Prolog

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     Der kalte Wind des verblassenden Winters fegte über meine Haut. Bibbernd schlang ich die Arme um mich und lief durch den dunklen Wald. Die dichten Wolken schienen jedem hellen Lichtstrahl den Weg zu verweigern. Im Wald war es noch kälter als außerhalb. Unsicher sah ich mich um. Die Erzählungen meiner Mutter hatten mich nicht locker gelassen. Meine noch kleinen Füße trugen mich über das nasse Laub am Boden.
      Hinter mir knackten ein Ast und ich zuckte zusammen. Nervös sah ich mich um. Ich wusste, dass die Bewohner des Dorfes es nicht gerne sahen, wenn kleine Kinder zur unsichtbaren Mauer liefen. Doch es war mir egal. Ich wollte um jeden Preis erfahren, ob ich durch diese Mauer gehen konnte. Meine Mutter hatte gesagt, dass es bis jetzt noch keiner geschafft hatte.
Ich war der Überzeugung, dass ich es schaffen konnte. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich glaubte, mir gleich vor Angst in die Hose zu machen. Das sagte meine Mutter jedenfalls immer. Meine Knie schlotterten vor Angst, doch ich lief weiter. Nervös kaute ich an meiner Unterlippe herum. Vor mir erstreckte sich nichts als Wald.
      Endloser Wald. Wenn ich den Geschichten der Älteren Glauben schenken sollte, wohnten hier Wölfe, Fuchse, Hirsche und noch viele andere Tiere. Doch davon sah ich und hörte ich nichts. Es war, als wären sie alle weg. Hinter dem Wald verbargen sich die Berge. Die Berge, die uns von den Drachen trennten. Sie dienten ebenfalls als Mauer.
      Wie ich mir hatte sagen lassen. Was aber nicht bedeutete, dass man bis in die Berge laufen musste, um Drachen zu finden. Das erzählten jedenfalls die Diener an unserem Hofe. Obwohl wir den Drachen böses getan hatten, ließen sie zu, dass wir es uns gut gehen lassen konnten. Das war eine super nette Geste von ihnen. Wirklich.
      Als ich ein erneutes Knacken hinter mir hörte, presste ich meinen Teddybären fester an mich heran. »Keine Angst, Teddy. Ich beschütze dich und du mich. Wie immer.« Unsicher lief ich weiter, während der kalte Wind den Baumkronen heulte. Ich sollte nicht weitergehen. Das wusste ich. Dennoch tat ich es. Die Drachen waren nett zu uns. Na ja, außer dass sie uns ausschlossen. Aber sie waren netter, als wir es verdienten, nach all der Zeit.
      Was war dabei, wenn ich mich bedankte? Das war ja wohl keine böse Absicht. Grübelnd lief ich weiter, während die Geräusche des Waldes mir langsam doch Angst machten. Da ich aber meinen Teddy hatte, konnte mir nichts passieren. In dem Moment schimmerte etwas Rotes zwischen dem ganzen Grün hervor und erweckte meine Aufmerksamkeit.
      Eilig und neugierig lief ich in die Richtung der roten Farbe. Ein Keuchen entwich, mir als ich den Wald verließ und mir klar wurde, wie weit ich gelaufen war. Erst jetzt fiel mir der komische Schmerz in meinen Beinen auf, doch das störte mich nicht.
      Da vor mir lag ein Drache auf dem Boden und wirkte traurig. Sein riesiger Kopf, der sicher so groß wie mein Körper war, lag auf seinen großen Pranken. Seine Augen wirkten leblos, dennoch blinzelte er. Leise tapste ich auf ihn zu. Die Grenze war in den Bergen. Ich musste also keine Angst haben. Der Drache spitzte die Ohren und sah mich aus seinen großen, bernsteinfarbenen Augen an. Schluckend presste ich Teddy an mich.
      Das Herz schlug mir bis zum Hals. Dennoch lief ich weiter auf ihn zu. Der Drache hob den Kopf und sah mich wütend an. Doch da war nichts Angriffslustiges in seinem Blick und er rührte sich auch nicht weiter. Sah mich nur an. Meine Knie schlotterten, als ich auf ihn zulief. Er war riesig. Riesiger, als ich von den Erzählungen her hätte erahnen können.
      Mit seiner Pranke könnte er meinen ganzen Körper umschlingen, wenn er wollte. Na ja, fast meinen ganzen Körper. »Hey... du«, sagte ich leise, als ich den rotschimmernden Drachen erreichte. Stumm musterte der Drache mich. Wortlos streckte ich ihm meinen Teddy hin. Erst musterte das magische Wesen mich, dann meinen Teddybären.
      »Weißt du, Teddy hilft mir immer, wenn ich traurig bin. Er ist ein guter Zuhörer und trösten einen immer, wo er kann«, sagte ich. Er musste Teddy lieben. Vielleicht konnte er ihn so lieben, wie ich ihn und vielleicht konnte Teddy ihn ja trösten. Erst hatte ich Angst, dass er ihn nicht nehmen würde. Mit beiden Armen streckte ich ihm meinen Teddy hin.
      Schließlich nahm er ihn sanft mit zwei Krallen und ließ ihn geschickt in seine große Pranke fallen. Lächelnd sah ich ihn an. »Sei nicht mehr traurig. Teddy wird dich trösten«, sagte ich, wank ihm zu und lief dann nach Hause. Zwar hatte ich nun keinen Begleiter mehr, aber dafür hatte er jemanden, der ihn trösten konnte.

Dragon Heart ✔Where stories live. Discover now