27. Kapitel

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Da waren sie nun, die zwei Menschen, verliebt und bereit für ihr erstes Date. Mori stand neben dem Krankenbett mit feuchten Augen und bebenden Lippen. Vor ihm lag Torio, immer noch in seinem regenerierenden Schlaf, zum Greifen nah, so friedlich und nur mit einem dünnen Lacken bedeckt. Der schmächtige Mann wollte einfach nur noch bei seinem Partner sein. Ihn bewundern, nur ansehen, über ihn wachen. Jeden Atemzug der den Brustkorb des Astronauten hob und senkte, erfüllte Mori noch mehr mit Liebe und Leidenschaft. Torio war sein Leben, durch ihn könnte er aufblühen auch ohne Fühler. Die Angst, ohne diese einzigartigen Sinnesorgane nichts mehr zu spüren, keine Zuneigung oder Verliebtheit zu empfinden, sollten ihm nun keine Sorgen mehr bereiten.
Schon bei der ersten Untersuchung von Dr. Yamanak stellte sich heraus, dass Moris Herz viel stärker war als das eines Aliens. Er tentierte eindeutig zur menschlichen Rasse und der Astronaut war der Schlüssel, um die eingeschlossenen Leidenschaften von Mori ans Tageslicht, oder in den Sternenglanz frei zu geben.

Vorsichtig setzte der Lockenkopf sich auf den Rand des Bettes, bedacht den Schlafenden nicht zu wecken. Seine Finger die nach wie vor übersät mit den kleinen Saugnäpfen waren, glitten unter die wesentlich größere Hand des Blonden und saugten sich an die, vom täglichen Gitarre spielen, schwieligen Fingerkuppen.
„Du hast mich zu einem Menschen gemacht. Mein Herz aufgeweckt. Ich bin so glücklich ..." Seine feine Stimme war sehr leise, kaum vernehmbar, als er begann zu singen:


„Ich möchte tanzen, als würde mich niemand beobachten.
Ich möchte lieben, als wäre es das einzige, was noch zählt.
Ich möchte aus tiefsten Herzen lachen,
und ich singe,
jede einzelne Note und jedes einzelne Wort,
alles für dich.
Ist es genug?
Ich will dir sagen, und das ist der einzige Weg den ich weiß.
Da ist diese Hoffnung,
eines Tages von dir verstanden zu werden und du sagst,
dass du endlich siehst was ich sehe.
Ein Lied für Dich, über unsere Liebe.
Ich wünschte, du könntest es aus meiner Sicht betrachten,
wie alles um dich herum ein bisschen heller von deiner Liebe strahlt.
Ich werde immer für dich singen,
weil jede einzelne Note und jedes einzelne Wort
nur für dich ist.
Der einzige Weg den ich kenne,
und ich hoffe es ist genug.

Plötzlich festigte sich der Händedruck ganz sanft und eine Hitzewelle durchlief das ehemalige Alien. Aber diese Flammen fühlten sich gänzlich anders an. Die Angst zu verbrennen war der Neugierde auf die Reaktion seines Körpers gewichen. Sein Herzschlag glich einem Trommelwirbel und die Kurzatmigkeit spürte er sonst nur nach stundenlangen Stimmübungen.
„Ich werde nie genug von dir bekommen", raunte Torio mit immer noch geschlossenen Augen, führte Moris Hand an seinen Mund und küsste deren Rücken. „Alle sollen dich singen hören, du bist überirdisch gut." Sein verschlafener Blick fing das schüchterne Lächeln des Kleineren ein und trotz der schmerzenden Schulter, warf er die Decke beiseite und zog den Sänger über sich.
„Endlich, ... ohne Eis und Verbrennungen ..." Der erste Kuss war nur gehaucht, die Lippen berührten sich für einen kurzen Moment, als wollten sie testen, ob sie den Versprechungen von Takuyan glauben konnten.
„Hat es sehr weh getan? Ich fand sie ja eigentlich recht hübsch, bis auf die kräftige Farbe. Sehr auffällig und leuchtend, aber ... niedlich und ... eh ... sexy." Torio lächelt verträumt und der Mann auf ihm rückte sich zurecht, um gewisse Stellen besser aneinanderreiben zu können.
„Ich brauche die Fühler jetzt nicht mehr, ... ich bin bereit für mein neues Leben. ... Alles ist gut, ... wenn du nur bei mir bist." Er stemmte sich mit seinen dünnen Armen hoch und wippte leicht auf und ab, nicht ohne den Blick des anderen zu verlieren.
„Warum hast du mich so lange warten lassen? 15 Jahre sind vergangen, 15 lange Jahre." Torio fühlte sich wie benommen. Der Druck auf seinen Körper wurde stärker und vertraute Stimmen klangen von überall her. Nur Wortfetzen, die im nächsten Moment auch schon wieder verschwunden waren.
„Mori? ... lass uns so schnell wie möglich zur Erde zurückkehren und keine Zeit mehr verlieren", meinte er besorgt. Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in ihm aus. Schwerfällig setzte der Astronaut sich auf und drückte den kleinen Hintern des Freundes gegen seinen Schoß. Dann nahm er ihn in eine innige Umarmung, vergrub sein Gesicht in den dichten dunklen, braunen Locken und atmete schwer ein.
„Ich habe geträumt, ... von uns beiden. Wir liefen durch den Wald, mitten in der Nacht. Es war stock dunkel, nur deine Fühler leuchteten uns den Weg, neben dem Gebirgssee aus. Ohne Mühe bin ich über Wurzeln und Steine gestiegen, Hand in Hand mit dir."
„Das klingt gut", lächelte Mori und lehnte sich noch enger in die Arme seines Freundes.
„Es war so ruhig, nur das Wasser klatschte an die großen Steine am Ufer und Millionen von Sternen spiegelten sich im pechschwarzen See. Ich wollte stehen bleiben, um dieses wunderbare Schauspiel zu beobachten, doch du hast mich immer weitergezogen. So als wären wir auf der Flucht oder müssten einen Zeitplan einhalten." Torio seufzte leise, strich über Moris Rücken und es schien, als würde er überlegen, weiterzusprechen.
„Was ist passiert? Haben uns wilde Wölfe gejagt?" fragte der Kleinere, wollte aber an ein gutes Ende des Traumes denken und fügte kichernd hinzu:
„Ich weiß, ... wir hatten es so eilig, weil ich so heiß darauf war, dir die Wäsche vom Leib zu reißen ..." er lehnte sich leicht zurück, in die starken Arme des Astronauten und presste somit ihre Hüften noch stärker aneinander. Ein süßes Stöhnen entkam den vollen Lippen, als sein Hals mit kleinen Küssen überseht wurde. „Uh, ... komm ... erzähl weiter. Was haben wir gemacht?"
„Ich bin mir nicht sicher, ... aber es fühlte sich alles so echt an und lässt meine Gedanken nicht los. Es sollte dich nicht auch belasten. ... Vielleicht ist es besser an, deiner Version festzuhalten ..." Er ließ Mori noch weiter nach hinten gleiten und öffnete die Knöpfe an dessen weißen Hemd, welches recht unordentlich an dem schmächtigen Körper hing. „... und ich ziehe dich langsam aus," raunte er weiter, teilte den Stoff über dem Oberkörper des Mannes vor ihm und legte dessen helle, fast unbehaarte Brust frei.
„Du bist so zart und zerbrechlich ..." Der Blonde beugte sich nach vor und setzte die Liebkosungen mit seiner Zunge fort.
„... Torio. Ich will ..." atemlos versuchte Mori sich wieder zu fassen. Sie waren in einem Krankenzimmer, jeden Moment könnte jemand zur Tür hereinspazieren.
„Ja ich weiß was du willst ...", hauchte die tiefe Stimme des Russen dicht an den empfindlichen Brustwarzen und wollte das Spiel anscheinend noch weiterführen, doch das ehemalige Alien stemmte sich wieder hoch und protestierte mit einem breiten Schmollmund:
„Ich will das Ende deines Traumes hören. ... Und alles andere klären wir später." Er nahm Torios große Hände in seine und küsste sie. „Lass mich einen Teil deiner Last tragen, ... bitte."
„Es wird dir nicht gefallen ... und ich möchte mich auch nicht mehr daran erinnern. Es war anfangs so schön ... und endete in einem ..." Er stockte wieder, überlegte, doch Mori nickte ihm aufmunternd zu.
„Weiter ...?"
„Die letzten Meter mussten wir über eine Treppe hochklettern. Das war eine Hürde, die ich nie bewältigen hätte können, doch ich folge dir einfach blind. Es war nicht die Angst körperlich schlapp zu machen. Nein, meine Sinne waren völlig überreizt und dann dieses ständige Zählen, Ein Countdown nach dem anderen. Nur nicht rauskommen. Jede Sekunde genau einhalten. Dann verlor ich dich aus meinen Augen. Es war so laut, das Rauschen des Windes ein Surren und der immer wieder kehrende Donnerschlag, nach den unzähligen Blitzen. Meine Rufe waren viel zu leise und irgendetwas hielt mich an meinem Platz gefesselt. Ich konnte nicht weg ... und plötzlich hatte ich dich verloren." Torio drückte seinen Freund sachte an sich. Seine Erzählung war so genau geschildert, dass Mori eine Gänsehaut über den Rücken lief. Eine Mischung aus Angst und Aufregung stieg in sein Bewusstsein. Er wusste nicht, ob er es dem blonden Mann sagen sollte. Der Lockenkopf träumte ständig von ähnlichen Dingen.
„Ich habe Angst, ... schreckliche Angst zu versagen." Die Stimme des Astronauten klang rau und kränklich.
„Wie kannst du so etwas sagen? ... Sieh mich an, ich bin hier. Du hast alles erreicht, was du wolltest." Doch als er den traurigen und verzweifelten Blick des Russen bemerkte, wollte er ihn nur noch trösten. Er lehnte sich nach vor und setzte zu einem Kuss an, aber Torio schob ihn von sich, hielt ihn an den Schultern und kämpfte sichtlich gegen seine Tränen.
„Nein, du verstehst nicht, Mori. ... Es waren nicht meine Beine, die mich daran hinderten zu dir zu kommen, niemand der mich festhielt ... es war deine Stimme, die mich fesselte." Dicke Tränen glitten über die blassen Wangen als er aufschluchzte. „Du hast mich gefragt was ich von dir will, was ich sehen und glauben möchte. Dein Gesang hörte sich so schmerzvoll an, voller Hingabe. Du hast mich beschuldigt ein Lügner zu sein und ich würde dein Herz so lange bluten lassen, bis du es nicht mehr ertragen könntest. Ein Lügner, ..." Seine müden, halbgeschlossenen Augen spiegelten sein Empfinden wider. Geschockt von den Anschuldigungen, traurig und verletzt.
„Plötzlich lagst du vor mir am Boden, zusammengekrümmt und wimmernd. ... Alle starrten mich vorwurfsvoll an, von allen Seiten kamen die Schreie, ... ich weiß nicht wer es war und wie viele. ... Mein einziger Ausweg war der See. Ich wollte mit dir in das kalte Wasser, es sollte doch unser Medium sein, nicht wahr? Aber der kleine Gebirgssee war ein Meer voll schreiender Menschen? Verzerrter Gesichter, heulender Frauen, glotzender Augen? Es war schrecklich ... alles so echt ..." Er verstummte, vergrub sein Gesicht in der Schulter des Freundes, der führsorglich über dessen Rücken strich und tröstende Worte suchte:
„Es war alles nur ein schlimmer Traum. Nichts von all dem wird passieren." Sagte er mehr zu sich, da ihm das ganze wie ein Déjà-vu vorkam. Wie konnte das sein, wie eng waren die zwei wirklich miteinander verbunden, dass sie die gleichen Träume hatten?
Mori küsste den weichen Nacken des Blonden und bemerkte das leichte Zittern des kräftigen Körpers. „Du wirst mich dort unten beschützen, ich habe keine Angst. Ich weiß, dass du es schaffst." Er suchte den Augenkontakt zu dem Größeren und lächelte. „Ich bin doch dein Schatz ... nicht wahr?" Ein zärtlicher Kuss folgte, der Torio vor Glück wieder zum Lächeln brachte.
„Du hast recht, nichts wird uns trennen. Wenn ich dich auf der Erde erst mal gefunden habe, weiche ich nicht von deiner Seite. Ich werde stark sein, für uns beide, ... my sweet baby." Sie verschmolzen ineinander und keiner der Beiden merkte die stolzen Blicke des Aliens im Türrahmen.

'Er hat doch tatsächlich aus meiner Therapie etwas gelernt. Sono un genio, ich bin ein Genie.' Hinter dem Rotschopf tauchten noch zwei Gestalten auf. Sie waren aus Blech und furchtbar interessiert an den ganzen Begebenheiten in diesem sonderbaren Krankenhaus. Der wundersame Ortswechsel hatte sie verwirrt und nun suchten sie nach bekannten Gesichtern.
„Ah Hichan, du kannst uns bestimmt sagen, wo dein Geliebter ist. Ich bin immer noch so aufgeregt und freu mich so für euch", plapperte Tomoya drauflos und stieß Ryo an, um den Außerirdischen ebenso freundlich zu gratulieren.
„Eh, ... ja ... willkommen in der Familie Yamatosh." Es klang nicht sehr überschwänglich, aber deutlich.
„Ciao voi due compagni, das ist sehr nett von euch aber ..." Er gab die Sicht auf das Pärchen am Bett frei und grinste: „La prossima volta, ein anderes Mal." Die Roboter machten große Augen und während Tomoya offenherzig und neugierig näher fuhr, wich Ryota eher zurück. „Meister Torio, ich bin froh dich so ... eh ... aktiv zu sehen. Es tut dir sichtlich gut." Er zeigte mit dem Blechfinger auf die Beine des Russen, die sich hinter Moris Rücken gekreuzt hatten.
„Oh ... ja, sieht gut aus, nicht wahr?" Nickte der Astronaut zustimmend und der kleine Mann in seinen Armen lächelte verlegen:
„Hey Leute, ... wie geht's? Ich bin Mori und ... kein Alien mehr."
„Das ist völlig egal, außerirdisch oder nicht, Hauptsache Torio ist happy und macht Fortschritte", meinte Tomo freundlich und schien mit dem schnellen Partnerwechsel keine Probleme zu haben. Er faltete seine Blechhände vor dem holen Brustkorb und verbeugte sich leicht. „Konichiwa, freut mich sehr," grüßte der Roboter, was Torio leicht verwirrte. Doch wollte er nicht näher darauf eingehen, da Hichan, der immer noch an der Tür stand, ihm freudig zuwinkte.
„Ach ja, ich denke, diese Beweglichkeit meiner schwächelnden Gliedmaßen, habe ich aber vor allem Hichan zu verdanken und seinen heilenden Händen."

„Heilende Hände! Mein Sohn ist kein Wunderheiler oder Scharlatan! Er wird mein Nachfolger werden, in der Spezialeinheit der IUCHIS und für Recht und Ordnung sorgen!" wetterte Shinji Kazmi, der nun ebenfalls ihm Raum stand. Seine Frau hinter ihm verdrehte leicht die Augen.
„Ich bitte dich, Schatz. Lass Hichan selbst entscheiden. Er soll uns nicht auch verlassen." Ein dankbares Lächeln kam von dem Rotschopf.
„Keine Sorge, Vater. Meine Fühler sind mir wahnsinnig wichtig." Er strich über die ausgefahrenen Tentakeln. „Ich habe viel von dir gelernt, aber auch du hast in deinen frühen Jahren Leute auf der Erde geheilt, die dem Tode geweiht waren. Hast kleine Wunder vollbracht, und andere zu Helden ernannt. Ist es da nicht logisch, dir nacheifern zu wollen. Ich möchte wie du werden. ... Streng und gerecht ... und un padre amorevole."
„Danke, Dad." Mischte sich nun auch Mori ein und löste sich von Torio, der erneut einen leichten Schwindel fühlte. Die Stimmen in seinem Kopf wurden lauter, so viele Namen, die er nicht zuordnen konnte. Er schob diese wiederkehrenden Stimmungsschwankungen auf die Teleportation. Auch der lebhafte Traum war eine Begleiterscheinung der beschwerlichen Reise. Er konnte sich noch gut genug daran erinnern, als er mit dem Rotschopf im Badezimmer gelandet war. 'Grauenhaft', dachte er nur. Dafür war er jetzt in einem sehr guten Zustand, befand er und sollte sich deshalb auch nicht beschweren. Nach einigen Sekunden verhallten die lauten Rufe schon wieder und er atmete erleichtert durch. 'Alles ist gut. Das einzig Wichtige ist die Rückkehr zur Erde. Wenn wir das geschafft haben, gibt es nichts mehr was uns aufhält. '


Sie mussten getrennt reisen, Torio im Zuge seiner wissenschaftlichen Expetition und Mori in geheimer Alien Mission.
In einigen Wochen sollten sie sich in einer Stadt in Japan treffen. In einem kleinen Lokal. Mori wäre dort, um zu singen, auf einer kleinen Bühne, mit ein paar anderen Musikern. Der Astronaut war sich sicher, ihn sofort zu erkennen, auch wenn der schüchterne Sänger immer auf den Boden starren würde.
Nur noch ein paar Wochen trennten sie von einem gemeinsamen Leben.

Naiver Astronaut (Toruka Story Deutsch) Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt