Der große See

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„Dem Tagespropheten ist der Vorfall nur eine winzige Erwähnung wert. Die vermuten doch tatsächlich, dass ein Schüler randaliert hat. Wie ignorant kann man denn sein?" Hermine schlug verärgert die Zeitung zu.
„Naja, sie haben nichts gefunden. Da ist die Vermutung doch nicht von der Hand zu weisen, oder?"
„Ronald Weasley! Du glaubst doch den Blödsinn nicht wirklich. Harry, was sagst du dazu?"
Harry, der gerade in seinen Toast beißen will, lässt ihn wieder sinken. „Dobby war gestern im Gemeinschafsraum. Er sagt, ein gefährliches mysteriöses Unwesen geht in Hogwarts um. Man schlägt die Warnung eines Hauselfen nicht in den Wind. Deshalb bin ich fest entschlossen, den Eindringling dingfest zu machen, bevor er größeren Schaden anrichtet. Dazu müssen wir allerdings erst einmal wissen, um welche Kreatur es sich handelt. Ich werde das Gefühl nicht los, das es sich um dasselbe Geschöpf handelt, das auch den Hogwarts-Express angegriffen hat. Auf jeden Fall werde ich mein Glück heute Nacht mal in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek suchen."

Die Woche verging, ohne dass es einen nennenswerten Zwischenfall gab. Das Gewächshaus war längst repariert und die Auroren abgezogen. Einen Hinweis auf das amorphe Sumpfwesen haben die Freunde allerdings nicht gefunden. Und Hermine ließ sich einfach nicht überzeugen das Ei an den Schulleiter zu übergeben.
Jetzt steht Harry auf dem Quidditch-Spielfeld und wartet auf Ginny. Nächste Woche würde das Training beginnen und er will zuvor noch mit seinem neuen Besen fliegen.
Ginny kommt auf ihn zu. Ihren Besen hat sie geschulter. Auf Harrys Gesicht breitet sich ein Lächeln aus. Wie hat er nur so viel Glück verdient. Ginny ist die hübscheste und begabteste Hexe, die er je gesehen hat. Und die coolste, mutigste und liebenswerteste dazu. Keine versteht ihn so wie sie.
Mit ihr kann man Hippogreife stehlen, denkt er.
„Hi Schatz, ich bin da. Wollen wir ein paar Runden drehen?" Sie strahlt ihn erwartungsvoll an. „Ich habe in den Ferien mit Ron, George und Fred trainiert."
„Das können wir machen, oder wir holen unseren ausgefallenen Ausflug nach. Wir könnten doch zur einsamen Insel im großen See fliegen und ein Picknick machen." Er hebt einen Rucksack hoch. „Ich habe Kürbispastete in der Küche mitgehen lassen."
Ginny schmunzelt. „Los lass uns fliegen! Wir können unterwegs ein paar Manöver ausprobieren."

Wenige Minuten später landen sie am Ufer der kleinen Insel. Die Sonne hat eine Lücke in dem grauen Wolkendach gefunden und lässt den umliegenden Herbstwald rot, gelb und orange aufleuchten.
„Zur Hölle Harry, wie kann jemand nur so gut fliegen? Ich habe noch keinen gesehen, der seinen Besen so beherrscht wie du. Selbst auf der Quidditch-Weltmeisterschaft nicht."
„Jetzt übertreibst du aber maßlos. Du musst mir nicht schmeicheln. Das Fliegen ist nichts, auf das ich wirklich stolz sein kann. Ich hab es sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Nichts über das ich mich definieren würde." Auf Harrys Gesicht legt sich auf einmal ein Schatten. Wortlos holt er eine Decke aus dem Rucksack und breitet sie auf den Boden aus.
Ginny setzt sich zu ihm und greift nach seiner Hand. „Ist es wahr? Ich meine, was dein Patenonkel da angedeutet hat. Machst du das alles nur um aus dem Schatten deiner Eltern zu treten? All diese waghalsigen verrückten Aktionen. Deine Teilnahme am Trimagischen Turnier?"
Auf seiner Stirn bildet sich eine Falte. Seine Freundin wusste immer was ihn beschäftigte und er selbst hatte sich dieselbe Frage auch schon gestellt. Er senkt den Blick und zuckt mit der Schulter. „Weiß nicht. Vielleicht. Manchmal."
„Du musst das nicht machen. Nicht um dein eigenes ‚Ich' zu finden. Du bist so ein fantastischer Mensch. Deine Eltern sind stolz auf dich, auch wenn du deinen Namen nicht in den Feuerkelch geworfen hättest. Du hast tolle Freunde, die dich auch lieben, wenn du keine Todesfee fängst oder den Schatz von Gryffindor aus dem See birgst. Ich liebe dich, auch wenn du nur einfach ein Schüler wärst ohne Affinität zu Gefahr."
Auf Harrys Gesicht stiehlt sich ein Lächeln zurück. „Du liebst mich?"
„Ja du Spinner, und du weißt das ganz genau."
„Als ich nach Hogwarts kam, war meine größte Angst, dass mich der Sprechende Hut nicht mutig genug für Gryffindor halten würde."
„Nicht mutig genug? Harry, du bist nicht einfach mutig, du bist tollkühn, furchtlos, waghalsig. Und das ist es, was mich manchmal ängstigt."
„Hey, wir passen doch auf einander auf, oder?"

Harry Potter und die SchreckenssümpfeWhere stories live. Discover now