Kapitel 9: Auf eine gute Feindschaft

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Wie jeden Morgen war ich schon um 6Uhr wach und konnte nicht mehr schlafen. Da ich mich zu gut kannte, versuchte ich es gar nicht mehr mit umdrehen und weiterschlafen. Ich stand direkt auf und suchte meine Sportsachen zusammen und zog mich um. Auch wenn ich um 9Uhr eine Einheit mit Emanuel hatte, brauchte ich gerade das Joggen am morgen.

Allein mit meinen Kopfhörer in den Ohren machte ich mich auf den Weg. Während 5 Seconds of Summer abwechselnd mit Little Mix und Queen auf meine Ohren dröhnte, hatte ich das Hotel verlassen und rannte auf den fast leeren Strassen von Bahrain entlang.

Ohne an irgendwas zu denken konnte ich mich einfach auf meinen Atem und Schritte konzentrieren. Für einen kurzen Moment musste ich nicht an Bremspunkte oder Tracklimits denken. Keiner der irgendwas von mir wissen wollte und ich konnte einfach eins sein mit mir selbst. Bewusst jeden Atemzug tätigen und die frische und doch schon warme Luft von Bahrain in meiner Lunge geniessen. Die Sonne war am Aufgehen und langsam kam leben auf die Strasse.

Nach einer halben Stunde hatte ich mein zwischen Ziel erreicht, ein Strandabschnitt. Nur ganz wenige Menschen waren ebenfalls dort, so konnte ich einfach den warmen Sand unter meinen Füssen spüren und den Wind des Ozeans in meinen Haaren. Die Sonne schien mir direkt ins Gesicht und zwang mich meine Augen zu schliessen. Das Gefühl in diesem Moment war genauso berauschend wie in einem Rennauto zu sitzen. Anders und doch gleich. Beides liess mich lebendig und menschlich fühlen, auch wenn ich im Auto einfach zu funktionieren hatte. Wenn man die G-Kräfte spürt, beweist es einem immer wieder, dass man auch nur aus Haut und Knochen bestand und einem Spur von Wahnsinn. 

Manchmal fragte ich mich, was andere in meinem alter machten. Egal was ich mir dann vorstellte, nichts könnte für mich schöner sein, als mit über 200km/h eine Strecke entlang zu fahren. Wenn man im Auto sass, merkte man auch gar nicht, wie schnell man wirklich unterwegs war. Manchmal erschreckt es mich fast schon, wenn ich dann höre wie schnell ich unterwegs war, denn für mich fühlte es sich niemals mehr als 100 km/h an. 

"Ferrari", erschrocken drehte ich mich um. Er hatte gerade die Pause zwischen zwei Liedern erwischt, weswegen ich die Rufe des blonden Briten hören konnte. Meine Augen wurden automatisch zu schlitzten, als mein Konkurrenten auf mich zu kam. Von allen Menschen auf dieser Welt, musste ausgerechnet er auch an diesem Strand sein.

Er war ein gutes Stück grösser als ich und so musste ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können: "Wie fühlte es sich an für ein Looser-Team zu fahren?" Ein hämisches Grinsen lag auf dem Gesicht von McDavis. Am liebsten hätte ich dieses aus seinem Gesicht geschlagen.

"Weiss ich leider nicht, aber du wirst es mir sicher bald sagen können", gab ich bissig zurück. Es war kein Geheimnis, dass ich eigentlich für Perma hätte starten wollen. Alle Hoffnungsträger von Ferrari wurden dort platziert, doch mir hatte man diesen Platz verwehrt. Nicht weil mir das Talent fehlte, sondern weil ich eine Frau war.

Das Grinsen war aus dem Gesicht von Samuel gewichen: "Ist da wer neidisch, weil sie nicht den Sitz bekommen hat? Nicht jeder braucht einen berühmten Nachnamen und die Kohle von den Eltern." Wie mich seine Arroganz ankotzte und ich ihm am liebsten vor die Füsse gereihert hätte.

"Wenigstens besitze ich mehr Eier als du und trau mich auch ohne Hilfe von einer Académie in die Formel 1 zu kommen. Nur damit es klar ist, meine Eltern zahlen nicht mehr als alle anderen Eltern", versuchte ich mich zu wehren. Dass dies nicht ganz geglückt war, wusste ich auch selbst. Doch was sollte ich sagen, ich hatte nun mal reiche Eltern und einen mehr als berühmten Nachnamen. In manch Situationen konnte mein Nachnamen ein Segen und Hilfe sein, doch mit ihm war auch immer eine gewisse Erwartung da.

Eine Ferrari muss die beste Autofahrerin sein, gerade wenn sie von der Familie von Enzo Ferrari abstammt. Man erwartet von mir, dass ich gewinne und nicht zweite werde. Wenn ich ihre Erwartungen dann nicht gleich erfüllen konnte, wurde natürlich direkt auf mein Geschlecht verwiesen. Denn eine Frau kann ja nicht gewinnen, denn Frauen sind schlechtere Autofahrer als Männer. 

Wenn die Lichter ausgehen Buch 1: Mein Name ist Angelina FerrariWhere stories live. Discover now