1. Dezember

456 23 5
                                    

Früher als Kind mochte ich einmal Weihnachten. Ich liebte diese Zeit. Zu uns nach Hause kam jedes Jahr ein sehr freundlicher Weihnachtsmann, bis ich herausgefunden hatte, dass es diesen eigentlich gar nicht gab. Ich liebte den Duft nach Zimtgebäck, Zuckerwatte und Kinderpunsch, der überall in der Luft hing.
Heute sieht alles jedoch etwas anders aus.
Ich habe mir den Traum von einem eigenen Café erfüllt. Allerdings ist es in der Weihnachtszeit noch stressiger, als sonst. Die Kunden haben Extrawünsche, sind gehetzt und noch unfreundlicher, weil ihr Weihnachten droht in einer kleinen oder größeren Katastrophe zu enden. Ich habe mir fest vorgenommen, mich dieses Jahr nicht von diesem Stress anstecken zu lassen und einfach kein Weihnachten zu feiern.

Die wenigsten Leute können das nachvollziehen. Aber spätestens, wenn ich von meinem Weihnachten vor einem Jahr erzähle, verstehen sie es. Meine Mutter ist letztes Jahr, einen Tag vor Heiligabend, verstorben. Sie liebte Weihnachten, aber ohne sie war es einfach nicht das gleiche.
Sie hatte jedes Jahr Unmengen an Weihnachtsgebäck gebacken, sodass wir auch noch nach Silvester davon essen konnten. Schon Mitte November fing sie an unsere Wohnung weihnachtlich zu dekorieren und Weihnachtslieder zu singen. Nur letztes Weihnachten hatte sie dies nicht mehr gekonnt. Sie war zu schwach gewesen. Wie jedes Jahr hatte sie sich auf Weihnachten gefreut, aber sie wusste, dass sie es nicht mehr erleben konnte wie sonst.

Mein Handy piept, was mir signalisiert, dass meine Pause vorbei ist. Ich binde mir die rote Schürze mit kleinen Zuckerstangen darauf um die Hüfte. Dann stoße ich die Tür zum Innenraum des Cafés auf und verlasse den Pausenraum der Mitarbeiter. In meinem Café läuft es gut. Immer zu ist es prall gefüllt mit Gästen, weswegen ich in der Weihnachtszeit noch eine Aushilfe mehr einstellen muss.

"Sara, du kannst wieder die Tische bedienen. Ich übernehme die Theke." rufe ich einer meiner Angestellten zu und stelle mich hinter den Verkaufstresen. Mit einem Tablett verschwindet Sara zu zwei leeren Tischen, um diese abzuräumen.

"Willkommen in Bella's Café." begrüße ich die nächste Kundin freundlich.
Sie bestellt einen Kakao zum mitnehmen und eine Zimtschnecke. Während ich die Bestellung fertig mache, summe ich leise die Weihnachtslieder mit, die durch das Café hallen.
Auch wenn ich nicht in Weihnachtsstimmung dieses Jahr bin, versuche ich mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich diese Zeit momentan belastet. Es ist die Zeit der Liebe, Familie und Freundschaft. Aber meine Familie gibt es nicht mehr.
Ich übergebe der Kundin ihre Bestellung und lege das Geld in die Kasse.

Bevor ich überhaupt hochsehen und "Willkommen in Bella's Café" sagen kann, höre ich eine tiefe kalte Stimme. "Einen Cappuccino zum mitnehmen."

Mein Blick schnellt nach oben und trifft in zwei eisblaue Augen, die mich auffordernd ansehen.
Mein Mund ist einen Spalt breit geöffnet, so sehr bin ich von seinem Aussehen überfordert. Er könnte glatt aus dem neuesten GQ-Magazin entsprungen sein. Die dunklen Locken sind perfekt auf seinem Kopf drapiert. Ein leichter Drei-Tage-Bart bedeckt seine Wangen und sein Kinn. Seine Gesichtszüge sind hart und markant. So messerscharf, als könnte ich mich an seinen Wangenknochen schneiden, würde ich sie berühren. Und dann sind da noch diese perfekt geschwungenen rosa Lippen, die sich schnell bewegen.
Verwirrt sehe ich wieder in seine eisblauen Augen, die mich nun wütend ansehen.

"Wird's bald? Ich habe noch einen wichtigen Termin." schnauzt mich der GQ-Mann an.

"Sicher. Möchten Sie unser Weihnachtsgewürz in den Cappuccino?" frage ich. Wir haben ein spezielles Gewürz entwickelt, welches wir zu Weihnachten in unsere Getränke und in unser Gebäck geben, falls der Kunde das wünscht.

"Sehe ich so aus?" fragt er mit hochgezogener Augenbraue und kaltem Blick.

"Ähm, ich denke nicht?" unsicher starre ich in seine Augen.

"Natürlich nicht. Würden Sie dann endlich meinen Cappuccino zubereiten?"

Normalerweise bin ich nicht so unsicher meinen Kunden gegenüber, aber dieser Mann vor mir macht mich furchtbar nervös.
Schweigend drehe ich mich von ihm weg, um seinem Blick, der meine Beine zu Pudding werden lässt, zu entgehen. Ich betätige die Kaffeemaschine und stelle einen Pappbecher darunter. Langsam läuft die braune Flüssigkeit mit Milch in den Becher. Ich kann spüren wie mich der Kunde ansieht. Sein Blick bohrt sich eiskalt wie ein Eiszapfen in meinen Rücken.
Schnell mache ich einen Deckel auf den Becher und schiebe ihn über den Tresen.
Der GQ-Mann legt mir einen 10$ Schein auf den Tisch und verschwindet ohne ein weiteres Wort zu sagen aus dem Café.


Hier ist das erste Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch. 🥰🙈🎄

The Grinch and The Christmas AngelWhere stories live. Discover now