5. Franz kann's

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Happy Wednesdaaay!

Na, habt ihr schon das Video mit Kai Pflaume gesehen? Finde beide darin ja wirklich sehr sympathisch, und Schrebergartenvereinsvorsitzender Monte ist auch gleich am Anfang seinen Verpflichtungen zur Instandhaltung der städtischen Grünflächen nachgekommen :D

Aber im Ernst, ist gut geworden, finde ich. Und es ist beeindruckend, wie offen und selbstreflektiert Herr Black über seine Vergangenheit spricht. Da hat er sich ein neues Kapitel verdient ;)

<3

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„But when the sun went down, the rapid tempo of the music fell - "C'est la vie", say the old folks, it goes to show you never can tell"

Chuck Berry – You never can tell


„Ich hab ja kurz Schiss gehabt, dass du nicht mitkommst."

Ich seufzte. Es war nicht so, dass es mich eine riesige Überwindung gekostet hätte, aber ich war mir sicher, dass ich diesen Samstagmittag angenehmer verbringen könnte. Pünktlich wie die Maurer war Marcel um kurz vor zehn im Laden erschienen, hatte wie angekündigt zwei Krimis gekauft und war dann so lange durch die Gänge gestreift, bis Birgit mich in den hinteren Räumen streng aufgefordert hatte, ihn nicht noch länger warten zu lassen. Also hatte ich aufgehört zu trödeln, und war lustlos in den offenen Verkaufsbereich getrottet. Marcel war mir nach wie vor nicht direkt unsympathisch aber ich konnte ihn nicht richtig einordnen und konnte auch immer noch nicht klar sagen, ob ich ihn nun unangenehm aufdringlich fand, oder ob ich vielleicht einfach nicht so zugeknöpft sein sollte.

„Ich hab kurz mit dem Gedanken gespielt, durchs Klofenster abzuhauen. Aber um dich loszuwerden, muss ich mir wohl die Haare schwarz färben und nach Mexiko auswandern, oder?", fragte ich zurück, während wir in Richtung des Altstadtcafés schlenderten.

Marcel warf mir unter seiner heutigen schwarzen Cap einen beleidigten Blick zu, doch als er mein angedeutetes Lächeln sah, verdrehte er die Augen.

„Ich bin nur wegen den Büchern gekommen.", gab er zurück und schwenkte die Stofftasche, in der Krimis von Henning Mankell und Charlotte Link verstaut waren.

„Wegen der Bücher.", korrigierte ich in reflexartig, aber Marcel schüttelte nur den Kopf. „Für wen kaufst du die denn nun wirklich?", fragte ich, während wir in das Café traten.

„Omi. Die hat mir auch das Ende von dem Hundebuch verraten. Machts dir was aus, wenn wir das Zeug mitnehmen und unterwegs essen?"

„Hundebuch.", wiederholte ich augenrollend. „Du bist mir vielleicht ein Literat. Und von mir aus können wir spazieren gehen, wenn du keine Angst hast, dass ich dir davonlaufe..?"

Marcel lachte leise, doch da fragte uns die Bedienung hinter der Theke schon nach unseren Wünschen und Marcel orderte vier Franzbrötchen. Es war gemütlich in dem kleinen Gastraum, etwas in die Jahre gekommen, die Möbel waren nicht mehr die neuesten, aber alles strahlte Wärme aus und lud eigentlich ein, sich zu setzen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Schade, dachte ich, in meinem Job stand ich naturgemäß viel und war eigentlich immer froh, wenn ich mal die Füße hochlegen konnte.

„...leider nicht, dann habe ich gar kein Wechselgeld mehr, und gerade ist Hochbetrieb, da kann ich nicht zur Bank. Haben Sie's denn gar nicht kleiner?"

Mein Blick wanderte von den kleinen Tischen zurück zur Theke, wo Marcel gerade die Taschen seiner Jogginghose nach Kleingeld abzusuchen schien. Auf dem Tresen lag ein grüner Schein.

„Mit einem Hunderter? Vier Franzbrötchen?!", fragte ich fassungslos und schob ihn dann ein Stück zur Seite. „Hier, fünf Euro, das stimmt so." Ich schob der Bedienung den kleinen Schein rüber und nahm die Tüte mit dem noch warmen Gebäck entgegen. Das fing ja schon gut an.

„Äh...das fängt ja nicht so gut an.", sprach Marcel aus, was ich dachte, und nun musste ich doch grinsen. Ziemlich bedröppelt war er mir nach draußen gefolgt und rückte nun verlegen seine Kappe zurecht.

„Mit einem Hunderteuroschein in einem Café zahlen wollen ist aber auch sehr optimistisch.", gab ich zurück und hielt ihm dann die geöffnete Tüte hin, damit er sich bedienen konnte. Der Geruch von Hefe und Zimt breitete sich aus und kurz dankte ich Birgit im Stillen für den Tipp.

„Ich dachte, ich hätte noch was klein.", antwortete Marcel mit vollem Mund. „Digga, die sind richtig nice!"

Meine Zustimmung beschränkte sich auf ein Nicken, weil auch ich gerade einen Bissen genommen hatte und ihm Recht geben musste. Die Dinger waren verdammt lecker.

„Willst du jetzt eigentlich jede Woche neue Bücher für deine Oma holen?", fragte ich schließlich und rieb mir die Finger an meiner Jeans sauber. Sie klebten etwas.

Wir schlenderten durch den Ortskern, vorbei am Marktplatz und der Kirche und, das wurde mir erst später klar, in Richtung meiner Wohnung.

„Kommt drauf an, ob du mir endlich deine Nummer gibst.", sagte er ungerührt, aber er grinste dabei frech wie ein Schuljunge.

Ich lachte einmal auf, ungläubig, denn irgendwie war ich mir immer noch nicht sicher, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte, oder verfolgt.

„Du spinnst, echt."

„Vielleicht ist das so." Marcel wackelte mit den Augenbrauen und  ich schüttelte den Kopf. „Aber im Ernst, ich mag euern Laden. War früher immer mit meiner Mama in der Stadtbibliothek, die hat da gearbeitet, und dann hab ich mich immer in die Kinderecke gesetzt und Comics gelesen und so. War ne gute Zeit."

„Und warum hast du aufgehört zu lesen?", fragte ich neugierig.

„Hab andere Hobbys gehabt irgendwann. Skaten, bisschen Graffiti, mit den Jungs chillen, wie das so ist als Jugendlicher." Er zuckte mit den Schultern.

„Schade, du verpasst was. Frag mal deine Oma."

Marcel lächelte und wir gingen ein paar Schritte schweigend nebeneinander her. Er schwenkte gedankenverloren die Büchertasche, bis ich ihm noch einmal die Tüte mit den restlichen Franzbrötchen unter die Nase hielt.

„Warum heißen die eigentlich so?", fragte er, als er sich bedient hatte und das Plunderteil dann nachdenklich von allen Seiten musterte, als erwartete er einen Beipackzettel.

„Man sagt, dass ein französischer Bäcker es irgendwann vor dreihundert Jahren oder so in Hamburg erfunden hat.", klärte ich ihn auf, sah mir das Gebäck dann aber ebenfalls etwas genauer an, bevor ich hineinbiss.

„Ich hätte gedacht, irgendein Bäckerjunge, der Franz hieß, wäre irgendwie Zimt in den Teig von nem normalen Brötchen gefallen oder so. Normalerweise werden so Sachen doch immer zufällig erfunden."

„Vielleicht wars ne Mischung.", gab ich schulterzuckend zurück. „Vielleicht wars ein französischer Bäckerlehrling in Hamburg namens Franz?"

„Dann kann man auf jeden Fall sagen: Franz kann's!"

Er grinste, sichtlich stolz auf sein lyrisches Meisterwerk, hielt dann aber verwirrt inne, als ich stehen blieb.

„Tja, Goethe, hier wohne ich. Ich würde ja sagen Danke für die Einladung, aber..." Ich kniff die Augen ein wenig zusammen.

„Schon gut, ich habs verkackt, ist klar. Aber du weißt schon, was das bedeutet?" Fragend sah ich ihn an. „Wir müssen uns noch mal treffen.", stellte Marcel verschmitzt grinsend fest.

„Du bist ein Fuchs.", sagte ich, während ich meinen Schlüssel hervorholte. „Aber erst, wenn deine Oma die Krimis gelesen hat."

Ich war mindestens so überrascht wie Marcel über diese Antwort, die ich, ohne darüber nachzudenken, ausgesprochen hatte.

„Deal.", sagte der nur, und während ich mein Wohnhaus betrat und noch einmal kurz zurück sah, sah ich ihn immer noch dort stehen, an dem kleinen Plattenweg, der zur Haustür führte, wie er sich grinsend eine Zigarette zwischen die Lippen schob.

Ein Fuchs. Das war er wirklich.

A whole new Level (MontanaBlack)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt