2. Advent 2020

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Warum Luna Lovegood mit der Luft redet

"Warum starrst du mich so an?

Erschrocken hielt Pansy die Luft an. Wie...? Sie konnte sie unmöglich gesehen haben! Sie stand doch mit dem Rücken zu ihr! Außerdem spähte sie im Moment durch ein kleines Loch. Wie also sollte sie sie gesehen haben?

"Na komm schon, entscheide dich. Entweder du gesellst dich richtig zu mir, oder du musst für heute gehen. Ich muss nämlich eigentlich noch meinen Aufsatz für Zauberkunst fertigschreiben."

Pansy rührte sich nicht. Vielleicht konnte sie die Person, mit der sie sprach, einfach nicht sehen. Vielleicht würde sie wieder weggehen und Pansy gar nicht bemerken. Wenn sie sich nicht rührte, würde schon nichts geschehen.
Warum genau verstecke ich mich nochmal?

"Dann eben nicht, schade. Wenn du es dir doch anders überlegst, solltest du wissen, dass ich morgen zur gleichen Zeit wieder hier sein werde."

Damit stand das Mädchen auf und verschwand aus ihrer Sichtweite.

ooOOoo

In der Küche der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei saßen zwei Mädchen an einem kleinen Tisch und unterhielten sich. Eines hatte blonde Haare, das andere rote. Ersteres hatte eine Schüssel Pudding vor sich stehen, die es genüsslich löffelte.

"Was hat Professor Flitwick eigentlich zu deinem Aufsatz gesagt?", fragte der Rotschopf.

Mit einem Lächeln entgegnete das andere Mädchen: "Er mochte ihn. Sagte, er fände meine Sichtweise erfrischend. Es sei mal etwas Neues. Aber ich wäre fast nicht fertig geworden."

Ihre Freundin, Ginny, war überrascht. "Was, wieso das denn? Du erledigst deine Hausaufgaben doch sonst immer zügig?"

"Ich habe jemanden neues kennengelernt. Sie ist aber ein bisschen schüchtern. Bald wird sie sich mir bestimmt zeigen", war die Antwort der Blonden.

Nun war Ginnys Neugier geweckt. "Oh? Was hast du denn für ein Wesen gesehen?"

"Sie ist eine Hexe, Ginny." Simpel und doch so merkwürdig. Sonst lernte die Pudding-Liebhaberin doch nur neue Wesen kennen.

"Eine Hexe? Das ist ja wundervoll! Du hast eine neue Freundin! Wer ist es?", wollte die Weasley natürlich sofort wissen.

Doch die Blondine summte nur eine fröhliche Melodie und aß ihren Pudding.

ooOOoo

Sie wusste nicht, warum sie hier war. Es war sinnlos und völlig bescheuert. Außerdem war es ein bisschen kalt und sie stand direkt im Windzug. Dennoch war sie wie selbstverständlich hierher gekommen.

"Oh, du bist wieder da. Das freut mich, wie war dein Tag? Meiner war großartig. Ich war mit Ginny in der Küche und habe Pudding gegessen. Außerdem habe ich Harry getroffen! Er hat mir sogar geholfen, einige meiner Sachen unter der peitschenden Weide hervorzuholen. Harry ist wirklich ein netter Zauberer. Professor Flitwick war übrigens zufrieden mit meinem... "

Gebannt lauschte Pansy ihrer hellen Stimme und erfuhr so, was sie den Tag über alles gemacht hatte. Es hätte eigentlich langweilig sein sollen. Was interessierte es sie schon, wie die Lehrer mit ihrer Leistung zufrieden waren oder wie nett Potter war. Unlogischer Weise hatte sie sich aber genau eingeprägt, dass das Mädchen Pudding zu mögen schien. Wozu sollte sie diese Information brauchen?

Die Slytherin konnte nicht sagen, wie lange sie sich in ihrem Versteck befand und der Stimme zuhörte. Es könnte sich um Minuten gehandelt haben, aber selbst wenn es Stunden gewesen wären, hätte sie es nicht bemerkt. Irgendwann meinte das blonde Mädchen aber, dass es spät würde und sie schlafen ginge. Sie hatte sich verabschiedet und war wieder verschwunden. Nicht aber, ohne vorher zu sagen, dass sie morgen wieder hier sein würde.

Einige Minuten später lag Pansy in ihrem Bett und wunderte sich, warum sie den ganzen Abend damit verbracht hatte, einem Mädchen beim Selbstgespräch zuzuhören. Ihre Glieder waren immer noch ein bisschen steif und ihr linkes Bein war eingeschlafen gewesen. Warum nahm sie das nur auf sich?

ooOOoo

"Ich hab' gestern wieder gehört, wie Loony mit der Luft gesprochen hat. Bestimmt hat sie sich mit ihren Nirgeln, oder wie auch immer sie diese Fiecher nennt, unterhalten", erklang die schneidende Stimme Draco Malfoys.

Theodore Nott antwortete sogleich: "Die ist doch verrückt. Wer unterhält sich schon stundenlang mit nichts? Und dann diese Wesen... Echt unglaublich. Unglaublich bescheuert. Wie ist die nur nach Ravenclaw gekommen?"

"Das frag' ich mich manchmal auch..."

Pansy wollte schon zustimmen, aber irgendetwas hielt sie davon ab. Was war nur los mit ihr? Vielleicht lag es an den zahllosen Nächten, die sie mit grübeln verbracht hatte. Oder vielleicht hatte sie sich erkältet, als sie ihre Abende damit verbracht hatte, Luna Lovegood bei ihren Selbstgesprächen zuzuhören... Dass ihr das noch nicht langweilig geworden war...
Und warum war da ein Stich in ihrer Magengegend bei den Gedanken daran, dass Luna sich die ganze Zeit nur mit irgendwelchen Fantasiewesen unterhielt...?

ooOOoo

"Pass doch auf!", schnauzte Pansy die Person vor sich an. Die Person vor ihr auf dem Boden. Bücher lagen verstreut herum, die pinke Brille war verrutscht und es hatte sich eine Strähne aus dem blonden Zopf gelöst. Vor ihr lag Luna Lovegood. Verdammt.

Zögernd bückte sie sich und hob die Bücher wieder auf. Als sie damit fertig war, stand Luna wieder auf ihren Beinen und schaute sie an. Und sie schien sie wirklich anzuschauen. Aus klaren Augen mit einem amüsierten Schimmern und einem leichten Lächeln. Pansy war Luna Lovegood noch nie so nahe gewesen, dass sie richtig von ihr angeschaut werden konnte.
War das nicht ein seltsamer Gedanke? Luna Lovegood schaute sie an. Sie schaute nicht durch sie hindurch oder verträumt in die Luft, wie sie es angeblich mit allen Leuten tat. Nein, Luna Lovegood schaute ihr in die Augen.

"Hallo."

"H-Hallo." Warum hörte sie sich so unsicher an? Das vor ihr war doch nur Luna Lovegood. Loony. Die Verrückte.
Die mit der beruhigenden Stimme und scheinbar unausschöpflichen Gesprächsthemen. Die, die schon seit Wochen in ihrem Kopf herumgeisterte, ohne dass sie wusste, warum.

Luna legte ihren Kopf schief.
"Du hast also beschlossen, dich zu mir zu gesellen? Das ist gut, ich habe gerade sowieso Zeit."

~Luna (Middle0luna0Earth)

Advent, Advent, ein Lichtlein brenntWhere stories live. Discover now