Ein Einhorn in Nöten

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Am nächsten Morgen riss mich mein Wecker aus dem Schlaf.
Das schrille Piepsen fraß sich in mein Ohr und ich, sehr klischeehaft, warf den Wecker gegen die Wand.
Also, ich wollte ihn gegen die Wand werfen, traf aber leider nur meinen Schreibtisch, weshalb der Wecker unversehrt liegen blieb und weiterpiepste.
Ich riss die Decke zurück und torkelte mit noch fast geschlossenen Augen zu meinem und stellte ihn aus. Dann wankte ich ins Badezimmer.
Und natürlich hatte Eru, oder Gott, oder wer auch immer da oben saß ein ganz gewaltiges Problem mit mir, denn ich stieß überall an.

Und mit überall meinte ich wirklich überall.
Diverse Türklinken und Rahmen, Wände und die Komode, die wir im Flur rumstehen hatten.
(Die Ecken sind wirklich sehr hart...)
Im Bad putzte ich mir meine Zähne, aber nicht sehr gründlich und zog mich um.
Dann machte ich mich daran die anderen zu wecken.

Lasst euch eins gesagt sein, weckt niemals einen schlafenden Hobbit!
Und wenn ihr es doch tun müsst, dann bitte ich euch, diesen Anweisungen zu folgen...

1. Macht ein Käse-Schinken-Toast
2. Versucht es nicht aufzuessen
3. Weckt den Hobbit leise flüsternd mit Versprechungen auf ein gutes Frühstück
4. Esst das Toast unter keinen Umständen!
5. Haltet dem Hobbit das Toast unter die Nase
6. Wenn er dann aufsteht, esst es auf

Oder, ihr holt euch aus Angst vor einem wütenden Hobbit einen Zwergenkönig zum Hobbitwecken.

Ja, ich tat letzteres.
Nur ist Thorin ebenfalls schwer wach zu kriegen, weshalb ich seine Neffen aus dem Bett schmiss.

"Wer? Was? Wo? Wie?", keuchte Bilbo, als Thorin ihn sanft wachrüttelte.
Hach, war das süß...
Während der Zwerg den Hobbit hochhalf und dir beiden sich auf den Weg zum Frühstück machten, ging ich zu den Elben.

Blond. Das war alles, was unter der Decke hervorschaute.
Eine blonde Haarpracht, die anscheinend zu Leggy gehörte.
Von Thrandy, sah man kein Stück.
Ich seufzte.
Wie sollte ich die denn wachkriegen?
Vielleicht sollte ich die Zwerge holen, die Wecker vom Dienst...
Aber nein, das würde unserer hochwohlgeborener Elbenkönig wohl nicht so schön finden.
Ich schlug die Decke zurück und öffnete dann das große Fenster.
"Ahh!"
Hätte ich nicht gewusst, dass es Leggy war, hätte ich gedacht, dass ein fremdes, kleines Mädchen in diesem Bett schlafen würde.
Thrandy grunzte nur, was wirklich sehr verstörend war...
Ich meine, ein grunzender Elb es ja schon komisch, aber Thrandy?!
Er schnappte sie einfach die Decke zurück und mummelte sich wieder ein.
Sein Sohn hingegen stand grummelnd auf.
Dieses Weichei von einem Elbenkönig!
Als ich ihm er wir die Decke wegzog, musterte ich ihn.
Er hatte tiefe dunkle Ringe unter den Augen und lag schlaff da.
"Was'n los?", nuschelte er.
"Was hast du den gemacht?!"
Meine Stimme war ein einziger hoher Kreischer.
"War wach un' hab Wein getru..."
Er hielt inne und runzelte die Stirn.
"...getra... getro... getrunk... getrunken!"
Ich seufzte.
Seine Rausch hatte er bestimmt noch nicht ganz ausgeschlafen, aber alleine wollte ich ihn nicht hier lassen.
"Legolas!", brüllte ich, woraufhin beide Elben, der eine im Bett, der Andere ins Zimmer kommend, das Gesicht verzogen.
Leggy gähnte.
"Was?"
"Dein Vater ist wann genau ins Bett gekommen?", fragte ich anklangend.
Der Elb zuckte die Schultern.
"Irgendwann zwischen fünf und sechs..."
Ich keuchte.
Es war Viertel vor sieben.
Um halb acht, mussten wir angezogen am Bahnhof stehen und dann...

Ach du heilige Scheiße!
Das konnte nur schief gehen...
"Thranduil, du stehst jetzt auf!"
Er reagierte nicht.
"Aufstehen!", brüllte ich, aber nichts tat sich.
"THRANDUIL, OROPHERS SOHN, DU STEHST JETZT AUF!"
Meine Stimme hallte durch das ganze Haus.
Legolas hatte sich die Hände auf die Ohren gepresst, sein Vater schlug dir Augen auf.
"Wie... spät?"
"Ist es!", beendet ich den Satz von Thrandy.
Nach einem Blick auf die Uhr stellte ich dann fest.
"Zehn vor sieben"
Er machte eine undeutbare Bewegung mit dem Kopf.
Es sah aus wie eine Mischung aus Nicken und Schütteln.
"Komm...gleich...", brummelte er.
Der müsste sich gestern Abend und heute Nacht ja richtig den Schädel zugedröhnt haben...
Vielleicht sollte ich das auch Mal probieren, das war vielleicht gut zum trainieren von meinen Nerven...

"Was ist denn los Bilbo?"
Der verstörte Hobbit atmete geräuschvoll ein.
Dabei klang er wie eine defekte Dampfmaschine.
Oder ein Walross! Mal davon abgesehen, dass ich eigentlich nicht wusste, wie Walrösser klingen und den Vergleich nur in Büchern gefunden hatte...
"Gollum hat sich verletzt"
Ich riss meine Augen auf. Sie nahmen die Größe von zwei Tischtennisbällen an.
"Er hat was?!"
"Sich verletzt!", wiederholte Bilbo seine Verkündung.
Ich schnappte nach Luft und stürzte aus der Küche, in der ich bis eben noch gesessen und mein Nutellabrot gemümmelt hatte.
Warum musste ich ausgerechnet immer beim Essen gestört werden?
Jedes verdammte Mal!
Mit einem letzten warnenden Blick auf Kili und auf mein Nutellebrot stakste ich die Kellertreppe nach unten.

Ohne Scherz, sie ist echt steil und hat ein glattes Geländer, das eigentlich nichts bringt.
So ist es immer gewesen und so ist es auch heute noch.
Die letzten beiden Stufen übersprang ich, weil auf ihnen eine ekelerregende, rote Masse lag.
Flüssig und mit einem metallischen Geruch, wusste ich sofort um was es auch handelte.
Blut.
Wahrscheinlich das von Gollum.
Bilbos könnte es nicht sein, obwohl der auch hier unten gewesen war.
Er hatte keine Verletzungen gehabt und es wäre Thorin schon längst aufgefallen.
Überhaupt ließ der Zwergenkönig den Hobbit kaum aus den Augen.
Ganz anders als im Buch und im Film, wo er Bilbo immer weitestgehend ignoriert hatte.
Irgendwie süß...
Ich hatte Bagginshield eigentlich nie so gemocht, aber wie sich Thorin um Bilbo sorgte, war wirklich sehr süß.

Mit einem tiefen Atemzug wagte ich mich dann in die Waschküche, wo ich mithilfe von Legolas und Fili gestern noch ein Nachtlager für Gollum eingerichtet hatte.
Auf der blauen Flauschedecke lag letzterer übrigens.
Er hatte sich zusammengerollt und die eine Hand auf den Kopf gepresst.
"Garstiges Menschenteil an Treppe", fluchte er leise vor sich hin.
Aha, also war das Geländer schuld!
"Was ist denn los Gollum?", fragte ich sanft.
"Garstige kleine Menschen sollen uns nicht fragen mein Schatzzz... Sollen uns nicht fragen!"
"Was ist passiert?", versuchte ich es wieder.
Langsam hob Gollum die langen, blanken Hände von seinem Gesicht.
Sofort brach ich in Lachen aus.

Direkt auf seiner Stirn prankte eine längliche, hornförmige, lilane Beule.
Kurzgesagt sah er ein bisschen aus wie ein Einhorn.
"Sollten uns nicht auslachen, garstige Menschen! Mein Schatzzz!"
"Ich hole den Erste-Hilfe-Kasten", kündigte ich Gollum an, nachdem ich mich wieder von meinem Lachanfall erholt hatte.

Als alles verbunden war, griff ich erneut in den Kasten, wo ich vorsorglich noch ein Bestechungsmittel deponiert hatte.
Ein roher Fisch, den ich tief vergraben in dem Tiefkühlschrank gefunden hatte.
"Komm Sméagol", lockte ich mit einer Säuselstimme und wedelte mit dem Fisch.
Golluns Augen wurden riesig.
Er ließ sich aus der Hocke auf alle Viere fallen und folgte mir und dem Fisch, denn ich war langsam zurückgewichen.
Gollum könnte unmöglich mit in die Stadt kommen!
"Guter Sméagol, willst du den Fisch?"
Ich sprach wie mit einem Hund oder einer Katze.
Gollum leckte sich über die Lippen, was viel ekliger aussah, als es ma es sich vorstellte.

Mit langsamen Schritten, kam ich der alten Hundebox immer näher.
Dann warf ich den Fisch hinein.
Und was tat Gollum?
Manchmal fragte ich mich echt, wie man so dumm sein konnte...
Er sprang mit einem Satz ebenfalls in die Box und stürzte sich auf den Fisch.
Ich schlug dir Tür zu und verschloss sie wieder.
Dann machte ich mich gugelaunt pfeifend auf den Weg zurück in die Küche.

Kaugummi, das heilige Heilmittel gegen blonde ElbenWhere stories live. Discover now