörte, wie er zu mir kam und dann nach meinen Händen griff. „Was verstehst du unter geh?"

„Lass mich nicht alleine?" grinste er und zog mich zu sich nach oben.

„Es tut weh." Jammerte ich und vergrub meinen Kopf an seiner Brust.

„Tut mir leid." Murmelte er in mein Haar, bevor er mir einen Kuss auf den Scheitel drückte.

„Das ist so gemein. Warum müssen wir immer regelmäßig Schmerzen ertragen und ihr nicht?"

„Ich weiß es nicht, aber du bist stark genug um das jeden Monat durchzumachen." Erwiderte er sanft.

„Und trotzdem muss ich das immer aushalten."

„Du willst doch jetzt nicht wirklich in deinem Selbstmitleid versinken, Kätzchen." Er sah mich amüsiert an.

„Mann, ich habe hier gerade Schmerzen, du Idiot. Da ist das vollkommen normal." Verteidigte ich mich gereizt.

„Kätzchen-"

„Lass es einfach." Unterbrach ich ihn. „Ich will jetzt meine Ruhe haben." Damit versuchte ich mich aus seinem Griff zu winden, obwohl es eigentlich gut tat jetzt in seinen Armen zu sein.

„Nein, denkst du wirklich ich lasse dich alleine wenn es dir so schlecht geht?" Er schlang seine Arme enger um meinen Körper, womit er meine armseligen Versuche mich von ihm zu lösen zu Nichte machte. Trotzdem dachte ich nicht daran aufzugeben.

„Ich schwöre, ich zerkratze dir dein Gesicht, wenn du mich nicht los lässt!" fauchte ich.

„Kätzchen, du hast Schmerzen und deine Laune ist unter dem Nullpunkt, okay." Begann er. „Aber ich liebe dich und ich will dir helfen."

„Ich will aber einfach alleine sein und diesen bescheuerten Tag zu Ende bekommen." Rief ich zornig und riss mich endgültig los.

„Mensch Keira, würdest du bitte endlich mal verstehen, dass du nicht mehr alleine bist! Ich bin da für dich und ich will, dass du das weißt, verdammt!" rief auch er frustriert. Dieses Mal versuchte er nicht mich wieder zu umarmen sondern sah mich einfach an. Und ich wusste warum er das tat. Er wartete darauf, dass ich ihm jetzt bewies, dass ich ihm vertraute. Dass ich ihn wirklich liebte und dass ich daran glaubte, dass er mir mit allem helfen konnte. Trotzdem verstand ich nicht, wie er daran zweifeln konnte, dass ich ihn nicht liebte. Hatte ich ihm nicht oft genug gesagt, wie sehr ich ihn brauchte und wie sehr ich ihn liebte? Nein, hatte ich nicht, fiel mir sofort auf. An dem Abend, an dem es mir ausversehen heraus gerutscht war, war es das einzige Mal gewesen, an dem ich es laut ausgesprochen hatte. Zwar dachte ich es oft, sehr oft sogar, wenn wir einfach zusammen auf der Couch saßen, er lachte und ich ihn ansah und es mir dann durch den Kopf schoss, wie verdammt sehr ich ihn liebe. Aber ich hätte es ihm jedes Mal sagen müssen, damit er nicht daran zweifelte, so wie er es jetzt tat. Er hatte mir immerhin tausend Gründe genannt, warum er mich wollte, warum ich gut genug für ihn war. Ich hatte das nie getan. Ich war immer davon ausgegangen, dass er das wusste.

„Tobias?" sagte ich leise. Er sah mich weiterhin lediglich ruhig an. „Denkst du – denkst du wirklich, dass du mehr für mich empfindest, als ich für dich?"

Er seufzte tief, brach den Blickkontakt und sah zur Seite. „Ich habe einfach das Gefühl, dass du mich immer noch weg stößt. Ich meine, mit gestern, das verstehe ich. Aber jetzt – Warum lässt du mir dir nicht helfen? Ich-"

„Ich bin es einfach nicht gewohnt, dass jemandem wirklich etwas daran liegt mir zu helfen." Unterbrach ich ihn. „Damon und ich, es gab ewig lange nur uns. Wenn ich meine Launen hatte, dann hat er einfach gewartet, bis es wieder vorbei war. Aber du – du – dir liegt etwas daran, dass ich wieder lache, dass ich mich nicht von meiner schlechten Laune unterkriegen lasse."

„Keira," Er schluckte und ich zuckte zusammen, weil er meinen richtigen Namen verwendete, „Damon, ich meine, liebst du – liebst du ihn?"

„Was?" fragte ich perplex.

„Ihr kennt euch schon ewig, ihr beide habt viel durchgemacht-"

Ich ließ ihn nicht ausreden, sondern schloss die Lücke zwischen uns und küsste ihn leidenschaftlich. Als mir die Luft ausging, löste ich mich vorsichtig von ihm und sah ihm direkt in die Augen. „Ja, ich liebe ihn." Sagte ich schließlich und musste mit ansehen, wie Tobias Gesicht fiel und er den Blick von mir abwendete. Sofort drückte ich sein Kinn wieder in meine Richtung. „Wie könnte ich auch nicht? Damon ist wie ein Bruder für mich, Tobias. Er steht hinter mir, hört mir zu, wenn es mir schlecht geht und passt auf, dass ich keinen Mist baue. Und gerade das ist der Punkt. Er steht hinter mir, bei allem was passiert ist. Aber er kann mir nicht helfen meine Vergangenheit hinter mir zu lassen. Das ist nicht sein Job und das weiß er. Mit meiner Vergangenheit kann mir nur jemand helfen, der es riskiert die Grenzen zu testen, mich aus der Reserve zu locken und der mir zeigt, dass Liebe doch noch irgendwo da draußen existiert. Und das tust du. Du hast es dir aus welchem Grund immer in den Kopf gesetzt, mich wieder das Leben genießen zu lassen, zu wissen, was es bedeutet glücklich zu sein. Und du schaffst es. Ich – Ich habe wirklich niemals an Schmetterlinge im Bauch geglaubt, ich meine, das ist so absurd wie es klingt. Aber trotzdem habe ich sie. Jedes Mal wenn du mir meine Haare aus dem Gesicht streichst oder mich küsst oder mir sagst, dass du mich liebst. Und eine ganze Weile habe ich versucht zu leugnen, dass ich dieses Gefühl liebe, dass ich angefangen habe zu zweifeln, ob es die Liebe wirklich nicht gibt. Aber ich habe es nur getan, weil ich Angst habe. Immer noch." Ich hielt inne und schluckte, während ich nach seiner Hand griff. „Ich habe Angst, dass du mich auch alleine lässt, genau wie meine Eltern und die Freunde, von denen ich dachte, dass ich sie hatte." Er setzte an, etwas zu sagen, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich habe Angst, Herrgott ich habe eine scheiß Angst, aber Damon und ich haben über die Jahre etwas gelernt. Und zwar, dass man sich von seiner Angst nicht klein kriegen lassen soll. Und als du in mein Leben geplatzt bist, habe ich endlich einen Grund gefunden der Angst zu beweisen, dass ich mich von ihr nicht klein kriegen lasse. Und deshalb sollst du verdammt nochmal wissen, dass ich dich liebe. Und zwar so sehr, dass ich einen Monat auf Fertigpizza verzichten würde und mit dir den Mount Everest besteigen würde." Ich lachte, während ich ein paar Tränen wegblinzelte. „Was ich damit sagen will ist, dass es niemand anderes schaffen würde, mich an die Liebe glauben zu lassen und dass ich niemand anderes so sehr lieben würde, wie dich du Idiot."

„Darf ich jetzt auch etwas sagen?" fragte er mit rauer Stimme.

„Ja, ich bitte sogar darum, weil ich mir vorkomme wie in einem verdammt schlechten, kitschigen Liebesfilm." Ich schluchzte und wischte mir die Tränen von der Wange.

„Ich liebe dich."

„Was?" Ich lachte abgehackt. „Das ist alles nach meiner Beichte?"

„Es ist das Einzige, was danach Sinn gemacht hat, oder nicht?" Er lächelte und strich mir liebevoll einige Tränen von der Wange. „Warum weinst du?"

„Weil – weil ich noch nie irgendjemandem meine Gefühle gebeichtet habe und Angst habe, dass du mich für komplett verkorkst hältst." Erwiderte ich.

„Ich halte dich nicht für verkorkst." Lachte er. „Ich bin einfach nur froh, dass ich nicht ein verlorener Idiot bin, der bis über beide Ohren blind verliebt ist und dessen Traumfrau ihn eigentlich gar nicht zurück liebt."

„Aber ich liebe dich, Tobias. Das tue ich wirklich." Sagte ich beharrlich und packte den Stoff seines Shirts. „Ich – ich bin zwar nicht gut das zu zeigen, aber ich liebe dich. Und ich liebe dich noch mehr dafür, dass du dich nicht von mir vergraulen lässt."

„Du jagst mir keine Angst ein, Kätzchen." Grinste er. „Jedenfalls nicht in der Hinsicht."

„In welcher denn dann?" fragte ich ihn neugierig.

„Das willst du gar nicht wissen." Sagte er schnell.

„Doch, will ich." Bestätigend hielt ich mich an seinem Shirt fest und sah ihm direkt in die Augen.

Er schluckte. „Es macht mir eine Heidenangst, dass ich von einer Brücke springen würde, wenn du das verlangen würdest." Sagte er leise. „Es macht mir Angst, dass ich dir vierundzwanzig Stunden lang sagen könnte, dass ich dich liebe. Es macht mir Angst, dass ich verdammt abhängig von dir bin. Von deinem Lächeln, von jedem einzelnen Funkeln deiner Augen und von jeder winzigen Sommersprosse in deinem Gesicht. Es macht mir Angst, dass ich jedes kleine Detail an dir liebe. Jeden einzelnen Schönheitsfleck auf deiner Haut und jedes Grübchen in deinem Gesicht. Es macht mir verdammt viel Angst, Keira."

„Aber du rennst auch nicht weg, oder?" flüsterte ich.

„Nein." Er schüttelte entschlossen den Kopf. „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich mir dich durch nichts und niemandem wegnehmen lasse."

„Und das gleiche gilt für mich." Sagte ich grimmig. „Ich werde jedem deiner Püppchen den Hals umdrehen, sollten sie dich anfassen."

„Das finde ich unglaublich sexy." Grinste er. „Ich mag es, wenn du eifersüchtig bist."

„Da habe ich ja nochmal Glück gehabt." Lachte ich und stellte mich auf die Zehnspitzen um ihn zu küssen.

„Aber bei mir ist das nicht anders." Sagte er dann. „Sollte irgendjemand dich falsch ansehen, mache ich ihn ein Kopf kürzer."

„Das solltest du lieber bleiben lassen."

„Und warum? Du bist mein und ich werde dich mit niemand anderem teilen." Knurrte er.

„Und ich will dich nicht im Gefängnis besuchen müssen." Grinste ich.

„Lieber ich im Gefängnis, als dass jemand die Vorstellung hat, dass du noch zu haben bist und dich deshalb falsch ansieht."

„Solange du denjenigen nicht gleich umbringst." Seufzte ich.

„Ich werde mich bemühen. Aber da gibt es einfach zu viele, die dich ansehen als wärst du eine Trophäe, die sie bei sich im Regal stehen haben müssten." Erwiderte er wütend.

„Ich bin mir sicher, dass du dich da täuschst." Lachte ich.

„Und ich bin mir sicher, dass du keine Ahnung hast. Ich weiß wie Männer etwas ansehen, das sie haben wollen."

„Tobias, im ernst. Da ist nichts Besonderes mit meinem Aussehen." Sagte ich beharrlich.

„Wann genau hast du damit aufgehört daran zu glauben, dass du wunderschön bist." Fragte er mich auf einmal streng und fasste unter mein Kinn.

„Ich – ich." Stotterte ich und versuchte vergeblich unseren Blickkontakt zu unterbrechen.

„Wann, Keira." Verlangte er.

„Nachdem ich vergewaltigt wurde." Sagte ich kleinlaut.

„Es klingt jetzt vielleicht dumm," begann er, „Aber warum?"

„Er hat mich gedemütigt, in die Knie gezwängt, mich schwach gemacht." Erzählte ich ihm mit zusammen gebissenem Kiefer. „Er hat mir immer wieder gesagt, wie hässlich ich bin, wie erbärmlich. Wie ungenügend mein Körper ist, was für ein unbefriedigender Fuck ich war." Ich lachte verbittert und zwang die Tränen zurück. „Ich habe damals mindestens dreimal am Tag geduscht, weil ich das absurde Gefühl hatte, dass Dreck an mir kleben würde."

„Wie lange hat dieses Arschloch noch hinter Gittern?" spuckte Tobias verächtlich aus. Er sah so wütend aus, dass ich Angst hatte, er würde jeden Augenblick explodieren.

„Gar nicht." Murmelte ich.

„Was meinst du mit gar nicht?" Seine Stimme hatte einen alarmierten Unterton angenommen.

„Sie haben ihn nie gefasst." Sagte ich leise.

„Wie bitte?" rief er. „Dieses widerliche, erbärmliche Arschloch hat dir wehgetan und wurde dafür nicht zur Rechenschaft gezogen?!"

„So sieht's aus." Ich nickte langsam.

Tobias fasste sich zuerst an die Stirn, als ob er sich dazu zwingen wollte, seinen Ärger hinunter zu schlucken. Dann fuhr er sich einige Male mit der Hand durchs Haar, seine Augen zu Schlitzen verengt. Ich konnte praktisch sehen, wie sein Blut am Kochen war, so wütend sah er in diesem Moment aus. Auf einmal ballte sich in Sekundenschnelle seine Hand zur Faust, bevor er sie mit voller Wucht gegen die Wand schmetterte.

„Tobias!" rief ich erschrocken und hechtete zu ihm. Seine Hand zitterte, sein Kiefer war bis zum Zerbersten angespannt.

„Ich verstehe einfach nicht wie – wie um alles in der Welt man so jemanden ungestraft davonkommen lassen kann. Er hat dir so sehr wehgetan, dich zu Unrecht gedemütigt und dafür gesorgt, dass du keine Ahnung mehr hast, wie wunderschön du bist." Seine Stimme bebte unter seiner Wut. „So ein verdammtes Arschloch! Wie können sie, wie können sie ihn laufen lassen? Wie-"

„Tobias." Unterbrach ich ihn sanft. „Du kannst es nicht ändern."

„Ja!" rief er. „Und das bringt mich um! Ich würde ihm jeden Knochen einzeln brechen, ihm das Gesicht verunstalten und dafür sorgen, dass er nie wieder von irgendjemandem respektiert wird. Ich würde-"

„Tobias." Ich berührte sanft seine Schulter und brachte ihn dazu mir in die Augen zu sehen.

„Ich hasse ihn." Er spukte die Worte mit so viel Verachtung in Richtung Boden, wie ich es noch nie gehört hatte.

„Ich weiß." Antwortete ich. „Aber du musst genauso damit abschließen wie ich."

„Ich will einfach nur, dass du weißt, dass du wunderschön bist, Keira." Erwiderte er noch immer mit bebender Stimme und berührte zaghaft meine Wange. „Dass dein Körper nicht perfekter sein könnte, dass du aussiehst wie eine verdammte Göttin."

„Aber ich-"

„Nein." Unterbrach er mich. „Ich will, dass du das weißt."

„Aber ich kann es nach allem einfach nicht glauben." Flüsterte ich.

„Dann werde ich es dir sagen, jeden verdammten Tag. Jeden Morgen und jeden Abend, ohne Ausnahme." Sagte er entschlossen.

„Warum?"

„Weil du nicht, niemals, an dir selbst zweifeln sollst, Keira."

„Aber das geht nicht." Seufzte ich. „Es ist zwar nicht so schlimm wie früher, aber ich habe manchmal immer noch das Gefühl schmutzig zu sein."

„Ich wünschte wirklich, du könntest dich ein einziges Mal mit meinen Augen sehen." Sagte er mit rauer Stimme. „Dann würdest du vielleicht verstehen, warum ich dich so sehr will, dass es manchmal weh tut. Warum ich alles dafür tun würde um dich ein weiteres Mal Lachen zu sehen."

Seine Worte taten unglaublich gut. Mir war richtig warm von innen heraus. Er baute mich einfach auf, ließ mich wieder an mich selbst glauben. Und das war es, was ich brauchte, was Tobias so gut konnte. „Ich liebe dich." Flüsterte ich heiser und küsste ihn mit allem was ich hatte.

„Und ich liebe dich." Flüsterte er ebenfalls und küsste mich erneut. „Und jetzt da das alles geklärt wäre, sollten wir uns um deine Schmerzen kümmern."

„Da gibt's nichts, was hilft." jammerte ich.

„Ich habe mal gelesen, dass Massieren dagegen hilft." Schlug er vor.

„Ich will gar nicht wissen, wo du das gelesen hast." Seufzte ich, worauf er lachte.

„Playboy hat einige gute Punkte -"

„Und das reicht auch schon." Unterbrach ich ihn, die Augen verdrehend.

„Von mir aus. Aber ich könnte dich massieren. Vielleicht hilft es ja wirklich." Meinte er zuversichtlich.

„Ich glaube zwar nicht daran, aber auch egal."

„Gut, dann komm Kätzchen." Lächelte er. Ich war so froh, dass die ernsten Themen jetzt vorbei waren. Ich war wirklich davon abhängig, dass er mich Kätzchen nannte.

„Komm, leg dich auf die Couch." Er nahm meine Hand und führte mich ins Wohnzimmer, wo ich mich skeptisch mit dem Bauch auf die Couch legte.

„Und jetzt?" fragte ich ihn.

„Jetzt schieb dein Shirt etwas hoch, damit ich an deinen Rücken komme." sagte er.

„Na gut." murmelte ich und zog zögernd mein Shirt bis zu meiner Brust. Ich schauderte, als die Käl-te meine nackte Haut traf. Tobias kniete sich außerhalb meiner Beine hin und fuhr sachte meine Wirbelsäule nach. Dieses Mal erschauderte ich wegen seiner Berührung und die Kälte war verges-sen. Dann begann er an verschiedenen Stellen oberhalb meiner Hüfte Druck auszuüben, was dazu führte, dass ich noch mehr Gänsehaut bekam und ich mich bemühen musste nicht erneut zu er-schaudern. Meine Augen waren auf die Pflanze auf dem Fenster Sims gerichtet, die vertrocknet war, da ich jedes Mal vergessen hatte sie zu gießen. Ich wusste gar nicht warum ich sie gekauft hat-te. Mein Daumen war alles andere als grün. Wahrscheinlich lag das in der Familie. Zu Hause hatten wir auch nur künstliche Blumen, weil meine Mutter auch jede einzelne lebendige Pflanze getötet hatte. Und mein Vater hatte wichtigeres zu tun gehabt, als mittags Pflanzen zu gießen, die ihn kei-nen Cent interessierten.

„Kätzchen," sagte Tobias leise, „Das funktioniert nur, wenn du dich entspannst. Also schalte mal mit deinen Gedanken ab und mach die Augen zu."

Ich nickte, zwar immer noch unschlüssig und vergrub mein Gesicht in meinen verschränkten Armen. Ohne die störenden Gedanken bemerkte ich jetzt erst recht, dass Tobias wirklich etwas von Massie-ren verstand. Seine Hände massierten die richtigen Stellen, sorgten dafür, dass sich meine ange-spannten Muskeln entkrampften.

„Woher kannst du das?"

Er lachte leicht, bevor er antwortete. „Als ich elf war, hatte ich eine Phase, in der ich unbedingt Masseur werden wollte. Frag mich nicht warum, ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall habe ich mir hunderte YouTube Videos angeguckt und habe die Tipps an meiner Mutter ausprobiert. Verrückt, nicht wahr?"

Ich schmunzelte. „Wenigstens macht es sich jetzt bezahlt."

„Wird es denn besser?" fragte er mich, während seine Massage langsam meine Unterleibsschmerzen verschwinden ließ.

„Ja." Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein Seufzen entwich.

„Sehr gut." Murmelte er zufrieden und massierte weiterhin präzise meine Muskeln, damit die Ver-krampfung, die durch meine Schmerzen entstanden war, endlich abklang.

Ich wusste nicht genau, wie lange Tobias meinen Rücken massierte, aber irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als er mir einen Kuss auf die Stirn gab, schreckte ich auf.

„Willst du etwas essen?" fragte er mich lächelnd und strich mir mein Haar aus dem Gesicht.

„Mhm." Nickte ich.

„Gut, ich habe nämlich Pfannkuchen gemacht." Ein wissendes Grinsen stahl sich auf seine Lippen.

„Ich liebe dich, weißt du das?" entgegnete ich entzückt und setzte mich auf um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.

„Ach, auf einmal." Er zwinkerte mir grinsend zu, griff dann nach meiner Hand und zog mich auf die Beine.

„Ich weiß nicht was du meinst." Grinste ich und verschränkte unsere Finger miteinander.

„Ja, ja. Wie geht's eigentlich deinem Bauch?"

„Besser, du solltest mich wirklich öfter massieren." Meinte ich.

„Wenn das hilft."

„Auf jeden Fall." Beteuerte ich wahrheitsgemäß.

„Na dann ist ja gut." Lächelte er. „Du kannst nämlich morgen unmöglich krank sein."

„Warum?" fragte ich irritiert, als wir uns nebeneinander auf die Barhocker an der Theke setzten und ich begeistert die Pfannkuchen anstarrte.

„Weil wir morgen anfangen Tanzen zu üben." Verkündete er.

„Muss das sein?" brummte ich nicht begeistert.

„Es wird dir Spaß machen, versprochen." Versicherte er mir zuversichtlich.

„Tanzen macht mir Spaß, aber nicht diese Standarttänze. Das ist doch langweilig." Widersprach ich ihm.

„Ist es nicht. Du wirst schon sehen." Lächelte er.

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