7. Kapitel

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Es war noch sehr früh, als sich April eine letzte Schicht Puder auf ihre Wangen tupfte. Sie war aufgeregt und freute sich ihrem Ziel wieder ein gewaltiges Stück näher zu kommen. Torio musste sich praktisch von ihr umsorgen lassen. Wenn beide Roboter Gehilfen beim Services waren, würde sie die Chance nutzen.
In eine dicke Wolke von ihrem teuersten Parfum gehüllt, stieg sie in ein kleines E Auto und gab die Adresse ein. Alles andere sollte sie nicht mehr interessieren, das Taxi fuhr mit Autopilot und die blonde Amerikanerin lächelte verführerisch in den Rückspiegel.
„Ich hole dich aus deinem Schneckenhaus, mein Lieber. Du bist schließlich ein Mann wie jeder andere."

Unter seiner Tarnhaut war Hichan für das menschliche Auge unsichtbar, lediglich einige wenige von ihnen spürten die Anwesenheit, dachten dabei aber eher an Geister oder geliebte Verstorbene, die um sie herumschwirrten.
Nun stand er vor der gläsernen Terrassentüre und versuchte durch den dünnen Vorhang zu spähen. Da war niemand auf dem riesigen Bett, nur unordentliche Bettlaken und ... Krücken? Leicht verwirrt schlüpfte er durch den Türspalt und durchquerte den Raum. Es roch sehr männlich befand er und wunderte sich über die Kleidungsstücke, die überallherumlagen. Hemden, Hosen, Trägershirts und ... Boxers? War er hier richtig? Im Gang befand sich ebenfalls niemand, darum lugte er in jedes Zimmer. Fündig wurde er erst in einem großen Raum mit einer langen hohen Glasfront, durch die man in das Weltall blicken konnte.
„Blond und groß, okay aber, das ist ein ... Mann?" Im selben Moment vernahm der Rotschopf ein Sperren an der Haustüre. Erwartungsvoll huschte er wieder in den breiten Gang und staunte nicht schlecht über sein Gegenüber.
Eine recht großgewachsene Frau trat ein und schlüpfte aus ihren hochhackigen Schuhen. Die blonden leicht gelockten Haare warf sie zur Seite und rief mit einer zuckersüßen Stimme:
„Torio? Ich hab Frühstück für uns. Wo bist du?" Sie ging schnurstracks auf den getarnten Alien zu, der wie gebannt auf ihre Oberweite starrte. In letzter Sekunde konnte er noch zur Seite springen, sein Staunen lähmte anscheinend seine Reaktionsfähigkeit.
'Das ... oh shit, Mori ... ist wahrlich ein Grund heiß zu werden.' Neugierig folgte er ihr. War der Typ im Glashaus vielleicht ihr ...? Jetzt bemerkte Hichan auch einige ungewöhnliche Dinge in der gesamten Wohnung, die in nachdenklich stimmten. Barrierefrei würde man sagen, keine Stufen, überall Haltegriffe und einige Küchenteile und Geräte in einer Höhe angebaut, dass man sie sitzend bedienen bzw benutzen konnte. Die volle Auflösung dieses Rätsels bekam er von dem Mann, der im Rollstuhl den Gang entlangkam.
'Nicht gut, ... gar nicht gut. Ich hoffe es ist ihr Bruder. Ansonsten sehe ich schwarz.' Abwartend stellte er sich in einen Winkel und beobachtete die beiden Menschen genau. Von zärtlicher Liebe konnte man aber vom ersten Augenblick nichts erkennen. Das Männlein war mürrisch und schlecht gelaunt, das Weiblein aber übertrieben freundlich und ihr Blick, der immer wieder auf den Schoß des Blonden fiel, eindeutig. Ihr Blutsverwandter war er definitiv nicht.
'Ach du Scheiße, das Ganze wird schwieriger als gedacht.'

Nach etlichen Stunden der „Überwachung" entschied Moris Bruder erst mal gründlich zu überlegen bevor er mit der schlechten Nachricht zurückkehren wollte. Auch wenn die Auserwählte ganz offensichtlich Interesse an diesem Menschen hatte, war es unverantwortlich in einen nicht ganz in Takten Körper zu schlüpfen. Es würde nicht funktionieren. Mori brauchte also ein anderes Medium für sein Vorhaben. Bei so einer tollen Frau, gab es sicher noch andere Verehrer. Da die hübsche Blondine aber keinen Meter von ihrem Torio wich, ihn umsorgte und alles nur Mögliche versuchte, um mit ihm in Körperkontakt zu treten, gab Hichan auf. Die Beschattung war aufschlussreich, aber nicht erfreulich und so machte er sich auf, um seinem Bruder alles zu berichten.

Dieser war indessen noch kleiner in sich zusammengesackt und hockte am Ufer eines kleinen Sees, um die Flammen besser kontrollieren zu können. Als der Rotschopf auf ihn zu kam, blickte er erwartungsvoll auf.
„Mori, Mori ... alle Achtung! Hätte ich dir nicht zugetraut. Du musst dich ordentlich ins Zeug legen, die Sache ist verdammt kompliziert." Die anfänglich kleinen Hoffnungsschimmer in den großen dunklen Augen des Verliebten, wichen wieder einer tiefen Traurigkeit. Sein jüngerer Bruder machte ihm nicht gerade Mut und die Tatsache, eine Beziehung mit der menschlichen Rasse war schon verpönt und dann noch ...
„Aber ... wie geht es ihm? Sag ... macht er noch Musik? Hmm ... ich würde ihn so gerne wiedersehen ... nur kurz ... glaubst du er ...?"
„Hör auf dieses Prachtexemplar ständig nur als Mensch zu bezeichnen, so kann eine Partnerschaft doch nie und nimmer funktionieren. Mori, ... Sie ... hat wundervolle Rundungen." Der Rothaarige formte mit seinen Händen ein paar üppige Kurven in der Luft. „Sie ... hat volle Lippen, die nur darauf warten geküsst zu werden. Sie ... hat Beine, schlank und unendlich lang und ..."
„Mouh, ... du meinst er hat bereits eine Frau?"
„Er?!"
„Ja ... blond, groß und verschlafene Augen. Er mag Rockmusik und sein Name ist Torio."
„Waaas? Torio? Dieser mürrische, sture Esel im Rollstuhl?"
„He? Wie?" Mori machte große Augen. „Er ist ...?"
„Ja ganz recht. Er kann seine Beine nicht gebrauchen und ist deshalb so miss gelaunt. Nicht mal die süße Amerikanerin nimmt er wahr, die so verzweifelt versucht an ihn rann zukommen, dass es schon peinlich ist. Genau die ... bei der ich eigentlich dachte ... Sei vernünftig, das wird nichts." Der Ältere brauchte gar nicht zu antworten. Seine Fühler surrten und leuchteten intensiver denn je. Er hob lediglich seine Hände. Mit jedem Gedanken an seine Liebe wurden sie röter, heißer bis sie anfingen zu glühen und Mori die Finger ins kalte Wasser gleiten ließ, um nicht zu verbrennen.
„Er ist es ... er ist ... perfekt."
„Gott nein, Mori!" Hichan raufte sich aufgebracht die leuchtenden Haare. „Das ist Wahnsinn ... weißt du das?" Der unschuldige, traurige Blick seines Bruders besänftigten ihn aber und er schüttelte nur den Kopf. „Die wahre Liebe also. ... Dann sollten wir nicht zu lange warten, wer weiß wie lange dein Prinz ihr noch Stand halten kann. Schließlich ist er auch nur ein Mann."
Bevor Hichan den Älteren losschickte, klärte er ihn über einige wichtige Dinge auf, die unbedingt eingehalten werden mussten.
„Da wäre die Sache mit der Augenfarbe. Wenn du zu intensiven Blickkontakt hast und schwach wirst, werden deine Augen dominieren, die Farbe wechselt und du bist entlarvt. In deinem Fall rate ich dir Sonnenbrillen zu tragen. Wichtig ist, du kannst nur von einer schlafenden Person den Körper übernehmen. Für maximal zwei Stunden, nicht länger, ansonsten gefährdest du dich und April, verstehst du?" Mori war bereits in Teleportierstellung, als dem Jüngeren noch etwas einfiel: „Und vergiss nicht Brüderchen, ... kein Alkohol. Ich halt dir die Daumen." Und weg war er.
„Wenn das nur gutgeht", überlegte er noch, doch dann folgte er Mori. Aus reiner Neugier, was passieren würde.

Naiver Astronaut (Toruka Story Deutsch) Band 1Where stories live. Discover now