Vor zwei Wochen

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Erschrocken hielt ich inne, als ich die frustrierten Schreie vernahm. Sie klangen so schmerzerfüllt, dass mein Herz begann zu rasen und ich schnell zur Quelle eilte. Da ich heute Schlüsseldienst hatte, war ich der letzte der unseren Übungsraum verließ. Ich hatte mich noch ein wenig gedehnt, bis ich kalt war, weswegen ich jetzt der Letzte war. Naja eigentlich sein sollte. Die Schreie kamen aus dem Hip-Hop-Raum, doch bevor ich diesen betrat schaute ich automatisch durchs Fenster.

In dem Raum saß Hoseok auf dem Boden. Weinte, wälzte sich hin und her und trommelte auf dem Boden. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich hatte ihn vor allem noch nie auf diese Art weinen sehen. Noch nie so frustriert. Was wohl der Grund dafür war? Ich wollte gerade die Tür weiter aufstoßen, als er wieder begann zu schreien. Diesmal aber zeigte sich seine Wut deutlich. Erschrocken zuckte ich zusammen, als er seinen Schuh gegen die Glasscheibe geworfen hatte.

Von innen hatte er nicht sehen können, dass ich hier stand, jedoch war ich mir jetzt nicht so sicher, ob es eine gute Idee sei zu ihm rein zu gehen. Wenn man schon mit Dingen um sich schmiss, musste man sehr wütend sein und den Frust ablassen. Das kannte ich von mir selber und dabei war es immer am besten wenn kein Außenstehender dazwischen geriet. Plötzlich flog der zweite Schuh donnernd gegen die Scheibe, doch diesmal hatte ich es kommen sehen.

Vielleicht munterte ihn ja ein bisschen Schokolade auf? „Du bist ein Arschloch!", schrie er und meine Aufmerksamkeit war augenblicklich wieder bei ihm. Er stand nun vorm Spiegel, hatte beide Hände dagegen gestemmt und schrie sich selber ins Gesicht. „Wie kannst du nur so bescheuert sein!", machte er weiter und haute einmal auf den armen Spiegel ein. „Wie kannst du nur glauben, dass du irgendwann berühmter Tänzer wirst?! So schlecht wie du bist, wird dich nicht mal ne Uni nehmen!"

Mir wurde unwohl zumute. Was war das? Warum hatte ich das Gefühl gerade die Privatsphäre zu verletzten, aber konnte auf der anderen Seite nicht anders als erschrocken über solche Sätze zu sein und konnte mich nicht regen. Sah Hoseok das wirklich so? Sah er sich selbst wirklich so schlecht? Oder wollte er sich damit einfach nur weiter motivieren? Auch wenn der Grund unlogisch war, hoffte ich dass es der zweite war. Denn der Ältere tanzte alles andere als schlecht. In meinen Augen tanzte er fantastisch und ich könnte ihm Stunden dabei zuschauen wie er tanzte. Das tolle an seinem Tanz war wohl, wie er dabei ausschaute.

Doch mit dem Gesichtsausdruck, den er die letzte Zeit gehabt hatte, erreichte er seine damalige Ausstrahlung nie. Es war völlig verschieden. Musik erklang und ich schaute dabei zu wie er wieder mal begann von vorne das Lied zu tanzen. Immer und immer wieder. Zwischendrin schrie er wieder, brüllte sich seine Unfähigkeit zu und ich? Ich stand einfach hier schaute ihm dabei zu und wusste nicht was ich tun sollte. Bis mir die Schokolade wieder einfiel. Schnell hatte ich das restliche Stück aus meiner Tasche gekramt, schrieb einen Zettel mit der Aufschrift „Für Hoseok" und schob beides dann ganz vorsichtig durch den Türspalt.

Es würde wohl dauern bis Hoseok überhaupt bemerkte, dass sich etwas Neues im Raum befand, weswegen ich nur leicht nickte, meine Tat somit gut hieß und mich auf den weg machte das Gebäude zu verlassen. In meinen Ohren hallte das Lied welches er abgespielt hatte wieder. Immer und immer wieder spielte es in meinem Kopf. Doch es war nicht der Ohrwurm der mich so dermaßen Störte, nein sondern das Lied an sich selbst. Etwas stimmte wirklich ganz und gar nicht mit ihm, denn das Lied viel definitiv nicht in den Bereich Hoseok.

Hoseok wählte seine Lieder immer mit bedacht, erzählte mit ihnen normalerweise Geschichten und das obwohl er Hip-Hop tanzte. Oftmals hatte ich mich in seinen Choreografien verloren, war eingetaucht in das was er als erzählende Person gefühlt hatte. Selbst Namjoon hatte zugeben müssen das Hoseok eine Ausstrahlung beim Tanzen hatte die nur wenige besaßen.

Noch konnte ich nicht genau das benennen was mich am meisten störte, wo der verdammte Haken an der Ausstrahlung war. Denn jetzt hatte er sie wie gesagt definitiv nicht mehr. Das einzige das er Ausstrahlte war Aggression. Das sogar so sehr, das Jungkook mir erzählte, dass er sich jetzt nicht mehr traute den Älteren anzusprechen und die anderen in ihrem Kurs noch weniger gut auf ihn zu sprechen waren, wie sonst. „Ich hasse dich du verdammtes Arschloch!", hörte ich ihn schreien und zuckte zusammen, da ich nicht erwartet hatte, dass er noch mal schrie.

Hoffentlich würde er sich Morgen beruhigt haben. Ich wollte ihn gerne fragen was los war. Wollte wissen, wo der Hoseok hin war, dem ich so gerne zuschaute. Der der mir so wichtig war. Traurig darüber, dass er so aus den Fugen war. Ich vermisste ihn. Auch wenn ich ihn eigentlich gar nicht kannte, vermisste ich den Hoseok der lachte. Ich seufzte auf.

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