Kapitel 19 - Caiden

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Kopfschüttelnd ließ ich mich nach hinten auf mein Sofa sinken und starrte an die weiße Decke. Meine Sekretärin hatte Amandas Anruf zu mir nach Hause durchgestellt und ich war kurz versucht gewesen, ihr zu sagen, dass ich beschäftigt sei, aber ich hatte das Interview nur einfach hinter mich bringen wollen. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen. Ich hatte es mal wieder vollkommen vermasselt und Amanda? Sie hatte von Anfang an gemerkt, dass ich nicht in der richtigen Stimmung war. Sie immerhin war so professionell gewesen und hatte sich freundlich und höflich benommen. Und als wäre das nicht genug, hat sie keine der offensichtlichen Fragen gestellt. Warum sind Sie und nicht Maximilian Murphy Vorsitzender? Wieso haben Sie so eine große Vorstellungsfeier gegeben? Wie gedenken Sie, die Versprechen Ihrer letzten Rede zu halten? Amanda hatte wirklich alle möglichen Fragen gestellt, aber keine davon hatte etwas Kritisches an sich gehabt. Es war, als wollte sie wirklich mit dem Artikel der Stiftung helfen. Und das, obwohl ich sie mal wieder beleidigt hatte. Scheinbar standen Caiden und Amanda unter keinem guten Stern. Aber das war auch kein Wunder, wenn man bedachte, auf welch plumpe Art ich versucht hatte, etwas mehr über Amanda zu erfahren. Es musste doch...

Kurzentschlossen schnappte ich mir mein privates Handy und öffnete das Chatfenster. Ehe ich es mir anders überlegen konnte, tippte ich eine Nachricht an Amanda. Wenn ich mich schon wie ein Arschloch am Telefon benommen hatte, konnte ich jetzt wenigstens versuchen ein wenig Wiedergutmachung zu leisten und die Wogen vielleicht etwas zu glätten.

Aden: Hallo Amanda, wie geht es Ihnen? Hatten Sie schon Ideen für neue Artikel?

Ich fand, das klang nicht ganz so offensichtlich. Aber wenn sie reden wollte, hatte ich ihr damit die Gelegenheit gegeben, sich bei mir über... na ja, über mich selbst zu beschweren. So könnte ich herausfinden, ob ich sie verletzt hatte oder Amanda meine Tiefschläge nicht persönlich genommen hatte. Ich schüttelte den Kopf, war aber gleichzeitig etwas amüsiert, wenn ich darüber nachdachte, was hier gerade überhaupt passierte. Mein Handy vibrierte. Ich war im ersten Moment erleichtert. Als ich mir Amandas Nachricht jedoch durchlas, sackte mir das Herz  ein wenig in die Hose.

Amanda: Tut mir leid, Aden. Aber ich hatte gerade kein wirklich erfreuliches Telefonat. Ich muss mich erst einmal abreagieren und etwas laufen gehen. Ich melde mich danach.

Ich konnte die Chance nicht verstreichen lassen. Amanda schien auch gern zu laufen. Da konnte ich doch perfekt anknüpfen.

Aden: Das klingt nicht gut. Möchten Sie, dass wir gemeinsam joggen gehen? Ich habe meine Laufrunde heute früh ausfallen lassen und hätte Zeit.

Amanda: Ich weiß nicht, wo sind Sie denn? Ich wollte heute mal im Battersea Park laufen.

Ich blinzelte überrascht, musste dann aber grinsen. Das Schicksal schien es doch gut mit mir zu meinen.

Aden: Das ist genau derselbe Park, in dem ich immer laufen gehe. Ich kann in 20 Minuten vor dem Pear Tree Café sein, wenn Sie das kennen?

Amanda: Ja, das ist keine 5 Minuten von mir entfernt. Ich werde da auf Sie warten.

Hastig sprang ich von meinem Sofa auf und lief hoch ins Schlafzimmer, um mich umzuziehen. Wenn ich in 20 Minuten wirklich vor dem Café stehen wollte, musste ich den Weg zum Park hin auch schon im Laufschritt zurücklegen. Im Stillen dankte ich meiner jahrelang antrainierten Ausdauer und tauschte die schwarze Pyjamahose gegen eine Trainingshose und zog mir ein einfaches weißes T-Shirt an. Routiniert löste ich meinen Hausschlüssel vom Schlüsselbund, steckte ihn in die Hosentasche, trank noch einen großen Schluck Wasser in der Küche und schnappte mir auf dem Weg nach draußen noch ein paar Scheine, die ich in die andere Hosentasche steckte.

Auf dem Weg zum Café dachte ich kurz darüber nach, dass Amanda im Grunde einfach nur auf der anderen Seite der Themse wohnte. Der Gedanke gefiel mir, wobei das eigentlich nicht mehr als eine Erkenntnis sein sollte, dass sie in Lambeth und nicht irgendwo in Barnet oder Hillingdon lebte. Fast schon aufgeregt joggte ich zum Park und durchquerte ein gutes Stück, bis ich das Café sah. Ich wechselte in einen gemütlichen Gang und betrachtete die Leute vor dem Café genauer. Amanda konnte ich jedoch nicht ausmachen. Nur noch ein paar Meter vor den Tischen am Eingangsbereich entfernt, hörte ich jemand nach Aden rufen. Automatisch blieb ich stehen. Im nächsten Moment bückte ich mich jedoch hastig, da mir wieder einfiel, dass ich den Ruf gar nicht hätte hören können. Darum versuchte ich das einfach zu überspielen und band die Schleife an meinem rechten Schuh neu. Ich atmete ein paar Mal durch und versuchte mich gedanklich wieder in die Rolle des tauben Mannes zu begeben, ehe ich mich wiederaufrichtete.

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