Kapitel 34 - Amanda

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„Vielen Dank Charlie. Ich freue mich wirklich auf den Artikel, den ich über Sie und Ihre Familie schreiben darf."

Charlie – besser bekannt unter dem Pseudonym LAIENCHORE - nickte zufrieden. Der Mittvierziger lächelte mich entspannt an, was seine dunkelbraunen Augen warm leuchten ließ. Erleichterung durchflutete mich, wenn ich daran zurückdachte, mit wie viel Zurückhaltung er mir am Anfang des Gesprächs entgegengekommen war. Das lag nicht allein daran, dass er seinen wahren Namen geheim halten wollte, sondern vielmehr an der Tatsache, dass Charlie stumm war.

Zugegeben, ich war etwas erstaunt drüber gewesen, als er ohne Kommentar einen Block hochgehoben hatte, um mit mir sprechen zu können. Vor allem über den kleinen Monolog, den er darauf niedergeschrieben hatte. Ich hatte nicht einmal die Zeit gehabt, mich hinzusetzen, geschweige denn einen Kaffee beim Kellner zu bestellen.

Charlie: Liebe Amanda, ich freue mich über Ihr Interesse an meiner Person, muss Ihnen aber sagen, dass ich nicht vorhabe, über mich viel zu sprechen. Allen voran da ich stumm bin und eine Unterhaltung sich daher für Sie unnötig in die Länge ziehen würde. Außerdem möchte ich nicht, dass mein wahrer Name bekannt wird. Ich schreibe unter einem Pseudonym, weil ich die Anonymität mag. Ich bitte Sie, meinen Wunsch zu respektieren, und hoffe, Ihnen nicht zu große Unannehmlichkeiten oder gar Hoffnungen bereitet zu haben. Freundlichst, LAIENCHORE.

Ein bisschen hatte mich die Aussage an Aden erinnert. Immerhin ist er anfangs auch gleich in Schweigen verfallen, sobald ich etwas vermeintlich erfahren wollte. Ebenso wie Caiden. Mir kam der Gedanke, dass das ein neuer Trend bei Männern unterschiedlichsten Alters zu sein könnte. Zu meinem Glück hatte ich etwas Erfahrung in den letzten Tagen sammeln können, wie man mit eben solchen umgehen musste. Daher hatte ich Charlie in meinen ersten Sätzen an ihn direkt erklärt, was genau ich über ihn schreiben wollte, seine Identität dabei aber unbekannt bleiben würde. Sein Gesichtsausdruck, als ich nicht nur gesprochen, sondern parallel die Worte in Gebärdensprache geformt habe, muss meinem sehr ähnlich gewesen sein. Denn nachdem ich mit meinen Erklärungen fertig war, haben wir uns einen Moment angesehen und sind dann in Gelächter ausgebrochen.

Danach war das Eis gebrochen und es stellte sich heraus, dass Charlie ein wirklich sehr netter Mann war. Er vertraute mir seinen Vornamen an, damit ich ihn während unseres Gesprächs ansprechen konnte. Außerdem erzählte er mir, dass er eine Ehefrau und einen erwachsenen Sohn hat. Tatsächlich war seine Frau taubstumm. Sein Sohn hingegeben war kerngesund.

Die Liebe und der Stolz in seinen Augen, während er über seine Familie sprach, waren nicht zu übersehen und es hatte mein Herz gewärmt. Wer auch immer der Glückliche war, der einen Vater wie Charlie hatte, musste auch das Glück gehabt haben, eine warmherzige Mutter zu haben. Eine andere Frau konnte ich mir an Charlies Seite nicht vorstellen.

Natürlich hatten sie ihre schweren Zeiten gehabt. So erzählte mir Charlie von den Hänseleien, dass er früher ertragen musste und vom Mobbing gegenüber seinem Sohn. Er erklärte mir, mit welchen Vorurteilen taube und stumme Menschen im täglichen Leben zu kämpfen hatten. Deswegen hatte sich immer sehr schnell eine Routine in Charlies Leben eingespielt. Auch wenn er gerne spontan war, haperte es doch meist an der Kommunikation mit Fremden.

Vieles davon war mir durch Victoria nur allzu bekannt. Ich hatte aus erster Hand miterlebt, wie fies Kinder und Erwachsene sein konnten, nur weil jemand ein Handicap hatte. Das hatte ich Charlie gegenüber aber nicht erwähnt, da es allein um seine Geschichte gehen sollte. Natürlich hatte er mich gefragt, weshalb ich die Gebärdensprache beherrschte, aber meine Erklärungen waren oberflächlich gewesen, gerade da es im Grunde mehr Victorias Geschichte, als meine eigene war. Charlie hatte das verstanden und war nicht noch einmal darauf zu sprechen gekommen.

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