Zweite Chance

By Lara99_

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Keira hat eine Vergangenheit, die sie um jeden Preis verdrängen und vergessen will. Sie beginnt zu Studieren... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Epilog

Kapitel 17

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By Lara99_

Heyy:) Neues Kapitel!!! KOMMENTIEREN & VOTEN PLS!!


Kapitel  17

Ich glaube

In einem Himmel

Voller Sterne

Habe ich dich

Gesehen.

-          Coldplay, Sky full of stars

Die Party, die dank des Sieges, geschmissen wurde, war genau wie ich meine letzte Party in Erinnerung hatte. Laut, voll, stickig und vollkommen überbewertet. Überall tummelten sich Studenten, von denen der Großteil schon mehr als betrunken war. Ich konnte den Geruch von Alkohol nicht ausstehen, der hier dick in der Luft hing, aber diese Party war nach Bella ein Muss. Und ich würde sie nicht mit Julian hier allein lassen, noch nicht.

Es schien so, als würde jeder die Atmosphäre hier im Wohnzimmer, das zu einer Tanzfläche umfunktioniert worden war, mit jedem bisschen genießen. Ich nicht. Erstens trank ich keinen Schluck Alkohol mehr, zweitens tanzte ich nicht vor so vielen Leuten und drittens hatte ich kein bisschen Interesse daran heute mit irgendeinem wildfremden Typ im Bett zu landen. Also war ich hier definitiv fehl am Platz.

Bella und Julian hatten sich schon lange auf die Tanzfläche verabschiedet, genau wie Tobias und Fynn, die mit irgendwelchen Püppchen am Tanzen waren.

Mir war überhaupt nicht wohl in meiner Haut, wie ich auf einer Ledercouch saß und mich bemühte, ja nicht aufzufallen. Das war auch gar nicht so schwer, da ich noch immer Tobias Kapuzenpulli trug, der hier das krasse Gegenteil zu mini Röcken und Tops mit tiefem Ausschnitt war. Und dafür war ich Tobias verdammt dankbar.

Also saß ich hier vollkommen unbeteiligt auf einer Party und langweilte mich zu Tode. Genau wie auch schon davor auf dem Fußballspiel. Heute war wirklich nicht mein Tag. Schließlich trat ich seufzend auf den Balkon hinaus und genoss die angenehm frische Luft. Drinnen war es meiner Meinung nach viel zu stickig und unangenehm heiß, sodass mir die kühle Nachtluft mehr als gut tat. Ich wandte meinen Kopf nach oben zu den Sternen, die hier, mitten in der Stadt, nicht so gut zu sehen waren. Aber trotzdem fand ich schnell die Venus, die mit Abstand der hellste Stern am Himmel war. Gerne würde ich jetzt auf dem anderen Balkon sitzen und alle Sterne betrachten, aber leider war ich auf dieser bescheuerten Party gefangen.

„Kätzchen!"

Fast hätte ich erleichtert ausgeatmet, aber der komische Klang seiner Stimme hielt mich davon ab. Bitte nicht... Langsam drehte ich mich um und schaute in Tobias grinsendes Gesicht.

„So ein schöner Abend, findest du nicht?" Er kicherte wie ein kleiner Junge und kam zu mir ans Geländer des Balkons getorkelt. Allerdings nicht ohne das Gleichgewicht zu verlieren, sodass er sich in letzter Sekunde selbst fangen musste. Jetzt kicherte er noch mehr.

„Tobias, was ist los?" fragte ich ihn skeptisch.

„Gar nichts!" lachte er. „Alles blendend. Ich fühle mich wie auf Wolke acht."

„Du hast eindeutig zu viel getrunken." seufzte ich und verrollte die Augen.

„Ich habe nichts getrunken!" widersprach er mir und sah mich vollkommen ernst an. Wegen der Dunkelheit konnte ich seine Augen nicht sehen, aber ich wusste auch so, dass etwas nicht stimmte.

„Du verhältst dich aber so." sagte ich bestimmt.

„Ach komm schon. Jetzt mach dich mal locker! Wir könnten Kopfstand ausprobieren, was meinst du?" Er grinste, während mir das Blut in den Adern gefror. Nein.

„Du verdammter Idiot!" schrie ich ihn augenblicklich an. „Was hast du gemacht?!"

„Man, jetzt schrei doch nicht so! Es ist doch alles in Ordnung." versuchte er mich zu beruhigen. „Es ist lediglich ein Kopfstand! Und wir messen die Zeit. Ich wette, ich gewinne."

„Du wirst heute gar nichts mehr gewinnen. Du hast alles kaputt gemacht, du Idiot!" zischte ich ihn wütend an. Gleichzeitig überlegte ich, wie ich ihn von der Party schaffen sollte.

„Was regst du dich denn so auf? Es ist doch alles okay." schmollte er.

„Nichts ist okay." fuhr ich ihn an, worauf er zusammen zuckte. „Wer hat dir den Scheiß gegeben?"

„So eine heiße Braut, wirklich heiß. Allerdings nicht so schön wie du." Er grinste über beide Ohren und legte seine Hände auf meine Hüfte.

„Tobias, hör auf. Lass mich los. Ich muss dich irgendwie nach Hause bekommen." rief ich und schlug seine Hände weg.

„Aber Baby." jammerte er. „Ich will dich küssen."

„Nein, willst du nicht." seufzte ich und griff in meine Hosentasche nach meinem Handy.

„Ja, was gibt's Babe?" meldete er sich nach dem zweiten Klingeln.

„Damon, ich brauche deine Hilfe. Sofort." sagte ich bestimmt.

„Okay, wann und wo?" fragte er vollkommen ernst.

„Jetzt sofort. Berliner Straße fünf. Beeil dich."

„Gib mir fünf Minuten." Damit legte er auf und ich atmete erleichtert aus.

„Holen wir uns ein Bier?" Vorfreudig sah Tobias mich an, ich  dagegen seufzte.

„Nein, Tobias. Tun wir nicht."

„Aber ich will ein Bier. Oder Wodka. Ja, Wodka ist gut!" rief er entzückt.

„Vergiss es." erwiderte ich genervt.

„Nein!" sagte er wütend. „Ich will was zu trinken!"

„Du bekommst aber nichts zu trinken. Du hast schon genug Scheiße gebaut." zischte ich frustriert.

„Hab ich gar nicht." stritt er ab. „Du musst dich mal locker machen! Das Zeug hilft, ich schwör's!"

„Hilft es nicht, du Vollidiot! Ich hab echt gedacht, dass du das jetzt kapiert hast, aber anscheinend habe ich mich getäuscht!" schrie ich ihn zornig an.

„Hör auf mich anzuschreien!" motzte er mich an.

„Du verdienst es, angeschrien zu werden! Ich sollte dir eigentlich noch eine dafür verpassen, dass du dich wieder von dem Zeug fertig hast machen lassen!" erwiderte ich wütend.

„Man Keira, lass mich einfach in Ruhe! Du nervst!" fuhr er mich genervt an.

Es tat weh, dass er auf einmal wieder meinen eigentlichen Namen benutzte, aber der Rest seines Satzes ließ mich kalt, oder machte mich gar noch wütender.

„Du bist nur genervt, weil ich ganz genau weiß, dass du ein gottverdammter Feigling bist und ich dir jetzt wieder auf die Füße trete! Kannst du nicht einmal versuchen, dagegen anzukämpfen?"

„Ich bin kein Feigling!" keifte er wütend und kam auf mich zu, bis er Zentimeter von mir, stehen blieb.

„Doch, bist du. Ein verdammter Feigling!" zischte ich verächtlich.

Seine Augen verdunkelten sich vor Hass und Zorn und mein Magen rebellierte, als er mich so ansah. Ich hatte mich so an das Liebevolle gewöhnt, dass es jetzt wie ein Tritt in den Magen war. Innerhalb von Sekunden hob er seine Hand und holte aus, sodass ich mich enttäuscht auf eine Ohrfeige gefasst machte. Allerdings kam es nicht so weit. Bevor ich überhaupt blinzeln konnte, hielt jemand Tobias Hand fest und verpasste ihm einen Schlag in den Magen. Damon sah ihn fuchsteufelswild an, während er ihm gleich noch einen Schlag verpasste, dieses Mal perfekt gezielt aufs Kinn. In diesen Situationen erinnerte ich mich immer daran, dass Damon früher der Unbesiegbare in den Untergrundkämpfen gewesen war. Jeder Schlag saß präzise, genau darauf abgepasst, wie sehr es wehtun sollte. Und jetzt war er so wütend, dass er Tobias hätte umbringen können.

„Damon!" rief ich warnend, als er erneut mit seiner Faust ausholte, um den Schlag vorzubereiten, der Tobias Nase brechen sollte. Eilig trat ich einen Schritt nach vorne und hielt ihn an der Schulter fest. Seine Brust hob und senkte sich schnell unter all der Wut, die sich auch in seinen Augen spiegelte.

„Dieses Arschloch." knurrte er wütend, ließ aber seine Hand langsam sinken. „Bist du okay? Hat er dir was getan?" Besorgt musterte er mein Gesicht, dann meinen restlichen Körper.

„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, ich bin okay. Es ist meine Schuld, ich habe ihm provoziert."

„Ob du diesen Arsch wütend gemacht hast oder nicht. Er hätte nicht einmal darüber nachdenken dürfen, dich zu schlagen." widersprach er mir streng. Wieder einmal fühlte ich mich so, als ob mein Vater mich für eine Dummheit zurecht weisen würde.

„Er hat Crystal Speed im Blut." sagte ich leise und deutete auf Tobias, der sich vor Schmerz stöhnend den Bauch hielt.

„Was?" erwiderte Damon alarmiert und drehte sich um.

„Deshalb habe ich dich angerufen."

„Verstehe." Er nickte. „Dann bringen wir ihn ins Krankenhaus. Wenn der Rausch nachlässt wird es so einfacher sein, seinen Körper zu entgiften. Und es wird auch für ihn angenehmer sein."

„Okay." zaghaft nickte ich.

„Du solltest mir verdammt nochmal dankbar sein, dass ich dir helfe anstatt dir den Kopf einzuschlagen." knurrte Damon hasserfüllt, während er Tobias auf die Beine hievte und ihn stützend zu seinem Auto brachte. Tobias murmelte irgendetwas, war aber viel zu beschäftigt, sich das Blut von der Lippe zu streichen.

„Warum hast du dich darauf eingelassen." fragte Damon seufzend, als wir auf unbequemen Stühlen im Krankenhaus saßen.

„Weil er Hilfe braucht." erwiderte ich leise.

„Viele Leute brauchen Hilfe. Dafür bist du nicht verantwortlich." meinte er frustriert.

„Das ist es nicht." Ich spielte nervös mit den Bändeln von Tobias Pulli. „Er verdient etwas Besseres."

„Jetzt komm mir bitte nicht damit!" rief Damon und lachte humorlos.

„Ich-" setzte ich an, seufzte dann aber und richtete meinen Blick auf die weiße Wand.

„Oh Gott." murmelte Damon auf einmal erstaunt. „Du magst ihn, diesen Idioten."

„Was?" Ruckartig sah ich zu ihm.

„Keira." Er seufzte. „Wie kommst du darauf einen verdammten Junkie zu mögen?"

„Er ist kein verdammter Junkie!" erwiderte ich hitzig.

„Natürlich nicht und was war dann das gerade eben?" Skeptisch sah er mich an.

„Er hat über eine Woche nichts mehr genommen, Damon!" verteidigte ich Tobias.

„Das macht keinen Unterschied! Dieses Arschloch wollte dich schlagen!"

„Er heißt Tobias, Damon!" rief ich wütend.

„Er ist ein Idiot!" knurrte er genervt.

„Ja, vielleicht. Aber er würde mir nie etwas antun, das ist die Droge und das weißt du." sagte ich betont ruhig.

„Dann soll er gefälligst etwas gegen sein Drogenproblem tun, Keira!"

„Ich werde mit ihm zu einer Sprechrunde gehen. Das hilft." schlug ich vorsichtig vor.

„Du musst nicht nochmal durch so einen Scheiß gehen." erinnerte er mich genauso vorsichtig.

„Ich weiß, aber ich will." sagte ich bestimmt.

„Warum?" fragte er verzweifelt. „Du schuldest ihm nichts."

„Er würde das gleiche für mich tun. Das reicht." entgegnete ich.

„Du weißt doch gar nicht, ob er das gleiche für dich tun würde." rief er frustriert.

„Doch, das weiß ich."

„Und woher?"

„Weil er mir auch hilft und sich von mir nicht vergraulen lässt, egal was ich mache." sagte ich leise.

„Keira-"

„Damon bitte." unterbrach ich ihn. „Ich hasse es mit dir zu streiten, das weißt du. Aber ich vertraue ihm, wirklich. Und ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass mir wirklich jemand helfen kann, diese Angst zu überwinden."

Damon schaute mich eine ganze Zeit nachdenklich an, dann seufzte er tief. „Du musst verstehen, dass ich diesem Idioten, nach dem was ich bisher von ihm weiß, kein bisschen traue."

„Ich weiß." seufzte ich.

„Und ich habe einfach Angst, dass er dir weh tut. Nicht nur physisch. Aber obwohl ich kein gutes Gefühl bei der Sache habe, ist es dein Leben. Und ich stehe hinter dir, egal was passiert, egal wofür oder wogegen du dich entscheidest." Er lächelte.

„Danke." Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und seufzte.

„Kein Problem, Babe." Ohne ihn anzusehen wusste ich, dass er grinste.

„Wann denkst du, können wir zu ihm?" fragte ich schließlich.

„Ich weiß es nicht. Kommt drauf an, wie viel er genommen hat." antwortete er.

„Ich verstehe überhaupt nicht, woher er das Zeug hatte." überlegte ich laut.

„Keira, ihr wart auf einer Party. Natürlich hat da irgendwer Zeug besorgt."

„Ich war so naiv und habe gedacht, dass er durch wäre, dass er wirklich nein sagen könnte." murmelte ich enttäuscht.

„Es war noch nicht lange her, seitdem er Crystal Speed genommen hat, Keira. Und wenn es vor seiner Nase war, dann konnte er natürlich noch nicht nein sagen." meinte Damon.

„Ich weiß," seufzte ich. „Aber trotzdem habe ich nicht damit gerechnet. Nicht heute."

„Sind Sie Verwandte von Tobias Archer ?" fragte auf einmal eine Ärztin, die aus einem Nebenzimmer gekommen war.

„Nein, aber wir sind Freunde von ihm." erwiderte ich und stand zusammen mit Damon auf.

„Haben Sie vielleicht die Nummer seiner Eltern? Wir müssen sie umgehend anrufen." sagte sie und lächelte freundlich.

„Geht es ihm gut? Ich meine ..." Fragend sah ich sie an.

„Es tut mir leid, aber ich darf Ihnen keine Informationen geben. Nur Familienangehörigen." Sie sah uns entschuldigend an.

„Seine Eltern leben in Alaska und ich denke nicht, dass Tobias es für nötig hält, sie zu informieren." erwiderte ich vorsichtig.

„Er hatte Crystal Speed im Blut. Da ist es normal, dass wir die Eltern verständigen." sagte die Ärztin.

„Das verstehe ich, aber wir haben nicht die Nummer seiner Eltern."

„In Ordnung, vielen Dank trotzdem." bedankte sie sich.

„Kann ich zu ihm?" fragte ich, bevor sie sich umdrehte.

„Eigentlich-"

„Bitte, ich mach mir wirklich Sorgen." unterbrach ich sie rasch.

„Es wird nicht eine erfreuende Situation sein, in der Sie ihm sehen." Warnte sie mich.

„Das macht nichts."

„Wenn Sie meinen..." Sie sah mich ernst an, worauf ich nickte.

„Ja."

„Okay, dann kommen Sie bitte mit mir." forderte sie mich auf.

„Ich warte hier." rief Damon.

„Ist gut." Ich nickte ihm zu, bevor mich die Ärztin um die Ecke führte, dann einen steril gehaltenen Korridor nach unten, bevor sie vor einer der abzweigenden Türen stehen blieb.

„Ich muss Sie noch einmal warnen. Der Entzug ist nicht leicht, vor allem in den ersten Stunden nach dem Rausch." Sie sah mich abwartend an – ich nickte nur ungeduldig, worauf sie die Tür öffnete und mich eintreten ließ. Es war ein ganz gewöhnliches, schlichtes Krankenhauszimmer. Lediglich ein Nachttisch und ein Bett standen darin und an der linken Wand ging eine Tür ab. Wie üblich war alles weiß gehalten. Tobias lag auf dem Rücken im Bett, seine Hände krampfhaft um den Rand der Bettdecke geklammert, während ihm Tränen über die Wangen liefen. Meine Beine handelten schneller, als mein Gehirn, sodass ich Sekunden später an seiner Seite stand.

„Tobias?" sagte ich leise, worauf sich seine zusammen gekniffenen Augenlider öffneten.

„K-Kätzchen." Er zitterte so stark, dass er nur ein Stottern heraus brachte. Ich hasste den Anblick seiner tränennassen Wangen, seiner verzweifelten Augen und seiner verkrampften Schultern. Ich biss mir fest auf die Lippe und griff nach seiner Hand.

„Es wird alles gut." flüsterte ich und drängte die Tränen zurück. „Versprochen."

Ich verbrachte diese Nacht auf dem unbequemen Stuhl in Tobias Zimmer. Nach einigen Überredungskünsten meinerseits hatte ich Tobias Ärztin endlich überzeugt, hier bleiben zu können. Damon war zur Party zurück gefahren um Bella, Fynn und Julian zu sagen, dass Tobias und ich schon nach Hause gefahren waren. Ich hatte beschlossen, dass Tobias selbst entscheiden sollte, wie viel er den drein erzählte. Das war seine Aufgabe, nicht meine.

Die Nacht war alles andere als erholsam. Ich tat kein Auge zu, war die ganze Zeit voll auf Tobias konzentriert um bei ihm zu sein, wenn es wieder schlimmer wurde. Und das tat es. Die Ärzte hatten ihm zwar Mittel verabreicht, die halfen, dass erstens die Droge schneller aus seinem Blut verschwand und zweitens, dass dem Körper die Droge nicht zu stark fehlen würde. Alles in einem pumpten sie ihn mit so viel Beruhigungsmittel voll, wie es nur möglich war. Und trotzdem litt er. Nachdem es mich bei Damon schon fast umgebracht hatte, ihm so hilflos zusehen, hatte ich mir geschworen, niemals wieder in so eine Situation zu kommen. Es tat einfach weh, die Menschen so verzweifelt zu sehen, die man liebte. Und bei Tobias war das nicht anders. Die meiste Zeit klammerte ich mich an seine eine Hand und bemühte mich den Tränen nicht freien Lauf zu lassen. Aber es war schwer. Vor allem, wenn er mich vollkommen kraftlos anflehte, ihm nur ein bisschen von dem Crystal Speed zu bringen. Teilweise war es schwer Stand zu halten und seinem Flehen nicht nachzugeben, aber ich riss mich zusammen und sagte mir, dass alles nur noch schlimmer werden würde, wenn ich ihm jetzt etwas besorgen würde.

Auf die erste Nacht folgten eine zweite und eine dritte. Erst dann war Tobias Körper vollkommen entgiftet und wieder stark genug, um das Krankenhaus verlassen zu können. Anscheinend hatte er eine Pille erwischt, in der mehr von dem Speed drinnen war, als in der, die er vor einer Woche gehabt hatte. Und genau das war das Gefährliche daran. Man wusste einfach nicht, wie viel von der Droge die Pille enthielt. Einmal war es mehr, dann wieder weniger. Tobias Körper hatte die Menge von vor drei Tagen völlig ausgeknockt. Dementsprechend brauchte er auch viel länger um sich davon zu erholen.

Tobias und ich hatten noch kein Wort über den Vorfall gewechselt. Auch dann nicht, als Damon uns abholte. Er warf Tobias einen kühlen Blick zu und angesichts seiner geballten Fäuste wusste ich, dass er sich zurück halten musste, um seinem Gesicht nicht noch eine blaue Stelle hinzuzufügen.

„Wenn du sie verletzt, hast du das letzte Mal den blauen Himmel gesehen." Damon sah Tobias vernichtend an und wenn Blicke hätten töten können, dann wäre Tobias mindestens zehn Meter unter der Erde.

„Das werde ich nicht, nicht freiwillig." sagte Tobias bestimmt und begegnete Damons Blick entschlossen.

„Und auch nicht unfreiwillig." knurrte Damon verachtend.

„Damon-" setzte ich an, wurde jedoch von Tobias unterbrochen.

„Damon, ich hasse den Gedanken, dass ich sie geschlagen habe und es vor ein paar Tagen schon wieder wollte. Es liegt nicht in meiner Kraft das zu beherrschen und das bringt mich noch mehr um. Ich wollte, dass sie geht, damit ich sie nicht verletzte, aber sie will nicht. Und in gewisser Weise bin ich ihr auch dankbar dafür, auch wenn ich Angst habe, ihr weh zu tun."

„Ja, das ist das Problem." brummte Damon frustriert. „Sie hat einen verdammten Dickkopf."

Damit war die Sache für jetzt geklärt. Damon fuhr nach Hause und auch Tobias und ich liefen schweigend nebeneinander in unsere Wohnung. Wortlos ging ich in mein Zimmer und setzte mich an den Laptop, weil ich spürte, dass ein weiterer Teil meiner Geschichte auf Papier gebracht werden wollte.

Drei Stunden später, stellte ich mich unter die Dusche und genoss, wie das warme Wasser meine Muskeln entkrampfte. Ich war enttäuscht von Tobias, auch wenn es nicht in seiner Macht gelegen hatte, nein zu sagen. Obwohl, er hätte es zumindest versuchen können. Er hatte doch selbst zu mir gesagt, dass er die Drogen nicht mehr brauchte. Aber das war letztendlich anscheinend nur eine leere Versprechung gewesen.

Ich wischte mir die einzelnen Tränen von der Wange, als ich aus der Dusche stieg und mich in ein warmes Handtuch wickelte. Es war immer wieder schrecklich, wie viel Drogen zerstören konnten. Viele Leute sagten das, aber ich konnte wirklich von der Haut bis zu den Knochen das verstehen, was hinter diesen Worten wirklich stand.

Seufzend nahm ich Tobias Pulli in die Hand und hielt ihn an meine Nase um seinen beruhigenden Geruch einzuatmen. Schon seit Stunden hatte ich das Gefühl, jede Sekunde wieder in Tränen ausbrechen, ohne überhaupt zu wissen, wieso. Hatte ich nicht schon genug wegen Tobias Situation geweint?

Kurzerhand streifte ich mir seinen Pulli über. Er verlieh mir irgendwie das was ich brauchte, um meine Tränen ein weiteres Mal herunter schlucken zu können.

Tobias saß am Küchentresen, den Kopf in seine Hände gestützt und einen Kaffee vor sich. Als er mich hörte, sah er ruckartig auf. Ich schluckte einmal, schenkte ihm keine Beachtung und lief zum Kühlschrank. Schon jetzt hatte ich wieder mit den Tränen zu kämpfen und wenn ich ihn jetzt ansehen würde, dann würde ich nicht mehr genug Kraft aufbringen können, um ihnen nicht freien Lauf zu lassen.

„Bitte hör auf mich zu ignorieren, Kätzchen." flüsterte Tobias. Unglaubliche Müdigkeit lag in seiner Stimme, die mich dazu brachte ein Schluchzen zu unterdrücken. Das Kätzchen machte es noch schwerer. Ich sagte nichts, sondern füllte mit zitternder Hand Karottensaft in ein Glas.

„Kätzchen, bitte." flehte Tobias, dann hörte ich, wie er aufstand. „Es bringt mich um."

Das gab mir schlicht und einfach den Rest. Ich ließ die Saft Tüte achtlos fallen, drehte mich um und schmiss mich in seine Arme. Er war sichtlich überrascht und schloss erst einige Sekunden später seine Arme um meine Hüfte. Ich klammerte mich an seinem Shirt fest und bemühte mich nicht mehr die Tränen und das Schluchzen zu unterdrücken. Tobias streichelte beruhigend meinen Rücken, vergrub seinen Kopf an meinem Hals und küsste ab und zu die freie Haut meiner Schulter.

„Warum weinst du?" fragte er mich schließlich leise, als ich mich etwas von ihm weg drückte und er mein Gesicht in seine Hände nahm.

„Ich - ich," schluchzte ich und ließ es zu, dass er mit seinen Daumen die Tränen von meiner Wange strich. „Ich habe solche Angst, dass ich dich an diese verdammten Drogen verliere." Ich blickte ihm direkt in die Augen.

„Kätzchen." Er küsste meine feuchten Wangen, meine Stirn und ich erschauderte genießerisch. „Du wirst mich nicht verlieren."

„Warum kannst du dann nicht aufhören? Du hast gesagt, dir geht es besser." Zitternd griff ich nach seiner Hand und umklammerte sie so fest, als würde mein Leben davon abhängen, als könnte er jede Sekunde wieder aus meinem Leben verschwinden.

„Hättest du neben mir gestanden, dann hätte ich es sein lassen können." erwiderte er. „Aber ohne dich bekomme ich wirklich nichts auf die Reihe, gar nichts." Er streichelte mir meine Wange und starrte in meine Augen. „Ich brauche dich, mehr als alles andere in meinem Leben, Kätzchen."

„Warum?" hauchte ich und seufzte, als er seine Hand zu meiner Kehle wandern ließ und mich dort streichelte.

„Weil du mir gezeigt hast, dass es einem egal sein kann, was andere von einem denken. Dass man nicht tausende Freunde haben muss, auf die man sich sowieso nicht verlassen kann. Und weil du der Grund bist, dass ich jeden Morgen mit einem Lächeln aufstehe." Er lächelte.

„Aber, ich – meine Vergangenheit und-"

„Das ist mir egal." unterbrach er mich sanft. „Du bist so viel mehr, Kätzchen, so viel kostbarer, als du denkst. Und wenn du mir das nicht glaubst, dann werde ich dich jeden einzelnen verdammten Tag daran erinnern. Ich will, dass du glücklich bist, dass du Lachen kannst ohne irgendwelchen Schmerz in seinen Augen. Ich will, dass du nachts ohne Albträume schlafen kannst und, dass du endlich deinem Leben noch eine Chance gibst. Dass du wieder an die Liebe glaubst."

„Warum, warum ich?" murmelte ich mit heiserer Stimme. Seine Worte ließen nicht nur mein Herz schneller schlagen; sie füllten auch die die Risse in meinem Herzen aus, sorgten dafür, dass es wieder zu heilen begann, nachdem was es alles durchmachen musste.

„Weil du es so verdammt wert bist, Kätzchen." erwiderte er mit rauer Stimme, bevor er wieder meinen Kopf in seine Hände nahm und seine Lippen auf meine drückte.

Ich hatte wirklich niemals darüber nachgedacht Tobias zu küssen. Aber als ich jetzt seine Lippen auf meinen spürte wurde mir klar, dass ich es mir gewünscht hatte. Ganz tief in meinem Herzen hatte ich mich jedes Mal wenn ich ihn angesehen hatte gefragt, wie sich  seine Lippen auf meinen Anfühlen würden, ob sie genauso weich waren, wie sie aussahen. Allerdings wurden alle meine Vorstellungen über den Haufen geworfen, als ich realisierte, dass das hier, jetzt im Moment, noch tausendmal besser war, als in meinen Vorstellungen. Tausendmal sanfter, tausendmal vorsichtiger, tausendmal mehr Bedürfnis ihn noch näher bei mir zu haben. Aber vor allem waren da noch viel mehr Gefühle in meinem Körper, als er seine Lippen auf meinen Verweilen ließ und mich fast verzweifelt näher zu ihm zog. Schmetterlinge im Bauch fand ich schon immer überbewertet, ich hatte es ihm selbst gesagt, aber jetzt da ich sie wirklich wild in meinem eigenen Bauch flattern spürte, war ich eindeutig überfordert. Das Kribbeln, die Gänsehaut, das Erschaudern, das ich schon gefühlt hatte, wenn er mich berührt hatte, war jetzt noch viel intensiver, viel realer. Fast greifbar war das, was auf einmal zwischen uns zu explodieren schien. Und trotzdem bewegte er seine Lippen nicht auf meinen. Vielleicht war er genauso überfordert mit diesen ganzen verschiedenen Emotionen, mit diesen ganzen neuartigen Empfindungen. Trotzdem zog er mich noch näher zu ihm, bis zwischen unsere Oberkörper rein gar nichts mehr gepasst hätte, bis ich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Aber in diesem Moment schien ich Sauerstoff ohnehin nicht zu brauchen. Meine Lunge schrie zwar danach, aber mein Herz war viel gieriger nach noch mehr, nach noch länger Tobias Lippen auf meinen zu spüren. Seine Hände wanderten zu meiner Wange, zu meinem Hals zu meiner Schulter, zu meiner Hüfte und jedes Mal hinterließen seine Berührungen Feuer fangende Stellen. Ich spürte auf einmal so viel Verlangen in meinem Körper, dass mir schwindelig wurde und ich selbst davor Angst hatte.

Erst als ich das Gefühl hatte, mein Körper würde gleich wegen des Sauerstoffmangels zerbersten, löste ich mich von ihm und klammerte mich an ihm fest. Meine Beine drohten nachzugeben, diese ganzen Gefühle überrollten mich förmlich, überforderten mich viel zu sehr und brachten mich durcheinander. Tobias schlang seine Arme um meine Hüfte, hinderten mich so vom Zusammensacken. Dann ließ er seine Lippen auf meiner Stirn verweilen. Auch sein Oberkörper hob und senkte sich rapide, aber es schien ihm gar nicht wirklich aufzufallen.

„Alles okay?" murmelte er schließlich und sah mich mit funkelnden Augen an. „Ich hatte eine Ohrfeige oder eine Lektion in sexueller Belästigung erwartet, aber gar nichts ...?"

„Gib mir eine Minute." schnaufte ich und lehnte mich gegen seine Brust.

„Okay." lächelte er. „Aber du musst wissen, dass ich dir keine Angst machen wollte. Ich konnte mich nur nicht mehr zurück halten."

„Du hast mir keine Angst gemacht." sagte ich leise. „Es ist nur etwas zu viel auf einmal. Ich habe – ich habe so etwas noch nie erlebt. Es überfordert mich."

„Mach dir keinen Kopf." Er drückte mich an sich. „Ich habe so etwas auch noch nicht erlebt. Und das, obwohl es noch nicht einmal ein französischer Kuss oder so war." Er lachte leicht und brachte mich damit zum Schmunzeln.

„Mhm." seufzte ich und fuhr mit meinen Händen zu seinen Haaren um etwas geistesabwesend mit ihnen zu spielen. Mein Herz schlug noch immer wie wild und das besserte sich auch nicht, als Tobias begann meine geschlossenen Augenlider, meine Nasenspitze und meine Mundwinkel zu küssen. „Tobias."

„Hm." erwiderte er abwesend. Er war viel zu sehr damit beschäftig jeden Millimeter meines Halses zu küssen und dann ab und zu meinen Mundwinkeln zu wandern.

„Küss mich nochmal." sagte ich leise, aber bestimmt. Er hörte sofort mit seiner Liebkosung auf und starrte stattdessen erstaunt in meine Augen. Dann zögerte er jedoch nicht lange und presste seine Lippen sanft auf meine. Dieses Mal seufzte ich genießerisch auf, genoss diese Schmetterlinge, diese Gänsehaut, diese unbeschreiblichen Gefühle, die in Stromstößen durch meinen Körper zirkulierten. Es war unglaublich und es wurde noch besser, als er ganz langsam begann, seine Lippen zu meinen synchron zu bewegen. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen musste, immerhin hatte ich noch keine Kusserfahrung, aber das machte überhaupt nichts. Meine Lippen reagierten perfekt auf seinen Rhythmus, genau wie jeder andere Teil meines Körpers. Zog er mich näher zu sich heran, drückte ich mich stärker gegen ihn. Ließ er seine Hände meine Hüfte hoch und runter gleiten, vergrub ich beide Hände in seinen Schultern. Streichelte er meine Wange, fuhr ich mit meinen Händen durch seine Haare. Es war perfekt. Sogar mehr als das.

„Ich hatte gehofft, dass du mich darum bitten würdest. Hättest du es nicht getan, hätte ich mir einfach diesen Kuss geklaut." Tobias atmete noch heftiger, als gerade eben und ich schnappte nach Luft, wie ein Fisch nach Wasser. Ich presste meinen Kopf an seine Brust, ließ meine Atmung vom kräftigen Schlagen seines Herzens beruhigen und genoss das Gefühl in vollen Zügen in seinen Armen zu sein.

„Dann hätte ich dich wegen Diebstahl verurteilen müssen." murmelte ich nach einigen Minuten. Seine Brust vibrierte, während er lachte.

„Das hätte ich in Kauf genommen."

Auf meinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, worauf ich mich noch mehr an ihn drückte. „Freut mich zu hören."

Es war ein wunderschöner Abend. Ich lag mit Tobias auf der Couch, mein Kopf auf seiner Brust, unsere Beine ein einziges Wirrwarr, eine Schüssel Popcorn vor uns auf dem Tisch und eine Spongebob Folge im Fernseher. Hätte ich Perfektion beschreiben müssen, bevor ich Tobias kennengelernt hatte, hätte ich garantiert nicht davon gesprochen. Aber jetzt konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen. Aneinander gekuschelt auf der Couch, hier und da ein flüchtiger Kuss und einfach die Wärme des anderen genießen. Das war einzigartig perfekt und so simpel.

„Tobias." flüsterte ich.

„Hm?" Er küsste meine Wange.

„Ich könnte mit dir zur Drogensprechstunde gehen. Das hilft und ist viel besser als eine Therapie. Damon und ich haben das auch gemacht, als wir Hilfe gebraucht haben." sagte ich vorsichtig.

„Ist gut." Er nickte. „Solange du da bist."

„Ja." lächelte ich. „Ich bin da."

„Dann ist ja alles gut." Er drückte meinen Kopf sanft in seine Richtung und drückte seine Lippen für einen kurzen Kuss auf meine. „Ich könnte das den ganzen Tag lang machen." grinste er und stahl sich gleich noch einen Kuss.

„Ach ja?" lachte ich.

„Definitiv." murmelte er und verteilte einige Küsse auf meiner Halsbeuge, an meiner Kehle. Ich schauderte.

„Habe ich nichts dagegen." seufzte ich und kuschelte mich an ihn.

„Perfekt, dann muss ich nicht jedes Mal wenn ich dich küssen will zum Dieb werden." lachte er.

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