Melanie Hansen

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》Ich hatte Angst. Pure Angst.《

Am Mittwochabend lag ein grüner Umschlag in meinem Briefkasten, ich nahm ihn heraus und begutachtete ihn kritisch. Es stand kein Absender drauf, nur mein Name. Mit dem Brief in der linken und dem Schlüssel in der rechten Hand betrat ich meine Wohnung. Die Kaffeetasse, welche ich am Morgen hatte stehen lassen, war verschwunden. Meine Klamotten lagen gewaschen und gebügelt im Wäschekorb. Irgendetwas stimmte hier nicht! Jemand hatte meine Wohnung betreten, ohne meine Erlaubnis. Meine Schuhe stellte ich ins Schuhregal, legte den Brief auf die alte Kommode und hing anschließend meine Strickjacke an den Haken. Den Brief hatte ich schon fast vergessen, doch mein Blick fiel auf die sauber gefaltete Wäsche und so nahm ich ihn mit ins Wohnzimmer. Mit wackligen Beinen ging ich zum Sofa und setzte mich zwischen die weißen Kissen, die mit rosa Farbenden Rosen bestickt waren. Auch sie waren frisch aufgeschüttelt. Das Gefühl der Angst durchfloss meinen Körper und die kleinen Härchen auf meinen Armen und am Nacken stellten sich auf. Mit zittrigen Händen öffnete ich den Umschlag, dessen Inhalt mich zusammenzucken ließ. Es waren A5 große Bilder von mir, sie waren aus verschieden Positionen auf der Straße und vor allem IN meiner Wohnung geschossen worden.

>> Wer hatte diese Fotos gemacht? Wer war in meine Wohnung eingedrungen?<<

Wäre dieser Mittwoch ein ganz normaler Tag gewesen, dann hätte ich mich jetzt auf den Weg zu Franzi gemacht. Aber es war verdammt nochmal KEIN normaler Tag, Franzi lag im Koma und ich hatte niemanden, mit dem ich reden konnte. Trotzdem ging ich am Donnerstag zu Franzi ins EKH, eigentlich wollte ich ihr nur von dem Brief erzählen, doch ich brach in Tränen aus. Die Gewissheit, dass ich einen Stalker hatte machte mich fertig. Doch das war noch nicht alles, am Freitag erhielt ich einen weiteren Umschlag. Er lag in meinem Spind im Pk und hatte das gleiche Grün wie der erste Umschlag. Diesmal enthielt er aber keine Bildet von mir, sondern von Emma und Franzi.

Die Bilder rissen mir den Boden unter den Füßen weg. Auf einem lag Franzi mitten auf der Straße, es musste ein Bild vom Unfallort sein. Der Anblick der kleinen, zierlichen Frau, die leblos am Boden lag ließ mir wieder Tränen in die Augen steigen.

Auf dem nächsten stand Emma mit einem Jungen an der Elbe, genauer gesagt am "Sorgengeländer" vor dem Pk. Die beiden küssten sich und ich freute mich für sie, doch auch die Angst in mir wuchs mit jedem Bild.

Ich hatte ein Problem, ein großes Problem. Wie sollte ich die beiden denn schützen? Wie sollte ich mich schützen?

Ohne mir etwas anmerken zulassen brachte ich den Arbeitstag hinter mich. Ich arbeitete Akten ab, ermittelte Identitäten und prüfte Kennzeichen. Die langweilige Arbeit die eben für mich übrig blieb.

Um 14 Uhr war Schichtende, Mattes und ich wollten zu ihm nach Hause fahren, doch auf halber Strecke hielt er rechts an. Das rote Tuch was in der Mittelkonsole des Autos lag band er mir um den Kopf. So, dass ich nichts mehr sehen konnte. Dann fuhr er weiter. Nach 15 Minuten kamen wir am Ziel an und ich durfte aussteigen. Es duftete nach Mohnblumen und Lavendel, das leise Summen der Insekten drang an mein Ohr und erinnerte mich an meine Kindheit.

~Ein kleines Mädchen setzte sich auf die Schaukel die im Garten ihres Elternhauses hing, holte viel Schwung und sprang anschließend ab. Im hohen Bogen flog sie durch die Luft und landete dann gekonnt auf den Füßen. „Melanie, kommst du bitte rein? Das Abendessen ist fertig." Das Mädchen rannte über die Wiese, sie war mit vielen Blumen bewachsen und es roch nach Mohn und Lavendel, zum Haus und zog sich die Sandalen aus.~

Mattes führte mich ein Stück und blieb dann stehen: „Halt, sonst rennst du noch gegen das Tor. quietschend öffnete er das selbige, schob mich noch ein Stück weiter und nahm dann das Tuch von meinen Augen. Wir standen vor einem kleinen Häuschen es war angestrichen wie eins der Holzhäuser in Schweden. Ehrlich gesagt sah es genauso aus wie das, indem Mattes, Phillip, Franzi und ich vor 15 Jahren Urlaub gemacht hatten. Ich hatte mich sofort in das kleine Haus verliebt und tat es jetzt wieder.

„Das du dich daran noch erinnerst.", sagte ich erstaunt. „Wie könnte ich eine Sekunde mit dir vergessen?", antwortete er verführerisch und ich küsste ihn. Zusammen schauten wir uns das ganze Haus an und am Ende erklärte Mattes mir, dass er es schon gekauft hatte. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden. Das Haus war nicht nur gemütlich, sondern hatte auch genug Platz für ein großes Kinderzimmer.

Am nächsten Tag begleiteten wir Franzi nach Hause und wurden prompt von Philipp zum Essen eingeladen. Wir aßen zusammen und anschließend setzen Franzi und ich uns in den Strandkorb.

Nach einiger Zeit setzte sich Emma zwischen uns, wie gut das sie noch so dünn und der Strandkorb so groß war. Sonst würden wir jetzt aussehen wie Hühner in Käfighaltung. Sie hatte ein ziemlich freches Mundwerk, aber sie wusste wann eine Grenze überschritten war. Sie konnte Menschen gut einschätzen und schnell kombinieren. Wenn sie wollte könnte sie Polizistin werden, dass fand ich jedenfalls.

Kurze Zeit später kamen wir darauf zusprechen, ob Mattes und ich zusammen ziehen würden und ich zeigte ihnen das Haus. Hatte ich eigentlich schon erzählt dass es in der gleichen Straße stand wie das von Franzi und Philipp? Naja, jetzt wisst ihr es auf jeden Fall. Kaum am Haus angekommen sah ich einen Schatten über den Rasen laufen und bekam eine Gänsehaut.

>War das der Stalker oder litt ich jetzt schon unter Verfolgungswahn?<

Egal, ich beschloss nicht weiter darüber nachzudenken und somit zeigte ich Emma und Franzi das Haus.

Wieder zurück setzten wir uns erneut in den Strandkorb, das Ding war einfach zu gemütlich. Franzi kramte etwas aus ihrer Tasche und gab es Emma. Es war ein Mutterpass, so einen hatte ich auch bekommen. Ich half ihr auf den kleinen Ultraschallbildern etwas zu erkennen und zeigte ihr auch mein Ultraschallbild.

Plötzlich sah ich ihn, mit einer Kamera in der Hand hinter dem Zaun sitzen. Noch schlimmer war, dass ich ihn kannte. Es war Christoph, ja richtig DER Christoph in den ich einst so verliebt war und der mich fast meinen Job gekostet hätte. Er konnte wohl nie aufhören mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich schaute mich nach Mattes um, doch er war nicht mehr da. Mir lief eine Träne über die Wange.

>Warum ich? Warum verdammt nochmal immer ich?<

Inzwischen wurde ich von einem regelrechten Weinkrampf geschüttelt. Ich bekam zwar mit wie Emma versuchte mich zu beruhigen, aber ich konnte nicht aufhören es ging einfach nicht. Ich war wie gelähmt. Aua! Franzi die kurz eingenickt war, schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Es tat weh aber es half, ich konnte wieder halbwegs klar denken.

Nachdem ich mich beruhigt hatte, gingen wir gemeinsam ins Haus und ich verkroch mich ins Bad. Danach setzte ich mich auf die Kellertreppe, hier würde mich bestimmt keiner stören. Doch da lag ich falsch, Emma hatte mich gesucht und gefunden. Sie nahm mich mit nach oben ins Wohnzimmer. Dort sollte ich erzählen was mich belastete, typisch Philip. Zuerst konnte ich nicht, doch dann hatte ich das dringende Bedürfnis Christoph dran zu kriegen und ich begann.

Ein kleines neues Leben - Notruf HafenkanteWhere stories live. Discover now