Aus eben diesen Gründen schloss der Polizist auch sofort die Tür auf und verkniff sich jeden dreckigen Witz, als Tim ihn heran winkte. Wir gingen zusammen und von einem anderen Officer begleitet nach oben, wo man mir meine Sachen wiedergab. Mein Portmonee, die halbe Schachteln Kippen, mein Zippo, ein Geschenk von meiner Freundin, Handy und natürlich die tolle Uhr, die mir Onkel Tim zum Sechszehnten Geburtstag geschenkt hatte. Es war keine Rolex, aber mit dem ganzen silbernen Blinkern hätte sie ebenso gut eine sein können. Er hat gemeint, dass ein Mann eine vernünftige Uhr brauche und da ich jetzt einer war...

Ja, damals... Mittlerweile war ich siebzehn Jahre alt. Deshalb hatte die Richterin wohl nochmal ein Auge zugedrückt. Bei meiner Strafakte, könnte ich mittlerweile genauso gut im Knast sitzen und nicht nur in irgendeiner Ausnüchterungszelle. Onkel Tim hatte sicherlich auch seine Beziehungen spielen lassen. Aber was will man auch mit einem reichen Onkel, wenn er nicht dazu in der Lage ist, jemanden zu bestechen? Wir kamen dann, immer noch still schweigend, an seinem Leihwagen an. BMW M6. Ein 507 PS Schlitten, von null auf Hundert in 4,8 Sekunden. Tolle Karre.

Als ich mich dann in den Ledersitz zurück lehnte und er losfuhr, hielt ich das Schweigen einfach nicht mehr aus. „Was passiert jetzt?"

Er warf mir nur einen Seitenblick zu und ich wusste, dass er genervt war, obwohl ihn die ganze Situation auch irgendwie amüsierte. „Jetzt holen wir deine Sachen. Deine Mutter hat für dich gepackt und dann geht's zum Flughafen. Ich hab morgen ein Meeting und ich will es nur wegen dir nicht verpassen. Immerhin hab ich mir schon einen Tag Urlaub genommen."

„Also wohne ich jetzt bei dir in San Franzisco?" Fragte ich ihn sarkastisch. Mein Vater würde mich niemals bei ihm wohnen lassen. Er hielt Tim generell für zu lässig, locker und unbekümmert. Niemals im Leben würde er mich bei ihm unterbringen. Er wollte ja nicht mal, dass ich mich mit Onkel Tim auf Familienfesten unterhalte, denn anscheinend könnte er mich mit seinem Unsinn vergiften oder so. Als hätte ich davon nicht schon ohnehin genug in meinem Kopf.

„Du wirst schon sehen." Meinte er mit einem leichten Lächeln, das mir absolut nicht gefiel. Er hatte meinen Sarkasmus erkannt und glaubte anscheinend fest daran, dass er recht hatte. Eine halbe Stunde später fuhr er in meine Einfahrt und ich sprang förmlich aus dem Auto und rannte ins Haus. Es war ein kleines, aber schönes Haus, meiner Meinung nach. Wir waren nicht reich, wie Onkel Tim, aber da mein Vater es abbezahlt hatte, bevor es mit ihm in die Brüche ging, konnten wir es behalten. In den letzten Jahren hat er seine Zeit vor allem damit verbracht sich zu besaufen.

Wie auch immer, ich ging also rein und stolperte sogleich über eine große Reisetasche. Scheiße. „Mom?" Ich lief in die Küche und fand sie wie üblich am Herd stehen. Sie drehte sich zu mir um, tiefe, blaue Schatten unter den verquollenen Augen, zerwühlte Haare und mit Baby auf dem Arm. Jeremy war mein jüngster Bruder. „Was ist hier los?" Verlangte ich zu wissen, aber so wie ihre Lippe bebten und sie bei meinem Anblick schlucken musste, wurde es mir klar.

„Baby, du musst das verstehen. Ich kann einfach nicht mehr. Das Baby und Celine und die Zwillinge und du... Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch mit dir tun soll und dein Vater hat keinen Nerv mehr sich..." Sie sah mich flehend an. Bettelte darum, dass ich sie verstand und Mitleid mit ihr hatte, aber das... ging einfach nicht mehr. Kein Mitleid der Welt, hätte das hier in meinen Augen rechtfertigen können. Sie war meine Mutter. Sie musste für mich da sein, dass war quasi ihre Pflicht, aber sie... schmiss mich auf die Straße. Aber behielt ihren faulen Sack von einem Ehemann.

Mehr brauchte ich gar nicht zu hören. Sie schmiss mich raus. Fertig, aus und Ende. „Auf Wiedersehen." Sagte ich kühl zu ihr. „Ich hole nur noch meine Gitarre." Ich drehte mich um und ging die Stufen hinauf in mein Zimmer. Ich kramte noch schnell alles zusammen. Laptop, Gitarre, Ipod und diverse andere Kleinigkeiten. Dann klopfte ich an die Zimmertür meiner Schwester Celine. Sie war jetzt fünfzehn. Die Musik dahinter war so laut, dass sie es wahrscheinlich gar nicht gehört hatte, also ging ich einfach rein.

Carpe diem...Where stories live. Discover now