20. Kapitel

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„Stopp!" befahl es energisch. „Halt still ..." Es packte die eifrigen Finger der Frau. „Was, ... was ist mit deinem Freund?" Sie sah ihn ärgerlich an und wollte sich aus dem Griff befreien, doch Hichan kämpfte mit seinen letzten Kräften erfolgreich gegen sie an.
„Autsch, ... hey Luigi las los. ... Torio? ... Er ist nicht mein Fr..." Das Wort blieb ihr im Halse stecken, da es hinter ihr polterte und eine tiefe Stimme ungeduldig nach den zwei Robotern rief:
„Ryo! Verdammt noch mal, Tomoya! Wo seid ihr Blecheimer nur!" hallte es durch den Flur.
Die Blondine knurrte durch ihre Zähne. Der Spaß war zu Ende und sie musste sich geschlagen geben.
„Denk nicht, dass du so davonkommst." Widerwillig stieg sie von Luigi, richtete sich die Kleidung und das Haar und wollte gerade aus dem Zimmer, als besagter Freund, oder nicht Freund auf allen vieren um die Ecke robbte.
„April! Wo steckt ihr alle? ... Ich brauche eine Stütze! ... Hichan, du kleiner Teufel, komm gefälligst her!" Torio klang furchtbar wütend und schnaubte, wie ein Stier in der Arena.
'Als könnte ihm die Katze helfen', nörgelte die Amerikanerin genervt, aber so leise, dass es höchstens das Alien hören konnte. Aber dann riss sie sich zusammen, nahm sich ein Herz und fügte reumütig hinzu:
„Ich bin hier, ... es ... es tut mir schrecklich leid, ich hab dich nicht gehört." Mit unschuldigem Blick sah sie zu, wie der Astronaut sich aufsetzte und sich mit dem Rücken an den Türstock lehnte.
„Was ist los? Hast du am helllichten Tag geschlafen?"
Eine weitere Stimme mischte sich nun ein, etwas heiser, außer Atem und rau:
„Hey Torio, ... wie geht's?" Erst jetzt wurde der Italiener bemerkt.
„He? ... Wer ist das? ... April?" staunte der blonde Russe mit großen Augen. Da die Frau aber das Schweigen bevorzugte, übernahm es Hichan zu antworten. Das Alien in seinem italienischen Medium rappelte sich auf, rückte die Jeans zurecht, stellte sich vor Torio und fuhr sich lässig durchs Haar.
„Na wer wohl? ... Sie mich an, ich bin Luigi." Das Grinsen war unverkennbar, so wie der rote Schopf und Torio verdrehte nur genervt die Augen.
„Scher dich zum Teufel!" knurrte er bedrohlich. „Raus aus meiner Wohnung! Aber schnell! Und wage es nicht in irgendeiner Form wieder zu kommen!" Der Bote gehorchte, verabschiedete sich von April mit einem Klaps auf den Hintern und zwinkerte dem am Boden Sitzenden zu.
„Bis bald", meinte er noch und trat den Rückzug an, erleichtert und froh dem geilen Weiblein entkommen zu sein.

Der Außerirdische verfrachtete den Lieferanten in sein Auto, verließ dessen Körper, erweckte ihn aus dem Tiefschlaf und kümmerte sich darum ihn loszuwerden. Unbemerkt legte es Rechnung und Geldscheine auf den Beifahrersitz und bedankte sich mit einem bitter-süßen Schokohauch in dessen Nacken.
'Nichts für ungut, ... beim nächsten Mal kommst du sicher wieder zum Zug.' dachte er.
Der Italiener schüttelte verwirrt den Kopf, startete den Wagen und rauschte davon.

Ein kurzer Abstecher ins Badezimmer erweckte auch Tomo und Ryo, wie von Geisterhand zum Leben. Sie halfen ihrem Besitzer auch sofort auf die Couch und alles hatte seine gewohnte Richtigkeit.
Luigi, der fremde Besucher wurde von April mit keiner Silbe mehr erwähnt und die nicht bestellten Artikel auf der Küchentheke, aus den Einkaufstüten geholt und in Kästen und Kühlschrank verstaut.
Moris Bruder war Torio was schuldig, ohne dessen Auftauchen könnte er bereits in großen Schwierigkeiten stecken. Aber, ... Glück muss man haben!
Hichan hatte seine Lektion gelernt. So ein Fehler durfte ihm nicht mehr passieren. Wenn sein Vater das wüsste, bekäme er bestimmt eine gewaltige Standpauke dafür.
Der Russe würde sich wieder beruhigen, ganz bestimmt, da machte sich der Rotschopf keine Sorgen, nur dieses „american girl" ...

April beschloss nach dem Mittagessen einen kurzen Abstecher in die Stadt zu machen. Da die meisten Lebensmittel, die sie eigentlich bestellt hatte, nicht geliefert worden waren. Torio trainierte ohnehin auf seinen Geräten und die Roboter erledigten den Küchendienst. Wie praktisch, zwei so putzwütige Gehilfen zu haben.
Und das rothaarige Alien? Hichan verkroch sich in eine Ecke, um sich zu erholen. Seine coole, gelassene Art war zurzeit etwas angeschlagen, es ist ja nicht so, als ob die Außerirdischen keinen Schlaf bräuchten.

So machte sich die blonde Amerikanerin auf den Weg:
„Ich bin bald wieder hier und ich werde Katzenfutter besorgen. Hichan wird schließlich auch etwas zu fressen brauchen."
Wie es der Zufall wollte, kreuzten sich die Wege der Beiden, die vor einigen Stunden noch auf Torus Sofa lagen, vor dem Kaufhaus. April stieg gerade aus ihrem Taxi, als sie das Lieferantenauto von Luigi erkannte und freudig darauf zusteuerte. Es hatte sie furchtbar gewurmt, nicht weiter als bis zu seiner Hose gekommen zu sein. Das Vorspiel war so exzellent und sie so heiß auf den Hauptakt, dass sie Torio glatt verfluchte, als dieser auftauchte. Irgendwo würde sich schon ein Plätzchen finden und wenn es auch das Auto sein müsste, um ungestört dort anzufangen, wo sie vorhin aufgehört hatten. Sie schnalzte erwartungsvoll mit der Zunge und klopfte bei der Beifahrertür an das Fenster. Es saß jemand darin, mit einer Kappe am Kopf und studierte angestrengt die einkaufslisten in seinen Händen.
„Hallo mein süßer Rotschopf", begrüßte ihn April und beugte sich, um durch die sich gerade öffnende Scheibe zu schauen.
„Suci? ... Ah April, ..., wie geht es dir?" Die Blondine rieb sich die Augen.
„Ich glaub ich werd verrückt?" Sie langte in den Wagen und lüftete die Kopfbedeckung des verdutzten Italieners. „Wie um alles in der Welt hast du das gemacht? ... Wo zur Hölle sind die roten Haare?" kreischte sie so laut in das Auto und jagte dem Lieferanten einen gewaltigen Schrecken ein, der sämtliche Zettel fallen ließ.
„Oh mio Dio! Ganz ruhig, alles ist gut. ... Meine Haare? Was soll damit sein?" Er drehte sich, um in den Rückspiegel schauen zu können, fuhr sich mit der Hand über den schwarzen Schopf und lachte. „Du meinst die kleine leuchtend rote Strähne hier? ... Ist es wirklich so schlimm? Ti dà fastidio? ... Keine Ahnung, wo die herkommt. Habe sie selbst erst entdeckt." Er hob die Schultern unwissend und grinste sie nun verführerisch an.
„Was hast du, bambino? Starrst mich an, als wäre ich ein Geist." Er kam näher und säuselte weiter: „Es ist in der Tat schon eine Weile her, aber das können wir alles gerne nachholen. In poche ore?" Ein einladendes Tätscheln auf seine Oberschenkel erklärte seine Gedanken. „Cosa intendi? Was meinst du?"
„Ich ... eh ... weiß nicht", stammelte die Blonde halb durch das Fenster gelehnt. Sie wirkte immer noch leicht geschockt und gar nicht mehr liebesbedürftig. Erst als Luigi sich zu ihr beugte und sie küssen wollte, wich sie erschrocken zurück und stieß sich dabei den Kopf an der Tür.
„Arg ... Himmel noch mal! Wo warst du vor zwei Stunden?" wollte sie ärgerlich wissen und rieb sich die Beule.
„Was? ... Wieso fragst du? Ich mache doch jeden Tag das gleiche. Ich liefere Waren aus. ... Wobei, ... heute hatte ich einen ziemlich schlechten Tag. C'erano solo problemi." April wurde hellhörig.
„Einen schlechten Tag, sagst du? Oh ja, ganz sicher sogar. Irgendwie war in den Einkaufstüten nämlich nicht das, was ich haben wollte", merkte sie an.
„Chiedo scusa? Ich war bei dir?" Luigis Augen weiteten sich ungläubig. Da war keine Erinnerung an ihre Wohnung, die er schon wie seine Westentasche kannte und des Öfteren auch dort übernachtete. Doch heute war er gar nicht für dieses Viertel eingeteilt gewesen. Unmöglich, dass sie ihn gesehen haben konnte.
„Ich lieferte heute am anderen Ende der Stadt die Einkäufe ab, und stell dir vor, da hat mir jemand eine Menge Trinkgeld ins Auto gelegt. Dafür fehlten auf der weiteren Tour sämtliche Artikel. Alle haben sich beschwert. È stato un disastro! Findest du nicht auch?" Er bekam aber keine Antwort, da die Frau angestrengt nachdachte und sich ihre Stirn in Falten legte. „Es tut mir leid, April Schatz, ... ich glaube, ich stehe heute etwas neben mir. Mein Kopf brummt und ich schwitze und friere gleichzeitig. Forse mi ammalerò, vielleicht werde ich krank, oder habe zu viel Schokolade gegessen? Was meintest du vorhin mit, ich hab dir heut was falsches gebracht?" fragte er geknickt und kaute eifrig an seinem Kaugummi, um den bitter-süßen Geschmack in seinem Mund zu übertünchen. Ihr eindeutiges Desinteresse steigerte sein Wohlbefinden kein bisschen.
„Vergiss es! ... Luigi? ... Ich brauche Katzenfutter! Da steckt viel mehr dahinter." Kam sie schließlich zu der Erkenntnis.
„Katzenfutter? Seit wann hast du ..." Doch April war bereits auf dem Weg in den Einkaufsladen. Mit großen, zielstrebigen Schritten wollte sie diesem mysteriösen Geheimnis nun auf den Grund gehen. Torio versteckte etwas vor ihr. Womöglich die Katze? Auf jeden Fall war es rot, ... feuerrot!

Naiver Astronaut (Toruka Story Deutsch) Band 1Where stories live. Discover now