Soulless - Auf ewig verbunden

Od freezing_storm

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„Ihre Zeit ist gekommen", ertönte Athanasios' dunkle Stimme durch den dichten Nebel. ,,Ich werde sie nicht s... Více

Aesthetics
Prolog
Kapitel 1: Sol
Kapitel 2: Atlas
Kapitel 3: Sol
Kapitel 4: Sol
Kapitel 5: Sol
Kapitel 6: Atlas
Kapitel 7: Sol
Kapitel 8: Sol
Kapitel 9: Atlas
Kapitel 10: Sol
Kapitel 11: Sol
Kapitel 12: Sol
Kapitel 13: Atlas
Kapitel 14: Sol
Kapitel 15: Sol
Kapitel 16: Sol
Kapitel 18: Atlas
Kapitel 19: Sol
Kapitel 20: Atlas
Kapitel 21: Sol
Kapitel 22: Atlas
Kapitel 23: Atlas
Kapitel 24: Atlas
Kapitel 25: Sol
Kapitel 26: Atlas
Kapitel 27: Sol
Kapitel 28: Sol
Kapitel 29: Sol
Kapitel 30: Sol
Kapitel 31: Atlas
Kapitel 32: Atlas
Kapitel 33: Sol
Kapitel 34: Sol
Kapitel 35: Sol
Kapitel 36: Sol
Kapitel 37: Sol
Kapitel 38: Sol
Kapitel 39: Sol
Kapitel 40: Atlas
Kapitel 41: Sol
Kapitel 42: Sol
Kapitel 43: Sol
Kapitel 44: Atlas
Kapitel 45: Atlas
Kapitel 46: Sol
Kapitel 47: Atlas
Kapitel 48: Sol
Kapitel 49: Sol
Kapitel 50: Sol
Epilog
Nachwort

Kapitel 17: Sol

275 39 258
Od freezing_storm

Eine ungeheure Angst durchströmte mich bei dem Gedanken, dass ich augenscheinlich nicht mehr viel Zeit hatte. Das wurde mir noch schmerzlicher bewusst, als ich durch die Drehtüren trat und am Ende des Foyers Eliah erblickte. Seine Haare waren wie immer durcheinander und hingen ihm lose ins Gesicht.

Als er mich erkannte, blitze etwas in seinen Augen auf, ehe er schnurstracks auf mich zu lief. Sofort fühlte ich mich ertappt und setzte mich in Bewegung. Sein Blick erdolchte mich regelrecht, als er in meine Richtung kam. Ich beschleunigte meine Schritte, um schnell zum Fahrstuhl zu gelangen. Hauptsache, er erwischte mich nicht und hielt mich davon ab, auf Arbeit zu gehen.

,,Das kannst du gleich vergessen, Sol'', rief Eliah hinter mir. Ich zuckte bei seinen Worten zusammen, da ich schon ahnte, was mir schwebte, wenn er gleich bei mir wäre. Ertappt blieb ich stehen und drehte mich um.

Ich setzte ein Lächeln auf und hob abwehrend die Hände.

,,Aber ich muss zur Arbeit, Eliah. Versteh das doch.''

Seine Augenbraue schoss in die Höhe, als er vor mir ankam und mich von oben bis unten betrachtete.

,,Heute sicherlich nicht'', antwortete er entschieden.

Ich stöhnte auf und unterdrückte nur mit größter Mühe den Impuls, wütend den Fuß auf den Boden zu stampfen. Als Kind hatte das früher immer super funktioniert.

,,Du siehst scheiße aus'', verkündete er mit all der Ehrlichkeit, die er in sich besaß.

Wie sollte man auch nach einer Begegnung mit dem Gott der Schattenwelt aussehen?

,,Danke für das Kompliment'', murrte ich und versuchte an ihm vorbeizukommen, doch er hielt mich an den Schultern fest. Ich biss die Zähne fest aufeinander und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass Eliah endlich aufhören würde, sich mir in den Weg zu stellen.

Ich schaute zu ihm und hob fragend die Augenbraue. Seine blauen Augen glitzerten förmlich vor Aufregung, was bei mir ein mulmiges Gefühl hinterließ. Ein dickes Grinsen breites sich auf seinen Lippen aus.

,,Was hast du vor?'', fragte ich argwöhnisch, da dieses Grinsen nichts gutes verheißen mochte.

,,Warte hier kurz, okay? Ich hole schnell meine Sachen'', stieß er aufgeregt hervor.

Ohne auf meine Antwort zu warten, hatte er sich von mir abgewandt und sich in Bewegung gesetzt.

Irritiert kniff ich die Augenbrauen zusammen. ,,Und dann?'', rief ich ihm hinterher.

Er drehte sich um und zwinkerte mir verschmitzt zu. ,,Na was wohl? Wir schwänzen heute.''

Erschrocken riss ich die Augen auf, da ich dieses Verhalten von Eliah nicht kannte.

,,Wer bist du und was hast du mit Eliah gemacht?'' Meine Stimme war nur ein Zischen, doch das schien Eliah nicht zu interessieren. Er war wie ausgewechselt.

,,Mir ist plötzlich so übel. Ich glaube, ich muss nach Hause gehen'', rief er nun so laut, dass alle, die sich im Foyer aufhielten, ihn deutlich verstanden hatten. Um seine Worte zu untermauern, hielt er sich mit einem schmerzverzerrten Gesicht den Bauch. Doch noch immer lag ein schmales Lächeln auf seinen Lippen.

,,Aber das können wir nicht machen!'', zischte ich ihm zu, doch da hatte er sich schon wieder in Bewegung gesetzt. Die Menschen, die Eliahs Weg kreuzten, wichen ihm aus oder blieben abrupt stehen, als hätten sie einen Geist gesehen. Mir war es schon immer ein Rätsel gewesen, warum die meisten Menschen sich so in seiner Nähe verhielten. Wahrscheinlich hatten sie im Moment Angst, er könnte einen Magendarm Virus haben.

Ich hörte ihn nur noch leise flöten ,,Jimmy kann mich mal!'', ehe er geradewegs in den geöffneten Fahrstuhl stieg und mich nur noch breit angrinste. Obwohl eine Handvoll Mitarbeiter vor dem Fahrstuhl gewartet hattten, stieg niemand zu Eliah in die Kabine. Doch es schien ihm nicht zu stören.

Als die Aufzugtüren sich schlossen, blieb ich allein zurück.

Also am Anfang wusste ich nicht so richtig, was ich von ihm halten sollte. Aber jetzt gefällt er mir immer besser, zwitscherte Amy, die jede böse Tat gutzuheißen schien.

Was soll ich machen, ich steh halt auf Rebellen, entgegnete sie und ich bezweifelte diese Tatsache keinesfalls.

Nervös fummelte ich an dem Riemen meiner Umhängetasche und schaute mich um. Die Firma war riesig. Ich kannte nicht mal die Hälfte aller Mitarbeiter und doch fürchtete ich, dass ich in jedem Moment ein mir bekanntes Gesicht erkennen würde. Wie würde es aussehen, wenn ich hier im Foyer stand und später nicht an meinem Arbeitsplatz erschien?

Man Mädchen, es ist doch scheiß egal, was diese Menschen von dir denken. Du arbeitest sowieso nicht mehr lange hier.

Es war wirklich bemerkenswert, wie Amy es in Sekundenschnelle schaffte, meinen Tag noch beschissener werden zu lassen, als er es sowieso schon war. Amy war ein wahrhaftiger Stimmungskiller in allen erdenklichen Situationen.

Tja, jeder hat so seine Talente, entgegnete sie pappig.

Ich verdrehte die Augen, weil ich schon wieder einen Dialog mit meinem Gehirntumor führte und diese verdammte Stimme einfach nicht die Klappe halten konnte. Wieso gab es für sie keinen Ausschaltknopf?

Das hättest du wohl gerne, hm? Ich weiß gar nicht, was du hast. Ich sage nie etwas. Nur manchmal, wenn die Situation es erfordert und du weiter in dein Elend rennst.

Ich wollte gerade zu einer patzigen Gegenantwort ansetzen, als ich von einer Hand auf meiner Schulter unterbrochen wurde. Ruckartig drehte ich mich um und stellte mit Erleichterung fest, dass es nur Eliah war.

Heute trug er nicht seine runde Nickelbrille, die ihm immer von der Nase rutschte, sondern Kontaktlinsen. Wie oft hatte ich ihm schon geraten, sich eine neue Brille zu holen, doch er war mir immer wieder ausgewichen, dass diese noch vollkommen funktionstüchtig wäre. Doch insgeheim ahnte ich, dass es um seine finanzielle Lage ähnlich stand wie um meine. Es war nicht einfach in einer Großstadt zu leben. Da zählte jeder Dollar. Im Gegensatz zu mir hatte er keine Familie, die ihm notfalls unterstützen konnte. Er war ganz allein auf der Welt und auf sich gestellt. So weit ich wusste, hatte er nur mich als seine Freundin. Sonst war da niemand.

,,Da ist ja mein kleiner Rebell'', sagte ich grinsend und wuschelte ihm durch seine Mähne. Er musste dringend mal wieder zum Friseur.

,,Können wir los? Jimmy hat heute besonders schlechte Laune.''

Dabei hob er schelmisch die Augenbrauen und verzog seinen Mund zu einem spitzbübischen Grinsen.

,,Warum das?'', fragte ich und hakte mich bei ihm unter, ehe wir auf den Ausgang zusteuerten.

,,Na ja, die Versicherung scheint den Schaden bei seinem Wagen nicht übernehmen zu wollen. Und jetzt ist er stinksauer. Er ist wohl schon den ganzen Morgen dabei, in das Telefon zu schreien.''

Eliahs Mundwinkel zuckten verräterisch und ich konnte nicht anders, als es ihm nachzutun. Ich war kein rachsüchtiger Mensch, absolut nicht. Aber die Schadenfreude, die gerade in mir hochkam, kostete ich mit vollen Zügen aus.

Amy grinste nur fies.

Vor einer Woche war Jimmy einkaufen gewesen und irgendjemand hatte seinen neu gekauften Range Rover demoliert. Die Fahrerseite war so eingebeult gewesen, dass er nicht einmal von der Seite ins Wageninnere gekommen war. Allein die Vorstellung brachte mir wieder gute Laune ein.

,,Geschieht ihm recht. Wie sage ich immer so schön? Das Karma regelt am Ende schon alles.''

Eliah schüttelte grinsend den Kopf.

,,Nein. Das war noch gar nichts. Derjenige hätte das ganze Auto demolieren sollen, dann hätte es Jimmy so richtig weh getan.''

,,Ich wäre zu gerne dabei gewesen, als er den Schaden entdeckt hat'', sagte ich und stellte mir vor, gemeinsam mit Eliah und Popcorn die Szene zu beobachten.

,,Ich auch. Aber die Vorstellung allein reicht schon aus.''

Ich nickte zustimmend.

Und so kam es, dass wir eine halbe Stunde später in einem Café in der Nähe des Passyunk Square wenige Straßen vom Delaware River entfernt saßen und beide einen Chai Latte schlürften.

Wir waren schon oft gemeinsam hier gewesen, da dieser Ort eine besondere Atmosphäre hatte. Die Tische standen weit genug auseinander, sodass man genug Freiraum hatte, um sich ungestört zu unterhalten. Das Café verlief über zwei Etagen, die durch eine breite Fensterfront miteinander verbunden waren. Neben Bänken als Sitzmöglichkeiten, hatte man die Wahl zwischen einer Couch, Sessel oder einfachen Stühlen mit flauschigem Bezug. Generell war alles sehr naturtreu gestaltet. Neben der breiten Fensterfront gab es ihm gesamten Café nur eine einzige Lampe, die am späten Nachmittag Licht spendete. Sie war das Highlight, neben den Erdbeertörtchen, für die ich, nebenbei gesagt, töten würde. Von der Decke hing ein drei Meter großer Kanister, in dem eine Lichtquelle installiert wurde. Das warme Licht erreichte nicht jede Nische des Ladens. Doch dadurch wirkte es gemütlich und heimisch.

Verträumt schaute ich zu dem vergilbten Kanister, der nur wenige Meter über mir baumelte.

,,Also, ich habe für dich eine Magenverstimmung vorgetäuscht. Möchtest du mir erzählen, was dich heute früh in deinem Zustand geritten hat, zur Arbeit zu kommen?''

Ich löste mich aus meiner Starre und widmete Eliah meine Aufmerksamkeit.

Dieser zog abwartend die Augenbrauen hoch, während er unablässig mit dem Glasstrohhalm in seinem Getränk herumrührte. Er war eindeutig sauer, dass ich seinen Rat, zuhause zu bleiben, missachtet hatte.

Ich biss mir auf die Lippen, da ich nicht zugeben wollte, dass ich nur noch wegen ihm zur Arbeit kam.

,,Mir geht es schon viel besser'', sagte ich abwehrend und setze meinen Hundeblick ein. Er musste nicht wissen, dass diese Aussage absolut nicht der Wahrheit entsprach.

,,So siehst du aber nicht aus. Eher im Gegenteil. Du machst dem Tod eher Konkurrenz.''

Fast hätte ich mich an meinem Getränk verschluckt. Hustend schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Brust.

,,Was redest du da? Ich sehe fantastisch aus'', rief ich empört und hob eine Augenbraue. Bloß nichts anmerken lassen, dass er mit seinem Vergleich ins Schwarze getroffen hatte.

Daraufhin lächelte Eliah und schüttelte den Kopf.

,,Gut, dass ich dich noch abfangen konnte. Du bist einfach unverbesserlich, weißt du das?''

Genau das Gleiche hatte Amy auch schon zu mir gesagt. Langsam sollte ich mir Gedanken machen, ob dieses Biest nicht doch einen gesunden Menschenverstand hatte.

Das sage ich doch schon die ganze Zeit, aber du hörst einfach nicht auf mich!

Und sofort erinnerte ich mich wieder, warum ich genau das nicht tat. Ein Schmunzeln umspielte meine Mundwinkel. Das Gespräch mit Eliah fühlte sich gut an. So normal.

,,Apropos, was ich dich eigentlich fragen wollte...'' Er lehnte sich über den Tisch und hob dabei anzüglich die Augenbrauen. ,,Wer war eigentlich dieser Typ, der dich heute morgen auf Arbeit gebracht und dich gestern an der Ampel abgefangen hat? Er sah ziemlich gut aus. Läuft da was?''

Mein Gehirn war wieder eimal viel zu langsam, um das zu verarbeiten, was Eliah mich gefragt hatte. Mitten in der Bewegung hielt ich inne, sodass die Gabel mit dem Kuchenstück nur Zentimeter vor meinem halbgeöffneten Mund verweilte.

Als ich seine Frage nach Sekunden des Schweigens endlich verstanden hatte, riss ich geschockt die Augen auf. ,,Warte, was?'', rief ich irritiert und ließ dabei klirrend die Gabel fallen.

Eliah kniff verwundert die Augen zusammen. ,,Was meinst du, was? Der Typ, ziemlich groß, gut gebaut, mit schwarzem, langem Mantel und silbernen, kurzen Haaren. Von diesem Mann rede ich.''

Moment. Das war unmöglich. Ich dachte, niemand außer mir konnte ihn sehen.

,,Aber...'', stotterte ich und hielt mir dabei meine pochende Schläfe. ,,Du kannst ihn sehen!?''

Jetzt war ich völlig verwirrt.

Eliah begann lauthals zu lachen und hielt sich den Bauch, während er sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln rieb. ,,Was ist denn das für eine Frage? Glaub mir, diesen Mann hast du bestimmt nicht nur für dich allein, so wie der aussieht. Aber du brauchst nicht eifersüchtig zu sein, er ist nicht mein Typ.''

Mir blieb der Mund offen stehen.

,,Eliah! Das meinte ich gar nicht'', rief ich empört und boxte ihm freundschaftlich in die Seite.

,,Ja, ja. Erzähl das mal deinem feuerroten Gesicht.''

Schnell verdeckte ich meine aufgeheizten Wangen mit meinen Händen und wandte beschämt den Blick ab.

,,Du musst dich doch nicht schämen. So wie es für mich aussah, scheint er dich sehr zu mögen.'' Seine tiefblauen Augen, die mich an einen ruhigen See erinnerten, lagen warm auf mir. Er gab mir in diesem Moment eine Zuversicht, die ich geglaubt hatte, nie wiederfinden zu können.

,,Meinst du?'', fragte ich schüchtern und kratzte mir dabei nervös die Wange.

Wollen wir uns nicht ganz kurz noch mit der Frage beschäftigen, warum zur Hölle Eliah deinen Göttergatten sehen kann, bitte?, schrie Amy und klopfte mir gegen meine Innenwände.

Nicht jetzt, zischte ich ihr gedanklich zu, weil ich hören wollte, was Eliah zu Atlas sagte.

,,Hey, jeder Mann kann sich glücklich schätzen, dich an seiner Seite zu haben. Ich bin mir sicher, das weiß er genau.''

Seine lieben Worte trieben mir die Tränen in die Augen. Ich versuchte sie noch wegzublinzeln, doch da hatte sich schon die erste aus dem Augenwinkel gelöst und lief einsam meine Wange hinab. Warum ich plötzlich so emotional reagierte, konnte ich mir nicht erklären. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass jemand so über unsere Verbindung denken könnte. Ich konnte die Flut aus Gefühlen, die mich in diesem Moment erfasste, nicht mehr aufhalten. Immer mehr Tränen fanden ihren Weg an die Oberfläche und hinterließen ein katastrophales Bild.

Doch statt dem Glück, das ich noch vor wenigen Augenblicken gespürt hatte, machte sich nun eine tiefe Traurigkeit in mir breit, als ich daran dachte, dass ich nicht mehr die Gelegenheit haben würde, Atlas näher kennenzulernen.

,,Hey, was ist denn los? Habe ich etwas falsches gesagt?''

Ich schüttelte den Kopf, doch der Sturm hatte mich längst erreicht. Ich schlug die Hände vor mein Gesicht und begann, aus tiefster Seele zu weinen. Es war mir unangenehm und doch konnte ich es nicht verhindern.

,,Hey, bitte nicht weinen.''

Ich hörte einen Stuhl rücken, ehe sich wenige Augenblicke später ein warmer Arm um meine Schultern schloss und mich zu ihm an die Brust zog. Mein leises Schluchzen erfüllte die Stille zwischen uns, während Eliah mir tröstend über mein Haar fuhr.

,,Es ist okay, Sol. Alles wird gut werden'', flüsterte er und konnte dabei nicht wissen, wie falsch er damit lag.

,,Nein'', schluchzte ich und schüttelte den Kopf. Sein blauer Pullover, der seine Augenfarbe noch heller erstrahlen ließ, war voller dunkler Flecken.

,,Du musst es mir nicht sagen. Nur, wenn du dich bereit dazu fühlst.''

Das war es, was ich an Eliah am meisten schätzte. Er konfrontierte mich nicht, sondern achtete meine Gefühle. Doch leider würde ich mich nie dazu in der Lage fühlen, die nächsten Worte, die meine Lippen verließen, laut auszusprechen. Doch ich hatte schon viel zu lange geschwiegen.

Ich wollte nichts mehr vor ihm verbergen.

,,Ich werde sterben, Eliah.''

Sein Körper versteifte sich augenblicklich. Seine Hand hatte aufgehört, mir über den Kopf zu fahren.

Genau davor hatte ich mich am meisten gefürchtet. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Zu groß war die Angst die Trauer zu sehen.

,,Was?'', stotterte er. Eine tiefe Angst erfüllte mich.

,,Ich habe ein Glioblastom im Endstadium'', flüsterte ich so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob er mich verstanden hatte.

Sein Herz schlug in einem alarmierenden Tempo in seiner Brust. Ich unterdrückte das nächste Schluchzen, dass sich schon in meiner Kehle geformt hatte. Zittrig atmete ich aus und löste mich von Eliah, der noch immer kein Wort gesagt hatte.

Seine Lippen bebten und in seinen Augen glitzerten Tränen, die er versuchte, zurückzuhalten. Als sein Blick sich mit meinem verfing, wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

,,Ich habe es vor zwei Wochen erfahren. Du bist der Erste, dem ich es sage.''

Abgesehen von Atlas. Doch er wusste es schon, bevor ich überhaupt eine Chance gehabt hatte, es ihm zu erzählen. Ich konnte nicht mal das vor ihm verstecken. Für ihn musste ich wie ein offenes Buch sein.

Eliah schluckte und rieb sich die Tränen aus den Augen.

,,Ich weiß nicht, was ich sagen soll'', stammelte er.

,,Du musst nichts sagen, Eliah.'' Ich ergriff seine Hand und drückte sie fest.

,,Kann ich etwas für dich tun?''

Die Frage überraschte mich. Darüber hatte ich nie wirklich nachgedacht, wenn ich das Gespräch in Gedanken durchgespielt hatte. Was konnte er mir geben, außer seiner Zeit? Ich brauchte nicht mehr.

,,Wenn es dir nichts ausmacht, ich meine, ich kann verstehen, wenn du keine Zeit hast. Immerhin hast du dir heute schon frei genommen und ich weiß ja, dass Jimmy ungern zu viele Kranktage hintereinander sieht. Also es ist vollkommen in Ordnung, wenn du nein sagst...''

Unruhig kaute ich auf meinen Lippen herum.

Doch ich wurde in meinem Redefluss unterbrochen, als Eliah mich sanft an den Schultern packte und damit meine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte.

,,Ich würde alles für dich tun. Das weißt du.''

Die Worte fühlten sich wie Balsam auf meiner geschundenen Seele an. Nervös knetete ich meine Finger und wandte den Blick ab.

,,Ich habe morgen ein Gespräch bei meiner Ärztin und ich habe ein wenig Angst vor ihr. Würdest du mich vielleicht begleiten? Ich weiß, dass es ziemlich kurzfristig ist, aber es würde mir viel bedeuten.''

,,Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde selbstverständlich mitkommen.''

Er zog mich in eine beschützende Umarmung. Während er mich sanft hin und her wiegte, rückte das Gefühl der Angst immer mehr in den Hintergrund.

,,Ich muss dir noch etwas sagen'', flüsterte ich und war mir nicht sicher, wie er es aufnehmen würde.

,,Ich werde dich nicht verurteilen, egal, was es ist.''

Noch einmal holte ich tief Luft, als ich die Worte aussprach, die für meine Familie nur schwer zu verkraften sein würden.

,,Ich habe mich gegen eine Operation entschieden. Das heißt, mir bleiben nur noch wenige Monate. Vielleicht auch nur Wochen. Ich wollte nur, dass du das weißt.''

Und obwohl Eliah sich bemühte, nicht zusammenzubrechen spürte ich doch das Beben seiner Brust, als er sein Gesicht an meinem Hals vergrub und einzelne Tränen meine Haut befeuchteten. Genau an der Stelle, wo der hellgraue Schatten langsam größer zu werden schien, während die roten Striemen sich stetig auflösten.

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