Kapitel 11: Ein Tag in Bahrain

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"Nun geht schon, ihr seid heute echt nicht zum Aushalten. Bitte stellt aber nichts an, wir holen euch nicht aus der Todeszelle!", entliess uns Jackson aus dem Training. Es war Samstag und kurz vor Mittag, gerade hatten wir unsere Einheit erledigt und hatten nun frei. Auch wenn es unser freier Tag war, mussten wir eine kleine Einheit absolvieren, um fit zu bleiben. Da wir ausnahmsweise zusammen im Fitnessraum trainiert hatten, hatten wir viel Spass gehabt, unsere Trainer eher weniger.

Wie effektiv diese Einheit war, konnten wir wohl nicht sagen, aber wir waren beide ins Schwitzen gekommen, weswegen wir erst noch unter die Dusche mussten. Frisch geduscht und angezogen, wartete ich nun darauf, dass es an meiner Tür klopfte. Da unsere Zimmer nebeneinander waren, hatten wir abgemacht, dass Matteo mich abholen kommt. Diesmal brauchte aber ich etwas länger, da ich mich frisch geschminkt hatte und somit musste ich nicht lange warten.

"Seniorita Ferrari, sie sind ja schon fertig. Dann sollten wir wohl los, um Senior di Angelo nicht länger warten zu lassen", ich ging gar nicht auf Matteos Spiel ein. Da ich einfach keine Lust dazu hatte, was Matteo zum Glück gleich verstand und wieder normal war. So normal ein 19-jähriger Rennfahrer sein konnte.

still standen wir nebeneinander im Aufzug und es fühlte sich nicht komisch an, im Gegenteil es war auch mal ganz angenehm nichts sagen zu müssen. Wir beide kannten uns so lange und so gut, dass es manchmal auch keine Worte brauchte, um zu wissen, was der andere dachte. Ich wusste das Matteo Angst hatte, gegen mich unterzugehen, auch wenn er von Andy und Paul als Nummer 1 definiert wurde. Natürlich wollte ich der Karriere eines Freundes nicht schaden, doch für mich musste ich die Nummer 1 werden, sonst würde ich einen Sitz bei Ferrari nie bekommen. Zudem war ich immer schon schneller gewesen als Matteo, auf der Strecke schenkte man auch den Freunden nichts, so war das nun mal.

Im Taxi zum Strand sassen wir beide hinten und sahen auf die Strassen von Bahrain: "Kommt dein Vater fürs Rennen?" Kam es dann aus dem nichts heraus, ich drehte sogleich meinen Kopf zu dem Franzosen und zuckte nur mit den Schultern. Mein Vater versuchte ab und zuzukommen, doch er hatte gerade viel um die Ohren. Mama hingegen versuchte so wenig wie möglich davon mitzubekommen, da sie sonst nicht schlafen könnte, zumindest behaupte sie das.

"Er hat gerade viel mit dem Hotel zu tun und meine Mutter versucht immer noch zu ignorieren, dass ich Rennen fahre und nicht Ballett tanze. Aber Papa hat sich schon extra ein Abo bei Sky noch geholt, damit er auch alle Rennen sehen kann, wenn er nicht vor Ort sein kann. Was ist mit deinen, kommen sie noch?", er nickte. Seine Eltern unterstützten ihn so gut sie konnten, so war sein Vater auch in der Autobranche tätig, während seine Mutter Oberärztin in einem Krankenhaus war.

Da es kein langer Weg zur Strandpromenade war, waren wir auch schon da. Ich konnte Leo schon sehen, wie er auf uns wartete und dabei auf sein Handy starrte. Matteo und ich zahlten schnell das Taxi, bevor wir zu ihm gingen.

Während die Jungs einen Handschlag machten, umarmte ich Leo so wie ich es schon immer gemacht hatte: "Was wollen wir zuerst machen?" Wir hatten in unserem Gruppenchat die ganze Woche über Ideen gesammelt, was wir heute alles machen könnten. So richtig entschieden hatten wir uns aber nicht.

"Ich weiss nicht, wie es euch geht, doch ich könnte etwas Essen vertragen, hab eine Trainingseinheit hinter mir", klagte Leo. Wir konnten ihm aber nur zustimmen, denn uns ging es gleich. So machten wir erst einen Abstecher in ein kleines, aber feines Restaurant. Wie es sich hier gehörte, bestellten die Jungs für mich. Zwar durfte ich selbst entscheiden, was ich essen wollte, doch die Jungs mussten es dem Kellner sagen.

Ich nippte am Wasser, welches wir schon bekommen hatten: "Bald startet die letzte Staffel von Game of Thrones, wenn nicht Daenerys auf den Thron kommt, bin ich enttäuscht." Stellte Matteo klar, wir drei waren absolut Fans von GoT, nur fand ich Daenerys etwas anstrengend, weshalb ich schon immer mehr für Arya war. Für mich wäre sie gemeinsam mit dem Bastard von Robert die perfekte Königin.

"Ich glaube nicht, dass jemand von dem Anwärter den Thron bekommt. Am besten wäre, wenn der Nachtkönig einfach alle umbringt und zu Soldaten seiner Armee macht", Leo hatte schon immer diese Theorie und hielt wohl bis am Ende daran fest.

Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln, zwar konnte man diese Theorie bei Game of Thrones nicht ausschliessen, doch ich wollte Arya auf dem Thron sehen. Wir hätten stundenlang allein darüber diskutieren können, da wir das Thema rennen beiseitelassen wollten. Es war besser für die Freundschaft, wenn man nicht zu viel darüber sprach, zumindest für uns drei. Klar sprach man nach einem Rennen oder sonst darüber, aber im Groben versuchten wir alles, was mit unserer Meisterschaft zu tun hatte zu vermeiden.

Das Essen sah schon lecker aus, als es vor mich gestellt wurde: "Emanuel würde mich für die Pommes töten und Jackson hätte wohl etwas gegen die Grösse des Fleisches." Matteo nickte nur, während Leo kurz einen Moment wohl brauchte, um sich zu erinnern, wer Emanuel und Jackson waren.

"Wir sollten nur noch ohne die beiden Essen gehen, doch das werden sie wohl kaum zu lassen", seufzte der Franzose theatralisch auf. Dabei schob auch er sich eine Gabel Pommes in den Mund. Leo lachte uns leicht an, sein Trainer schien das Ganze etwas gelassener zu sehen.

So zuckte mein Landsmann mit den Schultern: "Ich weiss nicht, was ihr habt, aber mein Trainer ist super. Vielleicht solltet ihr euch einfach besser an das halten, was eure Trainer sagen und dann werden sie auch etwas lockerer."

"Nach heute Morgen, werden sie das wohl kaum", Matteo und ich mussten an unsere Einheit im Studio denken und konnten nicht anders als zu lachen. Selbst als unsere Trainer uns so weit auseinander wie möglich gestellt hatten, hatten Matteo und ich weiter unseren Spass gehabt. Ständig hatten wir aus allen Übungen einen Wettkampf gemacht und gegenseitig gepiesackt.

Leo fragte erst gar nicht nach, wieso wir lachten, dafür glaubte er uns noch zu gut zu kennen. Als ältester von uns, war er als Kind so etwas wie ein Trainer gewesen, wobei dies mehr ein Spiel für uns drei gewesen war. Wirklich trainiert hatte wir nicht, doch hatten wir versucht die Erwachsenen nachzumachen, was uns nicht gelang.

"Was wollen wir nach dem Essen machen? Ich wäre immer noch für Jetski fahren", stellte ich klar. Doch war ich auch offen für andere Vorschläge, solange diese nicht 'am Strand ausruhen' hiessen.

Leo schien diese Idee genauso zu gefallen, sodass Matteo sich auch überreden liess: "Dafür gönnen wir uns danach eine Pause im Sand, etwas Urlaubsfeeling wäre doch nicht schlecht, besonders für Instagram." Da ich Jetski fahren wollte, ging ich bereitwillig auf diesen Kompromiss ein. Hauptsache ich konnte auch auf dem Wasser richtig Gas geben.

Fröhlich ass ich mein Fleisch und Pommes weiter, während die Jungs über ein neues Album einer mir unbekannten Band sprachen. Da ich nicht wirklich mich für die aktuelle Musik interessierte, kannte ich die Band nicht. Meine Musik kommt aus den 80er, 90er und dann auch eher Rock als sonst was. Es gab auch heute gute neue Songs, doch leider war dies Seltenheit zumindest aus meiner Sicht. Musik war bekanntlich Geschmackssache.

"Wenn die Herren fertig mit ihrem Kaffeeklatsch sind, könnten wir bezahlen und endlich zum Jetski fahren kommen", während Leo meine Ungeduld amüsierend fand, war Matteo leicht genervt. Er war in manchen Sachen das Gegenteil von mir, so wollte er immer Relaxen und möglichst nichts machen am freien Tag, ich konnte und wollte aber nicht im Sand liegen. Natürlich mochte auch Matteo es schnell, doch ihm reichte es auf der Rennstrecke, dort bekam man seiner Meinung nach genügend Adrenalin.

abwartend sah ich die Jungs an, da ich als Frau hier nicht zahlen durfte: "Was ist, wollt ihr unseren ganzen Tag hier verbringen, oder was?" Seufzend war der Franzose aufgestanden, um beim Kellner die Quittung einzufordern. Leo hingegen musste immer noch lachen.

"Immer noch so ungeduldig und voller Tatendrang wie früher, das habe ich die letzten 2 Jahre vermisst", lachte der Italiener mit spanischen Wurzeln. Ich zuckte nur mit den Schultern und trank mein Wasser komplett aus. Was hätte ich auch dazu sagen können, denn ich war nun mal ungeduldig und konnte nicht lange nur herumsitzen. Letzteres war in der Schule wirklich ein Problem gewesen, weswegen ich öfters von den Lehrpersonen vor die Tür geschickt wurde. In den Rennautos hatte ich aber kein Problem konzentriert zu bleiben und auch mal über 2 Stunden zu sitzen.

"Wir können los", dies musste mir Matteo nicht zweimal sagen. Sofort war ich aufgesprungen und zur Tür geeilt. Der Franzose konnte über mein Verhalten nur den Kopf schütteln, während der Dritte im Bunde immer noch am Lachen war.

Ich ignorierte beide und blickte nicht einmal zurück, um zu schauen, ob sie noch da waren. Mit festen Schritten stampfte ich stattdessen am Meer entlang zu dem nicht weit entfernten Verleih. Erst dort sah ich zurück, wo die beiden Jungs doch ein kleiner Abstand zu mir hatten. Gross war dieser aber nicht, sodass wir schnell zu dritt in dem Verleih standen und jeweils einen Jetski gemietet hatten für zwei Stunden.

Nach der Einführung und dem Umziehen in den Neoprenanzug, ging es endlich los. Die Jungs hatten klar einen Vorteil, da beide auch Motorrad fuhren, für mich war das alles neu. So hatte ich anfangs meine Schwierigkeiten, bis ich den Dreh raushatte. Über die Wellen zu reiten machte einfach Spass und so vergingen zwei Stunden wie im Flug.

"Da vorne ist eine Eisdiele, lasst uns dort noch ein Einholen, schliesslich ist heute unser Tag, an dem wir alles dürfen", schlug Leo vor. Wer hätte schon nein sagen können zu Eis? Natürlich niemand, so sassen wir drei keine zehn Minuten später gemeinsam im Sand mit jeweils einem Eis in der Hand. Alle hatten wir ein Cap und Sonnenbrille auf, da die Sonne uns sonst blendete. Wegen der Brise vom Meer fühlte es sich aber nicht so warm an wie 28 °C. Mir war es gerade recht, denn mir war es schnell einmal zu warm, auch wenn ich den Sommer liebte.

"Wen haben wir denn da? Ferrari und ihre zwei Bodyguards, wer hätte das Gedacht. Du weisst schon, dass Eis viele Kalorien hat, da werde ich wohl nächstes Wochenende ein leichtes Fahren haben", Samuel lachte über seinen nicht vorhanden Witz. Neben ihm stand sein Freund Michael, den ich die letzte Woche über fast nicht gesehen hatte, was kein Verlust war. Michael war der Schosshund von Samuel, weswegen ich ihn auch nicht leiden konnte. Zwar tat Michael auf der Strecke nichts, doch vor seinem Freund musste er sich beweisen und versuchte mir noch mehr Sprüche reinzuhauen.

Ich verdrehte nur die Augen: "Musst nicht eifersüchtig sein, es gibt halt einfach Menschen, die sich auch mal was gönnen können, ohne gleich zuzulegen." Samuel stoppte mit seinem Lachen, was sein Schosshund im gleich machte. Die Augen von Samuel verengten sich und eine blonde Strähne fiel ihm ins Gesicht.

"Auf dich Eifersüchtig? Wofür? Wer hat schon wieder den Sitz bei Perma und in der Akademie bekommen? Ach warte, dass bin ja ich. Hättest du nicht so viel Eis gegessen und stattdessen dir etwas mehr Mühe gegeben, hättest du vielleicht bei Ferrari bleiben können. Schlimm, wenn nicht einmal mehr die Familie einem Will", bei Familie hörte der Spass für mich auf.

Ich sprang mit einem Satz auf und stellte mich dicht vor ihm. Da ich um einiges kleiner war als der blonde Brite, musste ich meinen Kopf etwas in den Nacken legen. Wahrscheinlich sah ich nicht einmal halb so Angst einflössend aus, wie ich wollte. In dem Moment war mir dies egal, denn das britische Arschgesicht hatte eine Grenze überschritten.

Ich tippte mit meinem Zeigefinger immer wieder auf die Brust des Briten, während ich ihm meine Meinung geigte: "1. habe ich mich entschieden zu gehen, ich hätte bleiben können und dann hättest du keinen Platz in der Akademie bekommen. 2. Wage es nicht noch einmal meine Familie in den Dreck zu ziehen, du dreckiger Hund. 3. Wissen wir beide, dass ich in allem besser bin als du."

Samuel senkte seinen Kopf etwas, sah mich aber immer noch genauso verbissen und wütend an wie zuvor: "Das werden wir noch sehen, wenn ich dich Überrunde kann ich dir ja zu winken." Wie gerne ich ihm jetzt eine geknallt hätte, da er kompletter Mist redete. Er würde mich niemals Überrunden können, dafür fuhr er zu schlecht. Bei keiner Testeinheit war er auch nur annähernd in meiner Nähe gewesen.

"Träum weiter, bevor du mich überrundest, war der erste Mensch auf dem Mars", lachte ich spöttisch auf. Leos Hand auf meiner Schulter ignorierte ich dabei völlig.

Fies grinsend sah mich Samuel wieder an: "Dann sollten sich die Forscher beeilen, denn ich werde es dir am Samstag beweisen", damit verschwand dumm und dümmer wieder.

"Ja, hau ab, das ist das, was du am besten kannst. Du wirst am Samstag schon sehen, dass du nicht in meiner Liga spielst!", schrie ich ihm noch hinterher. Auch wenn er und Michael sich nicht mehr umdrehte, konnte ich die Lacher der beiden Hyänen hören, bevor die beiden in einem Auto verschwunden waren.

Wenn die Lichter ausgehen Buch 1: Mein Name ist Angelina FerrariWhere stories live. Discover now