Soulless - Auf ewig verbunden

By freezing_storm

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„Ihre Zeit ist gekommen", ertönte Athanasios' dunkle Stimme durch den dichten Nebel. ,,Ich werde sie nicht s... More

Aesthetics
Prolog
Kapitel 1: Sol
Kapitel 2: Atlas
Kapitel 3: Sol
Kapitel 4: Sol
Kapitel 5: Sol
Kapitel 6: Atlas
Kapitel 7: Sol
Kapitel 8: Sol
Kapitel 9: Atlas
Kapitel 10: Sol
Kapitel 11: Sol
Kapitel 12: Sol
Kapitel 13: Atlas
Kapitel 14: Sol
Kapitel 15: Sol
Kapitel 16: Sol
Kapitel 17: Sol
Kapitel 18: Atlas
Kapitel 19: Sol
Kapitel 20: Atlas
Kapitel 21: Sol
Kapitel 22: Atlas
Kapitel 23: Atlas
Kapitel 24: Atlas
Kapitel 25: Sol
Kapitel 26: Atlas
Kapitel 28: Sol
Kapitel 29: Sol
Kapitel 30: Sol
Kapitel 31: Atlas
Kapitel 32: Atlas
Kapitel 33: Sol
Kapitel 34: Sol
Kapitel 35: Sol
Kapitel 36: Sol
Kapitel 37: Sol
Kapitel 38: Sol
Kapitel 39: Sol
Kapitel 40: Atlas
Kapitel 41: Sol
Kapitel 42: Sol
Kapitel 43: Sol
Kapitel 44: Atlas
Kapitel 45: Atlas
Kapitel 46: Sol
Kapitel 47: Atlas
Kapitel 48: Sol
Kapitel 49: Sol
Kapitel 50: Sol
Epilog
Nachwort

Kapitel 27: Sol

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By freezing_storm

Die letzte Person, die ich in diesem Moment durch die Tür kommen sehen wollte, war die blondhaarige Schönheit mit den harten Gesichtszügen. Der blonde Lockenkopf, von dem ich noch immer nicht wusste, wer er war, stolperte ein Stück zurück. Dass sie ihn wie Atlas nicht sehen konnte, wunderte mich nicht. Wenn er etwas mit Atlas zu tun hatte, konnte das nur bedeuten, dass er ebenfalls kein Mensch war. Ob mich das beruhigte, war allerdings fraglich, besonders wenn ich daran zurückdachte, wie er meine kleine Schwester angesehen hatte.

Dr. Forster würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen ging sie geradewegs an ihm vorbei und steuerte direkt auf mich zu.

Ihre kalten Augen lagen dabei starr auf mir. Ich schluckte kräftig und wappnete mich mental für das, was nun gleich folgen würde. Mit einem Klemmbrett bewaffnet stellte sie sich an die Vorderseite des Bettes. Ihr prüfender Blick fiel dabei für wenige Augenblicke auf Hailee, die sie aus großen Augen fast flehentlich anschaute.

Ich bin ja gespannt, was passiert, wenn sie herausfindet, dass Dr. Forster das Feingefühl eines Henkers hat, bemerkte Amy, die sich zum ersten Mal, seit ich die Zwischenwelt verlassen hatte, zu Wort meldete.

Eigentlich wollte ich das auch gar nicht herausfinden. Die Angst in mir wuchs mit jeder verstrichenen Sekunde, in der diese Frau in diesem Zimmer stand. Sie würde die Bombe zum Explodieren bringen und damit die Welt meiner Schwester in Trümmer legen.

Dass diese Frau dazu in der Lage war, zeigte sich wenige Augenblicke später, als sie mit dem Feingefühl eines Henkers unsere heile Welt in Schutt und Asche legte.

,,Ich muss dringend mit Ihnen sprechen. Aber ich nehme anhand ihres Gesichtsausdruckes an, dass ihre Schwester noch immer nicht von ihrer Erkrankung im Bilde ist'', stellte Dr. Forster mit spitzer Stimme fest.

Mir klappte der Mund auf. Im selben Atemzug hätte sie auch gleich sagen können, dass ich im Sterben lag.

Schnell huschte mein Blick zu Hailee, deren Gesicht durch die Worte der Ärztin leichenblass geworden war. Ich biss mir auf die trockenen Lippen und ließ mich noch tiefer in die Kissen sinken, als ihre moosgrünen Augen auf meine trafen. In ihrem verschleierten Blick lag eine solche Traurigkeit, dass mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Sofort überkamen mich Schuldgefühle.

Genau vor diesem Moment hatte ich mich so gefürchtet. Immer und immer wieder hatte ich mir eingeredet, dass mich nichts treffen könnte. Doch nichts hätte mich auf diese Flut an Gefühlen vorbereiten können, die in dieser Situation über mich hineinbrach.

,,Erkrankung?'', fragte meine kleine Schwester mit bebender Stimme, während sie Dr. Forster fast flehentlich anschaute. Sie würde es nicht wahrhaben wollen.

,,Anscheinend liege ich mit meiner Vermutung richtig. Nun gut, unter diesen Umständen muss ich Sie bitten, den Raum zu verlassen'', sagt Dr. Forster mit neutraler Stimme und wandte sich Hailee zu, die unter ihrer Aufforderung die Augen aufriss.

Jeden Tag warst du dabei, ein Kartenhaus zu errichten und plötzlich zog dir jemand eine Karte heraus. Das instabile Gebilde brach ohne Warnung vor deinen Augen zusammen und alles, was du tun konntest, war dabei zuzusehen.

,,Sol, was ist hier los?'' Eine Mischung aus Panik und Verwirrung spiegelte sich in ihren geröteten Augen, die immer wieder zwischen mir und der Ärztin hin und her huschten.

Mir wurde übel bei dem Gedanken, dass sie es hier auf diese Weise erfahren würde. Mein Körper versteifte sich unter ihrem anklagenden Blick. Ich fühlte mich miserabel, als ich sah, wie immer mehr Tränen ihre Augenwinkel verließen. Krampfhaft versuchte ich zwischen all den ungesagten Worten zu atmen, die mir die Luft abschnürten.

Die Stille im Raum war so laut, dass die Wände das Echo meines Schweigens widerhallten. Meine Finger krallten sich in die Bettdecke, während ich ihrem Blick auswich. Ich war nicht in der Lage dazu, ihr die Antwort auf die Frage zu geben. Stattdessen schloss ich die Augen. Ich wollte nicht hier sein und mich dieser Situation stellen, die mir die Luft zum Atmen raubte.

Deshalb machte ich mich klein, zog die Decke bis zu meinem Kinn und drehte meinen Kopf weg von meiner Schwester. Tapfer versuchte ich die Tränen zurückzuhalten, die sich hinter meinen Augen zu einem Stausee angesammelt hatten.

,,Sol, bitte'', flüsterte Hailee, während sie zaghaft ihre schlanken Finger unter die Bettdecke schob und meine Hand nahm. Ihre Stimme, die sonst immer so kräftig war, dass man glaubte, nichts könnte sie jemals aus der Fassung bringen, war so dünn und zerbrechlich, dass ich nicht verhindern konnte, wie mir dabei eine Träne entfloh.

Plötzlich trat Dr. Forster in mein Sichtfeld. Zu meinem Erstaunen ging sie vor mir in die Hocke, sodass wir uns nun fast auf Augenhöhe befanden. Ganz kurz bildete ich mir ein, eine Spur Mitgefühl in ihren toten Augen erkannt zu haben.

,,Möchten Sie, dass ich es Ihrer Schwester sage?''

Mach das nicht, Sol, bat mich Amy. Doch ich hatte noch nie auf sie gehört.

Es war feige von mir und doch nickte ich. Der Knoten in meiner Brust zog sich immer enger zusammen.

Schnell presste ich meine zitternden Lippen aufeinander, während die Tränen nun ungehindert meine Wangen hinabflossen. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so gehasst.

Ich war mir der Aufmerksamkeit aller Personen im Raum bewusst. Doch niemand wagte es, mir ins Gesicht zu sagen, was für ein schrecklicher Mensch ich war.

Dr. Forster erhob sich langsam und trat wieder ans Ende meines Bettes. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie ein schwarzer Schatten geräuschlos an ihr vorbeiging. Mein verschwommener Blick fiel auf Atlas, den einzigen Menschen, der mich nicht für meine Feigheit verurteilte.

Er nahm meine Hand in seine und half mir die nächsten Augenblicke durchzustehen.

,,Sol ist vor ungefähr sechs Wochen zu mir ins Krankenhaus gekommen, weil sie unter einer starken Übelkeit und häufigem Erbrechen litt. Wir haben ihr Blut abgenommen und aufgrund ihrer starken Kopfschmerzen und Migräneanfälle ein CT veranlasst. Dabei haben wir einen Tumor entdeckt. Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, doch ihre Schwester hat ein Glioblastom im Endstadium.''

Nüchtern und präzise.

Ohne jegliche Gefühlsregung in der Stimme ließ sie die Bombe, dessen Zündschnur ich die ganze Zeit in meinen zitternden Händen gehalten hatte, als könnte ich verhindern, dass sie irgendwann explodierte, hochgehen.

Sogar ich zuckte bei ihren Worten zusammen, obwohl die Informationen nicht neu für mich waren. Sie spiegelten nur meine Realität wider.

Die Stille im Raum war wie die Ruhe vor einem Sturm, der kurz danach alles mit sich riss. Ganz langsam drehte ich den Kopf zu meiner Schwester, die noch immer stocksteif an Ort und Stelle stand. Ich wollte sie trösten, ihr die Angst nehmen und sagen, dass es besser werden würde. Doch das konnte ich nicht.

,,Du hast Krebs?'', flüsterte sie mit gebrochener Stimme. Meine Augen füllten sich wieder mit Tränen, als ich zur Bestätigung nickte.

,,Wirst du sterben?'' Ihre Stimme klang flehentlich. Es zerriss mir das Herz. Ein schmerzender Stich durchfuhr mich und mein Bauch krampfte sich zusammen.

Ich krallte mich an Atlas' Hand fest, als ein leises Wimmern meine bebenden Lippen verließ.

,,Ja'', hauchte ich und brachte das Fass damit zum Überlaufen.

Den Blick, den sie mir daraufhin zuwarf, ließ meinen Körper erzittern.

,,Nein...'', flüsterte sie und schüttelte energisch den Kopf, als würde es irgendetwas an der Situation ändern. Ich war nicht mehr in der Lage, etwas darauf zu erwidern. Mein gesamter Körper bebte, als ein tiefes Schluchzen aus den Tiefen meiner Kehle kroch und den ganzen Raum erfüllte.

Alles in mir zog sich zusammen. Denn das war meine Last, die ich bis zum Ende tragen musste. Ihre Blicke, die mich anflehten, nicht zu gehen. Obwohl ich nichts lieber täte als zu bleiben. Ich wusste, wie sie sich fühlte. Die Endgültigkeit raubte einem den Atem, wenn man realisierte, dass ein geliebter Mensch einen verlassen würde. Denn genau solche Schmerzen hatte ich gespürt, als Atlas gegangen war. Nur dass ich am Ende nicht wiederkommen würde.

,,Hailee'', sagte Eliah sanft. Dabei berührte er leicht ihren Oberarm, doch Hailee schlug seine Hand weg. Auch ihr liefen die Tränen über die Wangen.

,,Du kannst nicht...'' Sie sprach das Wort nicht aus und doch hallte es durch den Raum. ,,Du hast es versprochen'', flüsterte sie und sah mich dabei anklagend an. Meine Lippen formten ihren Namen, während ich spürte, wie in mir etwas zerbrach. Zitternd schlug sie sich die Hand vor dem Mund, ehe sie sich von mir abwandte und hinausstürmte.

Ich machte Anstalten aufzustehen, doch Atlas' warme Hand drückte mich zurück in die Kissen.

,,Bleib liegen. Ich folge ihr'', sagte Dante, ehe er sich in der nächsten Sekunde in Luft auflöste.

Zurück blieb eine Leere in mir, die ich niemals füllen können würde. Das Gefühl versagt zu haben, kroch langsam meine Knochen hinauf und benebelte meine Gedanken.

Denn ich hatte mein Versprechen an meine kleine Schwester gebrochen. Nun würde auch ich sie verlassen. Ich war mir sicher, dass sie mir das nie verzeihen würde.

Nur mit halbem Ohr bekam ich mit, wie Dr. Forster etwas darüber erzählte, dass sich mein Körper in einem chronischen Erschöpfungszustand befunden hatte und ich deswegen ohnmächtig geworden war. Als ich im Krankenhaus angekommen war, hatte mein Herz Kammerflimmern, ehe es aufgehört hatte zu schlagen. Das war wohl der Moment gewesen, als ich mich dazu entschlossen hatte, Athanasios' Hand zu nehmen.

Sie bezeichnete es als Wunder, dass die zuständigen Ärzte mein Herz wieder zum Schlagen bringen konnten. Dass es nichts mit einem Wunder zu tun gehabt hatte, erwähnte ich selbstverständlich nicht.

,,Ich muss Sie bitten in einer Woche zu mir zu kommen. Wir werden noch ein weiteres CT machen und ein Auswertungsgespräch führen.''

Stumm nickte ich.

Ich wollte, dass sie ging. Denn ich konnte mich nicht mehr mit meinem Tod auseinandersetzen, der in jedem Winkel meines Lebens auf mich wartete. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, verließ sie wenige Augenblicke später den Raum.

Die Monster in meinem Kopf hatten immer gewusst, dass ich am Ende verlieren würde. Sie waren schon immer stärker gewesen.

Du hast dich wacker geschlagen. Wie eine Kriegerin.

Wenn das ein Versuch war, mich aufzuheitern, wollte ich es nicht hören.

In diesem Moment wurde all das, was ich in den letzten Wochen krampfhaft versucht hatte zu ignorieren, zur Realität. Unaufhaltsam prasselt sie auf mich ein, während ich mit verbundenen Händen mitansehen muss, wie meine Welt langsam auseinanderbrach.

Ich würde die Menschen, die ich liebte, zurücklassen müssen. Ohne dass ich jemals eine Wahl oder ein Mitspracherecht gehabt hätte. Einfach so von jetzt auf gleich würde ich von dieser Welt verschwinden, so als hätte es mich nie gegeben.

Denn plötzlich wurde mir klar, dass meine Mom und mein Dad irgendwann mit dem Wissen aufwachen würden, dass ihre Tochter kein Teil mehr dieser Erde war. Ohne dass ich es verhindern konnte und ohne dass ich etwas hinterlassen würde, das die Welt daran erinnert, dass ich da gewesen bin.

Und Hailee würde jeden Abend in den dunklen Nachthimmel starren und mich dafür verfluchen, dass sie mich unter all den Sternen nicht finden konnte und ich nichts zurückgelassen hatte, an das sie sich klammern konnte.

Diese Gedanken waren es letztendlich, die mir den Sauerstoff aus den Lungen pressten.

Und während ich unter der Last, die ich niemals tragen wollte, zusammenbrach, hielt mich Atlas die ganze Zeit in seinen Armen und wiegte mich an seiner Brust. Seine Nähe war das Einzige, das mich noch zusammenhielt.

Manche nahmen Drogen, andere liefen kilometerweit und andere klammerten sich an jemandem fest, nur um den Schmerz zu betäuben, der uns heimsuchte. Denn am Ende suchten wir alle nur nach einem kleinen Raum oder auch nur einem Schlupfloch, das uns Zuflucht bot vor der schrecklichen Realität dieser Welt.

Und Atlas war dieser Mensch für mich.

Doch die Monster in meinem Kopf wussten von Anfang an, dass ich ihn irgendwann verlieren würde.

Weil nichts für ewig währte. Auch wir nicht.

Am Ende zerfielen wir alle zu Staub und Asche und ließen nichts von uns zurück, außer der Erinnerung an uns, die irgendwann verblassen würde.

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