Kapitel 12: Die Ärzte hatten Recht! Männer sind Schweine!
Ihre Lippen kamen näher und näher. Diese schönen vollen, roten Lippen. Als sie mitbekam, was ich vorhatte, wurden ihre Augen groß, bevor sie auf meine Lippen sah und zwar mit dem selben Verlangen, dass ich in dem Moment verspürte...
Dann durchfuhr ein heißer Schmerz meine Wange. "Scheiße, Mitch!"
"Ich kann nicht glauben, dass du das vorhattest, was ich denke, was du gerade vorhattest!" Schrie sie mich schockiert an und erst da bemerkte ich, was ich gerade eigentlich hatte tun wollen. Es war als wäre ich in einem Traum gefangen gewesen, oder in Trance, oder so. Das waren ihre Augen gewesen. Ihre so verdammt grünen, glitzernden Augen, die mich in ihre Tiefen hinein gezogen hatten und...
"Scheiße! Das war... Ich wollte nicht..." Ich sprang von ihrem Bett hoch, als ich bemerkte, dass ich mich immer noch halb über sie lehnte. "Tut mir leid. Ich... Keine Ahnung was in mich gefahren ist! Ehrlich! Ich mache sowas normalerweise nicht! Ich bin nicht die Art von Kerl, die..."
"Beruhige dich, Ty! Ich weiß doch, dass du sowas nicht machst." Versicherte mir Mitch ruhig und ich atmete erleichtert aus. Ich hatte ihr erzählt, dass ich meiner Freundin niemals fremdging. Was wäre, wenn sie mich jetzt für einen Lügner hielt?
"Danke. Danke das du mich..." Geschlagen hast? Wollte ich mich gerade ernsthaft dafür bedanken, von ihr eine gefangen bekommen zu haben? "Was ist bloß in mich gefahren, in letzter Zeit? Wie erkläre ich das Leah? Die wird mich kastrieren! Ich schwöre es dir." Ich begann in Mitchs Zimmer auf und ab zu gehen, weil ich verdammt nervös war. Was sollte ich jetzt machen?
"Ty! Setz dich und hör mir zu... Nein, besser nicht aufs Bett. Hol dir den Stuhl vom Schreibtisch. Und jetzt regst du dich ab." Meinte Mitch, als ich mich setzte. Sie sah so gelassen aus, wie ich mich gern fühlen würde. Ehrlich. Ich erkannte mich in letzter Zeit ja selbst kaum noch wieder! "Okay. Du wirst Leah nichts erzählen, weil nämlich nichts passiert ist. Du bist aufgekratzt und verwirrt und durch den Wind, weil du dich in den letzten zwei Tagen nur mit deiner Freundin gestritten hast, obwohl ihr eigentlich ein schönes Wochenende haben solltet. Da ist es klar, dass du..."
"Andere Mädchen küsst? Schon klar. Aber leider entschuldigt das überhaupt nichts..."
"Nein, das tut es nicht." Stimmte sie mir zu, aber ich hörte schon das Aber. "Aber..."
"Nein. Ich hab Mist gebaut. Da gibts Nichts zu entschuldigen. Ich geh jetzt besser nach Hause und rede mit Leah über... Alles. Ich melde mich nachher bei dir... Oder morgen... Bis dann..." Ich ging mit ungutem Gefühl aus ihrem Zimmer und nahm zwei Stufen auf einmal die Treppen runter. Scheiße. Ich hatte mir immer so verdammt viel darauf eingebildet, dass ich Leah treu war und ein relativ guter Freund war und jetzt... Ich bin ja so ein Heuchler!
Da gab es kein Aber. Ich war kurz davor gewesen meine Freundin zu betrügen und ich machte mir da keinerlei Illusionen. Hätte Mitch mich nicht davon abgehalten, wären wir bis zum Schluss gegangen. Ich auf jeden Fall. Einfach weil das Mädchen mein Untergang war. Ich mochte sie und zwar wirklich. Als Menschen und ich fand sie unglaublich heiß und anscheinend kam da von ihrer Seite ja auch was. Ich meine, ich hab mir das unmöglich eingebildet, wie sie mich angeschaut hatte, kurz bevor ich sie beinah geküsst hatte...
Oh Gott! Man muss sich nur mal meine Gedanken anhören! Ich sollte mir jetzt Gedanken darüber machen, wie ich das Leah beibrachte und nicht darüber, dass Mitch jawohl auch auf mich stand. Ich sollte an meine Freundin denken und nicht an Mitch.
"Hey Mann! Wo warst du denn?" Spice stand in der Küche, gerade als ich reinkam.
"Draußen. Spazieren. Ich hatte Krach mit Leah..."
"Ja. Ich weiß. Dreimal darfst du raten, bei wem sie sich ausgeheult hat, Ty." Spice stöhnte genervt, aber irgendwie mochte ich den Gedanken nicht, dass sich meine Freundin an der Schulter meines besten Freundes ausweinte. Ich meine, ich war ihr Freund und deshalb sollte ich mich um sie kümmern und nicht er.
"Sorry, Alter."
"Ja, kein Problem. Ich bin ja schon drangewöhnt. Aber du solltest wirklich aufpassen, wie du sie behandelst. Sie ist ein klasse Mädchen und irgendwann, wenn du sie die ganze Zeit bloß wie Dreck behandelst, dann könnte sie genug von dir haben..."
"Wie Dreck behandeln?! Was hat sie dir denn bitte erzählt?"
"Naja, das du nicht nach Hause kommst und es dir egal ist, ob sie mit dir Schluss macht. Und außerdem hat sie sowieso das Gefühl, dass zwischen dir und Mitch was läuft." Ich zuckte bei dem Namen zusammen, aber zum Glück merkte Spice es nicht. "Und sie sagt, dass du deinen Schulabschluss machen willst."
Bei ihm klang es nicht wie ein Vorwurf. "Ja, will ich. Mann, du kennst mich. Sie ist mir nicht egal. Aber ich habe die Chance da rauszukommen, Spice. Was würdest du machen? Außerdem verstehe ich nicht, warum sie sich so darüber aufregt. Ich meine, klar wird das anstrengend, aber auch andere Leute haben ja schon eine Fernbeziehung gehabt und es wäre nicht mal mehr ein Jahr!"
"Ich versteh dich ja... Nur... Du musst sie da auch verstehen. Wenn du zu ihr sagst, dass sie dir scheißegal ist, dann..."
"Ich habe das aber nie zu ihr gesagt!" Unterbrach ich ihn wütend. "So einen Scheiß würde ich niemals sagen!"
"Hat sie aber gesagt..."
"Tja, dann hat sie halt gelogen!"
"Taylor, komm runter!" Spice legte mir eine Hand auf die Schulter. "Sie wird dich einfach nur falsch verstanden haben..."
"Jaja. Ich geh zu ihr und rede nochmal mit ihr." Ich drehte mich schon um und machte mich auf den Weg nach oben, während ich redete. Jetzt war ich angepisst und das führte dazu, dass ich mich nur noch halb so schuldig wegen der Mitch Sache fühlte. Leah war gerade dabei ihren Koffer fertig zu packen, als ich ins Zimmer kam und sie mich aus großen verheulten Augen ansah. "Also. Ich habe niemals gesagt, dass du mir egal bist. Ich habe lediglich klargestellt, dass es aber auch andere Dinge gibt, die mir wichtig sind und deswegen zu Spice zu rennen und ihm so einen Scheiß zu erzählen, ist kacke, Leah."
"Ich..."
"Nein. Lass mich ausreden, ja?" Ich hielt eine Hand hoch und als sie mich nur auffordernd ansah, sprach ich weiter. "Also, ich will wirklich das es mit uns beiden funktioniert und ich glaube, wir könnten eine Fernbeziehung hinbekommen, auf Dauer. Aber das wird schwer und wir müssten daran arbeiten. Aber ich muss dir auch sagen, dass ich es scheiße von dir finde, wenn du zu Spice rennst und ihm jeden Scheiß der zwischen uns vorgeht erzählst und mich dann auch noch wie ein Arschloch hinstellst..."
"Ich habe dich nicht wie ein Arschloch hingestellt! Ich habe lediglich die Wahrheit gesagt!" Wehrte sie sich.
"Ach?! Ich habe also vorhin zu dir gesagt, dass du mir scheißegal bist?!"
"Nein, aber... Du hast es fast gesagt..."
"Hör auf mir verdammt nochmal meine Worte um Mund umzudrehen!"
"Taylor! Das ist nicht fair, was du hier gerade machst!" Jetzt schrie sie mich sogar schon an.
"Ich bin nicht fair? Du verlangst von mir meine Zukunft für dich wegzuschmeißen und wenn ich dir eben diesen einen Wunsch nicht erfülle, dann rennst du hinter meinem Rücken zu Spice und ziehst über mich her! Das fühlt sich fast noch beschissener an, als damals als du mich mit diesem Typen beschissen hast!" Regte ich mich auf und ließ meinen Emotionen freien Lauf. Als sie dann anfing zu heulen, bekam ich kein schlechtes Gewissen. Nein, es machte mich nur noch wütender.
"Jetzt wirst du gemein." Meinte sie und schluckte einmal, als würde ihr die Kehle zugeschnürt.
"Gemein?! Baby, ich bin gemein! Gestern hast du mir vorgeworfen, dass ich mich verändert habe. Nun ja, der alte Ty war schon immer gemein gewesen und jetzt beschwerst du dich auf einmal? Ganz schöne Doppelmoral, was?"
"Das damals war ein Fehler und ich bereue es. Und das weißt du auch. Ich dachte wir wären darüber hinweg! Und zu wem hätte ich denn gehen sollen, als du abgehauen bist? Ich war ganz allein und ich musste mit irgendwem reden... Wo warst du?"
"Ich werfe dir nicht vor, dass du mit jemandem geredet hast. Ich werfe dir vor, was du geredet hast. Ich war bei Mitch und habe mich mit ihr unterhalten und wenn du mir jetzt eine Szene machst, dann schwöre ich dir, dass du gemein neu definieren musst." Die Drohung zog und sie gab keinen zickigen Kommentar zu Mitch ab. Mit ihrer Eifersucht, die ja jetzt vielleicht gerechtfertigt war, aber trotzdem lächerlich, wollte ich mich im Augenblick nicht beschäftigen.
"Ich will, dass du mir die Wahrheit sagst, Ty. Über dich und Mitch. Nicht mehr. Ich will einfach die Wahrheit."
"Okay." Das war berechtigt. Ich kratzte mich am Kopf und spielte im Kopf einige Formulierungen durch. "Sie ist mir eine wirklich gute Freundin gewesen, seitdem ich hier bin und ich mag sie. Ich verbringe gern Zeit mit ihr und ich kann mit ihr über alles reden. Leah, es gab eine Situation, in der wir uns beinah geküsst hätten, aber dazu ist es nicht gekommen."
"Warum?"
"Sie hat mir vorher eine geknallt." Ich war ehrlich. Das hatte sie verdient. "Wenn du mit mir Schluss machen willst, dann okay. Aber Ich verspreche dir, dass wenn du diese Beziehung noch willst, ich dich nicht betrügen werde." Sie sagte nichts dazu und ich verkniff es mir darauf hinzuweisen, dass sie mich betrogen hat und mich dann praktisch dazu gezwungen hat ihr zu verzeihen. Hunderte SMS am Tag, sie hat mir vor meiner Haustür aufgelauert, jedes Mal ist sie in Tränen ausgebrochen und hat mich angebettelt... Tja und wenn sie mich jetzt wegen dieser FAST-Sache verlassen würde, dann wäre das doch mehr als unfair, oder nicht?! "Also... Ich schlage vor, dass wir uns erstmal Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was..."
"Du willst eine Beziehungspause, damit du in der Zeit Mitch ficken kannst und es am Ende keine Konsequenzen für dich hat?" Unterbrach mich Leah gereizt.
Und allein für diesen Kommentar hätte ich sie anschreien können. Was dachte sie eigentlich von mir? Wenn ich in ihren Augen so ein hinterhältiges, verlogenes Drecksschwein war, wieso war sie dann überhaupt mit mir zusammen?
Aber ich beruhigte mich, denn immerhin wollte ich hier ein ernstes Gespräch führen und nach der Bombe die ich gerade hab platzen lassen, war es klar, dass sie rumzickte. "Nein. Keine Pause. Ich meine damit, dass wir einfach in den nächsten paar Tagen unabhängig voneinander über uns nachdenken sollten und uns dann in Ruhe aussprechen. Wir sind beide sauer und gereizt und wenn wir jetzt reden, sagen wir sowieso nur Sachen, die wir später bereuen. Wir beruhigen uns und klären es denn vernünftig."
Leah sah mich an, als wäre ich eine vollkommen fremde Person. "Okay..."
"Was ist?"
"Nichts... Nur... Du bist anders und hast dich wirklich verändert Taylor..." Sagte sie leise und unsicher, als wäre sie nicht sicher, wie ich darauf reagieren würde. Aber ich kam damit klar, nachdem ich mit Fin und Mitch darüber geredet hatte. Dann hatte ich mich halt verändert... Jeder verändert sich. "Nicht zum Schlechteren, oder so. Nur, viel... reifer?"
"Ist reif denn schlecht?" Fragte ich nach.
"Nein... Nur unerwartet."
"Komm her und gib mir einen Kuss, ja Baby?" Ich zog Leah am Handgelenk zu mir und spürte wie sich ihr vertrauter Körper an meinen presste. Ihre vertrauten Lippen unter meinen, als ich sie sanft küsste und dachte mir, dass ich mich vielleicht verändert hatte, aber vieles noch genauso war wie vorher.
Ich hatte meine Freundin, die mir mehr bedeutete als alle anderen Mädchen auf dieser Welt...
Na gut... Vielleicht kam da ein zweites Mädchen ganz schön nah ran, aber Leah war trotzdem noch auf Platz 1 und ich war immer noch Ty.