22. Mai. 2010

53 12 3
                                    

Liebes Tagebuch,
Heute ist Samstag und du weißt was das bedeutet.
Heute ist der große Tag an dem ich Mama wieder sehen kann und das nach fast 8 Monaten Trennung.
8 Monate ist es her seit dem ich Mama das letzte mal gesehen habe. Das ist eine so lange Zeit Tagebuch
Ich warte schon die ganze Zeit ungeduldig in meinem Zimmer. Luana hat gesagt das sie nochmal kurz in die Praxis muss um irgendeinen Papierkram zu erledigen
Sie hatte gesagt das sie sich beeilt und wir dann sofort losfahren aber sie braucht solange.
Ich hab mich extra schon angezogen und obwohl es noch relativ kalt war hatte ich ein Kleid an.
Mama liebte es mich in Kleidern zu sehen.
Ich konnte mich vorhin einfach nicht entscheiden ob icj lieber das Hellblaue oder das gelbe Kleid anziehen sollte.
Beide waren schön und würden Mama sicher gefallen. Ich hab mich für das blaue entschieden, habe aber sicherheitshalber das andere noch eingepackt falls ich mich nochmal um Entscheide.
Außerdem habe ich das Amulett um welches mir Mama zum Geburtstag geschenkt hatte und welches ich auch seit dem nicht mehr abgenommen hatte.
Sie hat gesagt das wird mir helfen diese Zeit zu überstehen…
Tagebuch Luana ruft nach mir wir wollen jetzt los.
Ich melde mich heute Abend nochmal wenn wir wieder zuhause sind.
Bis später…

Tagebuch wird sind gerade wieder angekommen.
Die Klinik war weiter weg als ich gedacht hatte wir sind eine gefühlte Ewigkeit gefahren. Zumindest kam es mir so vor weil ich unbedingt zu Mama wollte.
Als wir dann endlich da waren hat es nochmal mindestens genau so lange gedauert bis wir überhaupt hinein gelassen würden.
Alles war zugesperrt und glich mehr einen Gefängnis als einem Krankenhaus.
Es war unmöglich sich dort ohne einen Mitarbeiter frei zu bewegen.
Man musste durch zwei Türen hindurch bevor man überhaupt richtig drin war und erst dort glich es einem Krankenhaus und dort konnte man auch rumlaufen ohne das einem ständig eine Tür in die Quere kam.
Es gab dort auch eine Terrasse mit einem anliegenden Garten aber der war mit einem hohem Zaum abgesperrt und an jedem Fenster waren Gitter damit hier niemand raus kam.
Also doch ein Gefängnis.
Luana hat gesagt ich soll mich von dem Eindruck hier nicht täuschen lassen. Das das alles zur Sicherheit der Patienten ist und das es vielen dabei hilft sich hier sicher zu fühlen gerade bei Leuten die an Angstzuständen leiden.
Irgendwann kam eine Frau zu ums und löste den Mann der uns rein gelassen hatte ab.
Sie sagte das sie die betreuende Ärztin von Mama sei und stellte sich als Josi vor.
Sie hat uns in eine Art Büro geführt und während Luana viel Papierkram ausfüllen musste hat sie sich mit mir unterhalten.
Sie hat mir zuerst die Standardfragen gestellt.
Name, Alter, Klasse, Hobbys und so weiter.
Dann hat sie mich gefragt wie ich die Krankheit von Mama wahrgenommen habe und wie ich damit umgegangen bin.
Ich hab ihr von den Gewitterwolken und den Regenschirmen erzählt und sie hat gesagt das sie das süß findet.
Was ist süß daran das Mama krank ist?
Luana hat später gesagt das sie meine Erklärung süß fand und nicht Mamas Krankheit.
Sie hat mich gefragt wie es mir damit ging die ganze Zeit.
Tagebuch mir geht das alles auf die Nerven. Ich wollte doch nur zu Mama und sie fragte mich hier tausend Sachen.
Wie ging es mir währenddessen.
Ich weiß nicht ob mich das überhaupt schon mal jemand gefragt hat. Bis jetzt hieß es immer nur. Wie ging es deiner Mama? Wie hat sie sich verändert?  Und was hast du getan?
Ich hab Josi gefragt warum das wichtig ist. Wenn es doch um Mama geht und nicht im mich und sie hat etwas gesagt was mich zum Nachdenken gebracht hat .
„Depressionen betreffen die ganze Familie auch wenn nur ein Mitglied daran erkrankt ist. Die anderen Familienmitglieder leiden oft genau so viel oder schlimmer darunter als die Betroffenen und das gerade wenn man noch so klein ist wie du", sagte sie.
Tagebuch das ist das erste mal das ich nicht das Gefühl habe mich schlecht fühlen zu müssen, weil ich mich schlecht fühle, weil es Mama schlecht geht.
Sie hat die Frage nochmal gestellt.
Es ging mir nicht gut. Ich war verloren in der Krankheit meiner Mutter. Im hab im Schatten der Wolken gelebt Tagebuch.
Und dort gab es nur Angst, Verzweiflung, Trauer und wenig Hoffnung auf besser Zeiten.
Dann hat Josi gefragt wie es mir jetzt geht. Jetzt acht Monate später.
Es geht mir gut Tagebuch.
Ich habe Freunde bin wieder besser in der Schule geworden und es ging Hoffnung darauf das ich bald wieder mit Mama zusammen leben kann.
Es geht mir fantastisch!
Josi hat gesagt auch wenn ich das vielleicht nicht verstehen kann hat es mir mehr als gut getan nicht bei Mama zu bleiben.
Sie hat gesagt das die Depressionen anderer auch bei den Familienmitgliedern Spuren hinterlassen können und das ich froh sein kann das ich für den Übergang in eine so tolle Familie gekommen bin.
Ich bin auch froh darüber aber trotzdem wollte ich Mama sehen, Tagebuch.
Josi hat gesagt das sie gleich mit mir gemeinsam zu Mama geht und das Luana erstmal hier warten muss.
Sie hat gesagt das sie bei mir bleibt damit sie eingreifen kann falls es mir oder Mama zu viel wird und dann sind wir zu Mama ins Zimmer gegangen.
Sie saß auf ihrem Bett und hat mich sofort angesehen.
Sie sah so anders aus Tagebuch.
So dünn, so Kraftlos.
Aber es war etwas in ihrem Gesicht was ich vermisst habe.
Ihr Lächeln. Sie hat gestrahlt Tagebuch.
Sie hat mich in den Arm genommen und hat gesagt das sie mich sehr vermisst hat.
Sie hat gesagt ich wäre groß geworden.
Wir haben uns unterhalten.
Darüber wie es ihr und mir geht.
Ich hab ihn von Muckine erzählt und von der Schule.
Ich hab ihr gesagt das ich jetzt immer besser werde und Mama hat gesagt das sie stolz auf mich ist.
Sie hat gesagt wie schön das Kleid ist das ich trage und das sie es toll findet das ich das Amulett noch trage.
Wir haben noch eine Weile geredet dann wurden wir von Josi unterbrochen.
Sie hat gesagt das das für erste reichen muss und ich hab mich mit einer langen Umarmung von Mama verabschiedet.
Ich habe ihr Mucki da gelassen. Ich hab zu ihr gesagt das er jetzt darauf aufpasst das die Regenwolken nicht wieder kommen und Mama hat gesagt das sie gut auf ihn aufpasst.
Dann bin ich mit Josi mitgegangen.
Sie hat gesagt das Mama der Besuch heute wieder vor Augen geführt hat das sei kämpfen muss. Und sie hat gesagt das Mama wenn sie sich weiter so gut macht bald wieder hier raus kann und wir dann wieder zusammen in unser Haus können.
Tagebuch heute ist ein wundervoller Tag.
Jetzt geht es nur noch Bergauf!


Mama hat ihren Regenschirm verloren - Wie Depressionen eine Familie verändernWhere stories live. Discover now