Kapitel 16 (P12)

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John hing seine Jacke neben die seines Mitbewohners an den Haken. Sherlock hatte sich bereits auf seine geliebte Couch fallen lassen und hielt den Sudokuwürfel in seinen großen Händen. Geschickt drehte er den Würfel in seiner Hand, besah ihn sich genau, dann begannen seine Finger für einen Moment blitzschnell an dem Würfel herumzudrehen. Der Blonde ließ seinen Blick kurz über den Mann streifen, lächelte ein bisschen und machte einen Umweg in die Küche. Vorsorglich nahm er direkt zwei Kaffeetassen aus dem Schrank und ließ mit nur einem Knopfdruck bereits die erste mit dem heißen Espresso volllaufen. Die aufmerksamen Augen des Lockenkopfes lösten sich keine Sekunde von dem Gebilde in seiner Hand, während sich seine Stimme laut genug erhob, dass der Arzt ihn in der Küche würde hören können:

„Schwarz, zwei Stück Zucker“ Johns Ausdruck verfinsterte sich für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er mit zwei Tassen Kaffee, in jeder Hand eine, zurück ins Wohnzimmer kam. Schon stellte die eine neben Sherlock ab.

„Auch wenn du es dir vielleicht nicht vorstellen kannst, aber das mit dem Kaffee weiß ich mittlerweile…“ konnte er sich sein Kommentar nicht verkneifen, doch das Grinsen war aus seiner Stimme herauszuhören, die nicht anklagend, sondern neckend und liebevoll klang. John ließ sich mit seiner eigenen Tasse zwischen den Fingern in den roten Sessel fallen. Die diesmorgige Zeitung lag auf seinem Schoß und als er sie entfaltete war der Artikel auf der Titelseite wie ein Faustschlag ins Gesicht. Der Detektiv, welcher den Würfel auf seinen Bauch hatte fallen lassen und dessen Blick nun zu seinem Mitbewohner schweifte konnte in dem Ausdruck des Arztes lesen, wie aus seinem Buch. Und seine Mimik verriet nichts Gutes.
„Moran sitzt immer noch in U-Haft... es gibt wahrscheinlich nicht genügend Beweise.... Es steht noch nichts fest, aber es sieht schlecht aus...“ Johns Stimme war belegt und man konnte eine Spur der Nervosität heraushören, angespannt umklammerten seine Finger die Tasse.
„Da kann man nur hoffen, dass sie doch noch irgendwas Belastendes gegen ihn finden...“ Er musste kein weiteres Wort verlieren, dass beide wussten, dass es dazu nicht kommen würde. Eilig schlug er die Zeitung auf um den Artikel außer Reichweite seiner Augen zu bringen. Sherlocks Kiefer hatte sich derweilen anspannt. Wenn er doch nur an dem Fall mithelfen könnte. Moran würde hundertprozentig hinter Gitter kommen. Wortlos starrte Sherlock an die Decke, als würde er allein durch seinen Blick ein Loch in den Putz brennen wollen. Er wusste nicht recht was er dazu sagen sollte, also beließ er es bei seinem altbekannten Schweigen. Seine linke Hand griff nach der Tasse, aus der es noch immer verführerisch dampfte. Der Dunkelhaarige setzte sich auf und nippte vorsichtig an dem heißen Getränk. Johns Blick schweifte über die Kante seiner Zeitung zu dem Jüngeren. Seine Locken stachen John ins Auge. Im leichten, matten Licht schimmerten sie seidig und John konnte sich ohne Anstrengung vorstellen wie weich, die ihm bekannten pechschwarzen Haare sich anfühlten. Ein kleines, ungewolltes Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. Der Blonde hob die Tasse mit dem heißen Kaffe an seine Lippen. Seine Augenbrauen hatten sich zusammen gezogen, während seine Lippen den Rand der Tasse vorsichtig berührten und er versuchte sich nicht zu verbrennen. Der herbe, aromatische Geschmack in seinem Mund breitete sich in Bruchteilen von Sekunden aus und zufrieden seufzend stellte er seinen Kaffee wieder auf den Tisch. Ein eiliger Blick strich noch einmal kurz über die Zeitung in der, von dem anfänglichen Artikel abgesehen nur das Übliche stand. In letzter Zeit war John aufgefallen wie sehr er Sherlock innerhalb der letzten Wochen ähnlicher geworden war. Öfter als es sonst der Fall gewesen war, konnte er sich seine, schon leicht ins Besserwisserische neigenden Bemerkungen nicht verkneifen, er war gleichgültiger zu Dies und Jenem geworden, wurde seltener wütend und sah die Dinge mit mehr Gelassenheit. Außerdem war es erschreckend, wie sehr ihn das Alltägliche langsam, aber sicher immer mehr zu langweilen begann. Natürlich war er noch immer nicht einmal ansatzweise so sehr von Leichen und ähnlichem fasziniert wie der Lockenkopf selber, aber der Beweis seiner immer mehr ins außergewöhnliche tendierenden Interessen zeigte sich schon darin, dass er aus der Zeitung nicht mehr herauszuholen vermochte, als das war er bereits gelesen hatte. Vor ein paar Wochen hätte er sich sicherlich noch ohne Probleme und wirklich mit Interesse mindestens eine halbe Stunde mit der Zeitung befassen können, wenn nicht noch länger, doch jetzt faltete er sie nur mit einem gelangweilten Seufzen zusammen und nahm seine Tasse wieder auf. Interessiert begann er Sherlock zu beobachten. Jede seiner kleinen, ihm selbst wahrscheinlich gar nicht bewussten Angewohnheiten, Züge, sowie Handlungen, die er machte ohne sie wirklich wahrzunehmen passten so perfekt zu ihm. Von der Art und Weise wie er seine Augenbrauen konzentriert zusammenzog, bis zu seinen oftmals übertriebenen Gestikulierungen. Bei jeder von diesen Bewegungen wurde das Glitzern in John Augen ein bisschen mehr. Er kuschelte sich in den Sessel, das Englandkissen auf seinem Schoß und die warme, schon fast heiße Tasse eng mit seinen Fingern umklammert und wollte seine Augen nicht von dem anderen lösen, sondern ihn einfach anschauen, während er, egal was, machte. Es dauerte nicht lange und Sherlock sah auf, wendete seinen wachsamen Blick John zu. Er stellte Tasse mit dem ' #1 smart-arse' -Schriftzug, die er an einem Weihnachten von Lestrade geschenkt bekommen hatte, zurück auf den kleinen Couch-Tisch. Seine langen Finger legten sich erneut um den Würfel, der noch immer auf seiner Bauchdecke gelegen hatte und verdrehten ihn, nur um ihn gleich danach in wenigen Sekunden wieder in seine richtige Form zurück zu bringen. Sherlock seufzte. Er war gelangweilt. Höchst gelangweilt. Und wenn das so bleiben würde, dann würde der Drang nach Heroin wachsen. Der Kiefer des Dunkelhaarigen spannte sich an und er schluckte hart. John hatte alle Spritzen verbogen und das Heroin weggekippt. Wahrscheinlich nicht die beste Art das Zeug loszuwerden... Nunja; Zumindest nicht in seinen Augen. Niemand im Kreis von 30 km würde ihm irgendwelche Drogen verkaufen, dafür hatte man gesorgt.
Sherlock schnaufte und nahm noch einen Schluck des Kaffees. Das sie alle nur das Beste für ihn wollten, wusste er, natürlich. Aber warum mussten sie es auf diese Weise zeigen?! Hätten sie nicht einfach einen Haufen dämlicher Tassen kaufen können, so wie es Lestrade getan hatte? John beobachtete wie sich Sherlock plötzlich begann anzuspannen. Normalerweise kein Zeichen der Langeweile, die er eigentlich eher durch Hyperaktivität äußerte. Was war es also, was den plötzlichen Wandel verursachte? Forschend beobachtete John ihn weiter und biss sich währenddessen auf die Lippen.
„Über was denkst du nach?“ fragte John leise. Schon weitaus mehr als nur ein Mal hatte ihn das Verlangen nach einer Möglichkeit ergriffen irgendwie erahnen zu können, was in dem anderen vorging. Doch er war wie ein Eisberg im Wasser. Nur die Spitze, welche hervorragte war ergründlich. Doch der ganze Rest war ihm ein unendliches, unlösbares Rätsel. Wie gerne er sich doch gewiss sein wollte, es lösen zu können! Doch andererseits wusste er gar nicht ob er das wollte. Schließlich war es der Unterschied zwischen Sherlock und all den anderen normalen Leuten in der Welt, welcher John so sehr faszinierte und in seinen Bann zog, eben weil er sich den anderen einfach nicht erklären und erschließen konnte. Sherlock wandte seinen Blick nicht von dem Kaffee, während er noch darüber nachdachte, was er John antworten sollte. Zu gerne hätte er ihm die Wahrheit verraten. Aber er konnte nicht.
„Über Moran und den Bericht in der Zeitung", log er. Die Lüge kam ihm glatt über die Lippen, wie immer. Für einen Moment spürte er so etwas wie ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Arzt, doch schon im nächsten Moment verpuffte es. Ohne auch nur eine Sekunde an Sherlocks Lüge zu zweifeln glaube John dem Detektiv seine Worte. Er vertraute dem anderen blind, würde ohne zu zögern sein Leben in seine Hände legen, doch der Andere stoppte seine Gedanken, als er schon fortfuhr:
„Ich würde der Polizei ja helfen, wenn sie mich nur lassen würden! Dann bräuchte ich auch keine Angst mehr um dich haben... Zumindest keine so große", gestand er und sah zu John.

What's a soulmateWhere stories live. Discover now