XIX

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Je tiefer wir stiegen, desto stärker wurde das Empfinden der Beklommenheit.

Ich fühlte mich, als würde mir jemand meine Energie entziehen und mich dabei in kaltes Wasser tauchen, plötzlich fror ich. Meine Arme bekamen eine Gänsehaut und ich blieb auf der Stufe stehen. Meine Schritte auf dem Steinboden verstummten, was auch Mrs. Walsh nicht entging, die sich nach mir umdrehte.

„Spüren Sie das auch?", platzte ich heraus und rieb mir über die nackten Oberarme.

„Ja, das tue ich", Mrs. Walsh stieg wieder zwei Stufen zu mir herauf, „der Schulkeller ist mit einem speziellen Material gedämmt. Es wird Elfenstahl genannt, ist jedoch kein wirkliches Metall. Früher wurde es – wie der Name sagt – vorrangig von Elfen verwendet, aber mit den Jahren ist es populärer geworden. Der Elfenstahl hat eine besondere Aura, unter anderem verhindern seine Kräfte, dass übernatürliche Eigenschaften genutzt werden können."

„Sie meinen...?"

Sofort hob ich meine Hand und versuchte, einige Flammen entstehen zu lassen, doch was mir sonst mittlerweile mit Leichtigkeit gelang, funktionierte nun einfach nicht. Ich leitete Energie in meine Hand, doch anstatt dort ein Feuer zu entflammen, schien die Energie einfach sang- und klanglos aus mir zu weichen. Verwirrt schloss ich meine Hand und ließ den Arm sinken.

„Hier unten sind wir alle nur Menschen", verkündete Mrs. Walsh fast schon düster, „der Elfenstahl verhindert so unter anderem, dass Noah entkommen kann. Diese Schule existiert schon sehr lange und früher wurden tatsächlich unartige Schüler hier zum Nachsitzen verdammt, aber keine Sorge, das machen wir nicht mehr."

Ich nickte und setzte mich zögerlich wieder in Bewegung. Am Fuße der Treppe erwartete uns eine weitere Tür, dieses Mal aus schwerem Metall. Mrs. Walsh trat zuerst hindurch und hielt die Tür dann für mich offen. Sie knipste das Licht über der Treppe aus und schloss die Tür dann.

Hier unten erwartete mich ein nicht allzu langer Flur von dem links und rechts in regelmäßigen Abständen Räume abzweigten. Die Räume waren nicht mit Türen, sondern mit Gittern abgetrennt, nicht unähnlich den Gittern von Kellerräumen unter Mehrfamilienhäusern. Man konnte erkennen, dass der Keller nicht mehr wirklich benutzt wurde. Zwar war alles sauber, aber viele der Türen fehlten oder standen offen. Im ersten Raum zu meiner Rechten stapelten sich Kartons bis beinahe an die Decke und als ich hinter Mrs. Walsh den Flur hinabschritt, erkannte ich, dass es auch in den anderen Kellerräumen ähnlich aussah.

Das Einzige, was den Keller zu einem so unbehaglichen Raum machte, war tatsächlich das beklemmende Gefühl, das mit ihm einherging und das hier unten noch stärker war als auf der Treppe. Unsere Schritte hallten ein wenig auf dem harten Boden, vor allem die hohen Schuhe der Direktorin und irgendwo in einem Raum weiter hinten im Flur hörte ich das Geräusch eines zurückgeschobenen Stuhls. Das war dann wohl Noah.

Tatsächlich führte die Schulleiterin mich bis zu dem letzten Raum. Der Raum war nicht größer oder kleiner als die anderen, wirkte aufgrund seiner nur spärlichen Einrichtung jedoch größer. Links zweigte eine weitere Tür ab, wohl ein kleines Bad und im Raum standen nur ein Bett und ein Tisch mit einem Stuhl.

Der Stuhl war vom Tisch weggerückt worden bis beinahe in die Mitte des Raumes und dort, nur durch die Gittertür von uns getrennt, saß Noah. Breitbeinig, sehr lässig, in Jogginghose und nur einem T-Shirt saß er auf dem Stuhl und lehnte sich an die Lehne. Er sah verändert aus, besonders im Gesicht. Härter, unnachgiebiger. Oder aber so sah er eigentlich aus.

Noah trug noch immer seine Brille, aber seine Haare waren ein Stück länger geworden und hingen ihm ungekämmt in die Stirn.

„Hallo Faye", begrüßte er mich mit einer eiskalten, vor Hass triefenden Stimme, als ich neben Mrs. Walsh vor seine aktuelle Bleibe trat, „Mrs. Walsh."

FeuertodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt