Rot, rot, rot, sind alle meine Farben

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Schlussendlich holt Alex noch den Hausschlüssel und das Navi, welches nicht fest eingebaut war und bringt alles in den Honda, ehe sie einsteigt. Hoffentlich reicht der Tank. Anderson wartet auf dem Hof und hat die menschlichen Leichen aus dem Weg geräumt, damit sie durch kommt, nachdem er den Wagen kurz geschlossen hat. Er ist ein geistlicher. Kein heiliger. Sie sollte sich beeilen. Die Polizei konzentriert sich vielleicht gerade auf einen anderen Hof, aber könnten hier her kommen. Das wäre mehr als nur unvorteilhaft! Das laute Aufheulen des Motors ist zu hören und er ist sich sicher, dass es funktioniert. Perfekt. Jetzt müsste sie nur noch... irgendwie... ausparken? Warum macht sie nichts? Ist da jemand im Wagen gewesen und er hat es nicht gewusst? Hat sie schon wieder eine Pistole am Schädel? Ist es seine Schuld, dass er sie in Gefahr gebracht hat? Warum kann er nicht auf eine einfache junge Frau aufpassen? Gut, einfach ist sie jetzt nicht. Aber trotzdem!

Gänsehaut breitet sich auf ihrem gesamten Körper aus. Dieses Gefühl ist der Wahnsinn! Sie will nie wieder einen anderen Wagen. Nie wieder! Das Lenkrad ist ledern und fühlt sich wunderbar geschmeidig an. Der Geruch ist der, eines neuen Wagens. Ein Blick nach rechts unten. Gangschaltung. Das Radio stellt sie auf volle Lautstärke, ehe sie rückwärts ausparkt und beim Pater anhält. Dieser steigt schnell ein und muss sich in den Wagen hineinquetschen. Der ist echt nicht für große Leute gemacht worden! Trotzdem schnallt er sich an und sieht, dass das Navi noch nicht angeschalten wurde. Aber er vertraut Alex. "Was hat so lange gebraucht? Gab es doch Probleme?" Sie schüttelt den Kopf und lässt den Motor noch einmal aufheulen. "Jetzt wirds geil." Uh-Oh. Das wird das nächste Trauma für ihn. Mit dem Blick auf die Straße, fährt die blauhaarige vom Hof und sieht von links schon die ersten Polizeiwägen auf sie zukommen. Als diese sie sehen, wird das Blaulicht angeschalten. Doch das gibt Alex nur weiteren Ansporn.

Erst fährt sie noch gemütlich aus der kurzen und schmalen Einfahrt raus. Die Polizei wartet vorbildlich, bis sie zu ihnen gefahren sind. "Okay. Mach jetzt nichts dummes, ja?" Der Pater will einfach nur heil aus der Sache rauskommen und nicht in der Zeitung stehen. Für Alexandra hingegen ist die alleinige Anwesenheit und die erwartungsvolle Haltung, dass man ihnen alles aushändigt, eine Provokation. Und jeder weiß, dass sie damit nicht umgehen kann und sehr empfindlich reagiert, wenn es von den falschen kommt. Aber das ist nicht der Hauptgrund für die folgende Aktion. Nett lächelnd fährt sie zur Polizei und winkt ihnen zu, ehe aus dem Winken ein Mittelfinger wird und die ausgestreckte Zunge folgt. "ALEXANDRA!", brüllt der Pater fassungslos und muss sich festhalten. Die blauhaarige ist nach rechts abgebogen und steigt voll in das Gaspedal. Schaltet von dem ersten in den zweiten Gang und lässt den Wagen richtig arbeiten. Aber man merkt, dass es ein Sportwagen ist. Er zieht richtig und das Gas kann man auch als solches betiteln.

Während Alex sich darauf konzentriert, nicht von der Straße ab zu kommen, ist der Pater selbst auf 180. Nicht nur der Wagen! "Was fällt dir ein? Kannst du nicht einmal normal sein? Dich wie ein normaler Mensch verhalten und einfach weiterfahren? Jetzt sieh mal, was du angestellt hast! Wir werden VERFOLGT! Weil du dich nicht zusammenreißen kannst!" Fassungslos schüttelt der Pater den Kopf. Setzt sich richtig hin und verschränkt die Arme. "Wir sollten dich niemals irgendetwas entscheiden lassen. Hast du eine Ahnung, was uns das-" "Darf ich Euch auch den Grund sagen?", unterbricht sie den Pater und wird langsamer, um um die Kurve zu kommen. Driften will sie erst gar nicht hier anfangen. Es liegt viel zu viel auf der Straße, was sie nicht unter Kontrolle hat. "Dann schieß los! Ich bin wirklich darauf gespannt!" Ohne auf die Gangschaltung zu sehen weiß sie genau, wo sie hinschalten muss. Deswegen hat sie die Autos einfach lieber, die mit Gangschaltung und dem Lenkrad auf der linken Seite ausgestattet sind.

Seufzend rast sie weiter und blickt kurz in den Rückspiegel. Sehr gut. Ein wenig Abstand ist zwischen sie gebracht worden. "Die Polizei hätte uns eh aufgehalten.", fängt sie an und gibt auf der langen, geraden Strecke so richtig Gas. "Das ist ein gestohlener Wagen. Wir wären so oder so aufgefallen. Habt Ihr nicht den zweiten Kerl im Wagen gesehen?" Der Pater runzelt die Stirn. Was meint die bitte? "Er hat die Leichen gesehen, Pater. Der war komplett panisch, als er an uns vorbei gesehen hat. Nicht aufgefallen?" So etwas fällt Alex schon auf. Aber große Dinge sind dann eher so ein anderes Problem. Die offensichtlichen Sachen eben. "Wir wären so oder so am Arsch gewesen. Man hätte uns so oder so verfolgt. Also warum nicht einfach mal... ne Bitch sein? Ich meine, hey! In meiner Dimension war ich immer die brave. Hab mich an alle Regeln gehalten und so weiter und so weiter. Lasst mich hier doch mal auf den Putz hauen!"

Bis zu belebteren Straßen bleibt der Pater ruhig. Denkt über ihre Worte nach. "Jetzt würde ich behaupten, dass Ihr Euch festhalten solltet.", meint Alex und sieht den Pater kurz an, ehe sie einen Gang runterschaltet. Der Motor heult auf, als sie die Kupplung los lässt. Zwei Polizeiwägen haben sich an ihren Arsch geklebt und da darf niemand hin. Wo es vorher noch klar ging, eine Konversation zu führen, ist die blauhaarige nun höchst konzentriert. Hat die linke Hand am Lenkrad. Die rechte an der Gangschaltung. Die Füße machen es eigentlich schon fast von selbst. Sie muss kaum drüber nachdenken. Anderson sieht mit entsetzen dabei zu, wie sie innerorts mit 70 durch die Straßen rast und anderen Autos oder LKW's nur gerade noch so ausweichen kann. Dann kommt eine Kreuzung, deren Ampeln auf gelb geschaltet haben. "Alex, das wird knapp. Das wird verdammt knapp!", ruft der Pater und hat Angst, anderen Verkehrsteilnehmern Schaden zuzufügen. 

Rot. Diese Farbe strahlt ihm entgegen und er schließt die Augen. Anstatt abzubremsen hat Alex einfach beschleunigt. Ist die komplett irre? Mit einem ratschen wird die Handbremse hochgezogen und der Pater sieht mit entsetzen, wie sich der Wagen aus der eigentlichen Spur heraushebt und einen Bogen vollzieht. Der Drift ging hier gerade noch gut, da sie mit dem Heck fast an ein anderes Auto herangekommen ist. Dieses hatte eine Vollbremsung hinlegen müssen und hupt, während Alex schon wieder in den ersten Gang schaltet und die Reifen quietschen, ehe sie wieder Halt haben. Weiter gehts! Auch wenn der Pater sich wahrscheinlich schon mehrere Male im Reich Gottes gesehen hat, hält er die Klappe. Alexandra muss sich konzentrieren, um niemand anderen zu gefährden. Besonders nicht sie beide. Irgendwann schafft er es, während der Fahrt sein Handy heraus zu kramen und ruft Iskariot an. Er hat da vielleicht einen Plan!

Die Insel der DimensionenWhere stories live. Discover now