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Die Sommerferien waren alles andere als wirklich schön. Zwar fuhren wir mit Amys Eltern für ein paar Tage an einen See zum Campen, hatten durchgehend schönes Wetter und beste Voraussetzungen, doch die Geschehnisse in den letzten Schultagen hingen uns allen noch nach.

Nach Milas Tod war nichts mehr so, wie es war. In der ersten Woche war Amy kaum aus ihrem Zimmer gekommen, Trish hatte sie ein paar Mal zum Abendessen überreden können, doch ansonsten schloss sich das dunkelhaarige Mädchen meist ein. Es wurde mit der Zeit besser, wir alle verarbeiteten die Trauer und das Trauma ein wenig, doch die Sorgen schwangen immer mit, auch, wenn es gerade eigentlich eine unbeschwerte Situation war.

Noch dazu kamen die Angst, was Noah als Nächstes tun würde und die Sorge, ob die Schule nach den Sommerferien überhaupt wieder geöffnet werden würde.

Nach den Anschlägen und dem Mord im letzten Jahr war die Schule bereits zwei Wochen früher geschlossen worden und nicht nur ich befürchtete, dass wir womöglich alle auf eine andere Schule gehen mussten. Abgesehen von all den Sorgen vermisste ich auch meine Eltern. Eigentlich wollten wir in den Sommerferien zusammen eine spontane Reise machen, ein bisschen Urlaub am Strand oder in den Bergen, doch nun konnte ich nur mit ihnen telefonieren und skypen, weil es nicht sicher für mich war, nach Hause zurückzukehren. Die Schulleiterin Mrs. Walsh fürchtete, dass ich bei mir selbst zuhause in Gefahr war und so waren Leela und ich zu Amy und Trish gefahren. In den ersten Tagen telefonierten ich recht viel mit meinen Eltern, jeden Tag mindestens eine Viertelstunde, danach wurde es etwas weniger. Denn auch, wenn ich während der Schulzeit nicht jeden Tag mit meinen Eltern telefonierte, war es nun sehr schön, ihre Gesichter zu sehen und mit ihnen zu reden.

Ansonsten taten wir tatsächlich das, was andere Teenager in den Sommerferien auch taten: Amy und Trish wohnten sehr ländlich und Leela und ich verbrachten einen Großteil der Zeit draußen. Trish und besonders Amy waren meist für sich und da wir ihre Eltern nicht kannten und nicht in dem unbekannten Haus herumschnüffeln wollten, waren wir viel im Garten und unterhielten uns.

Als es Amy irgendwann seelisch wieder ein wenig besser ging, kamen sie und ihre Zwillingsschwester häufiger mit nach draußen und zum Ende der Sommerferien hin, nachdem wir von der Woche Zelten zurückgekehrt waren, schwammen wir mehrmals in einem in der Nähe gelegenen See. Die Stimmung wurde langsam immer besser, auch wenn wohl nicht nur ich nachts Albträume hatte.

Milas Beerdigung fand in der ersten Ferienwoche statt. Es waren nicht allzu viele Menschen anwesend, da Milas Eltern sich sehr für eine Beerdigung im kleinen Kreis ausgesprochen hatten. Abgesehen von ihren Eltern und Brüdern waren noch nähere Verwandte und wir vier Mädchen eingeladen, sonst niemand. Es war eine würdige Beerdigung. Auf den Leichenschmaus hinterher verzichteten wir jedoch, weil wir uns nicht wirklich zugehörig fühlten und zumindest Amy sich nicht wohl dabei fühlte, noch länger unter Menschen zu sein.

An einem der letzten Ferientage ging die Tür zu meinem und Leelas Zimmer auf und Amy und Trish kamen hinein. Leela und ich schliefen gemeinsam auf dem Dachboden, sodass die Tür eher eine Klappe im Boden war und waren sowohl von der Schulzeit, als auch noch von den Osterferien daran gewöhnt, uns ein Zimmer zu teilen, zumal der Dachboden wirklich sehr groß war.

„Es ist eine Mail von der Schule gekommen", informierte Trish uns und setzte sich auf mein Bett, welches am nächsten an der Bodenklappe stand. Amy nahm neben ihrer Schwester Platz und zog ihre Knie an die Brust. Die Dunkelhaarige hatte in den letzten Wochen abgenommen und heute hatte sie auf den Concealer verzichtet, mit dem sie sonst ihre Augenringe abdeckte. Sie und Trish teilten sich eigentlich kein Zimmer, doch ich wusste, dass Amy momentan bei ihrer Zwillingsschwester schlief.

„Was steht drin?", Leela sprang von ihrem Bett auf und gesellte sich zu unseren beiden Gastgeberinnen, ich sah interessiert von meinem Handy auf und drehte mich auf dem Schreibtischstuhl zu meinem Bett um.

FeuertodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt