Kapitel 37

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Vor einigen Jahren...


Drei geschlagene Monate war er nun schon unterwegs. Seine ersten beiden Vermutungen hatten sich nicht bestätigt. Aber das war zu erwarten gewesen. Orte, von denen kaum jemand etwas wusste, ließen sich nicht so leicht finden.

Er folgte bloßen Gerüchten, dem Gemunkel der Leute und dem leisen Flüstern der Vorsehung. Obwohl seine Familie eine Bibliothek mit einer Sammlung alter Schriften und Bücher Anmarias besaß, die Ihresgleichen in ganz Tawardan und womöglich über die Grenzen hinaus suchte, hatte er lediglich eine einzige Schriftrolle finden können, die einen möglichen Ort einer Götterquelle beschrieb.

Doch er hatte beschlossen, diesen Hinweis als letzte Option aufzuheben. Der Beschreibung folgend, befand sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach am weit entfernten, westlichen Ende des Kontinents. Ehe er diese beschwerliche Reise antrat, wollte er es an nahegelegeneren Orten versuchen.

Und so suchte er nach jedem noch so kleinen Detail. Nichts wollte ihm entgehen. Obwohl er den Kontakt zu Menschen lieber vermied, suchte er beinahe jedes Wirtshaus und jede Spelunke auf, an denen er auf seinem Weg vorbeikam.


Auch nun saß er mal wieder an der Theke eines heruntergekommenen Wirtshauses am Rande der Sharaziwüste, die Kapuze des Umhangs tief ins Gesicht gezogen. Weit genug, dass sein Antlitz im Schatten verborgen war, er aber noch die anderen Gäste mit seinen gelben Adleraugen beobachten konnte. Die Lippen an einem Bierkrug gelegt, dessen Inhalt wie Ziegenpisse schmeckte und die Ohren gespitzt, lauschte er den Gesprächen der Leute. Obwohl die Wahrscheinlichkeit gering war, dass er etwas Brauchbares vernehmen konnte, blieb er dennoch wachsam und filterte die aufgenommenen Gesprächsfetzen nach eventuell nützlichen Informationen.

Nachdem er den letzten Schluck dieses widerlichen Gesöffs heruntergewürgt hatte, stellte er den Krug auf die Thesen hinter ihm.

»Noch eins, Junge?«, fragte der bucklige Wirt mit den zwei Warzen auf der Stirn, die wie die Hörner eines jungen Bocks aussahen.

Dankend hob er die Hand und stand auf. Er glaubte nicht, dass ein längerer Aufenthalt noch zu einem Ergebnis führen würde. Gerade als er dieses stickige, nach Männerschweiß und Kamelfell stinkende Wirtshaus verlassen wollte, wurde die Tür heftig aufgestoßen, sodass sie gegen die Hauswand krachte, zurückschwang und direkt das Gesicht des Eintretenden traf. Dieser schien es jedoch kaum zu bemerken.

»RATET MAL WER WIEDER DA IST!«, grölte der dürre Mann und taumelte in den Raum. Sein Taumeln schien aber nicht von der Tür zu kommen, die ihn zuvor ins Stolpern gebracht hatte.

Scheinbar schienen die meisten diesen verwitterten Mann zu kennen. Und die die es nicht taten, erhoben dennoch ihre Krüge und jubelten mit.

»Baz, alter Kauz! Wir dachten schon du wärst tot.«, rief der gehörnte Wirt und kam um die Thresen herum.

»Erzähl keinen Stuss! Mein Fleisch ist zäh. So schnell kann mich nichts umbringen!«, nuschelte der Neuankömmling namens Baz.

»Bei allen Göttern, wie hast du all die Wochen in der Wüste überleben können? Du bist mit kaum mehr als den Kleidern an deinem Leib aufgebrochen.«, fragte der Wirt und gab den schwankenden Mann einen Krug Wein, welcher ihn begierig austrank.

Als er den Krug nach einem kräftigen Schluck wieder absetzte und grinste, lief Wein sein Kinn hinab. Sein Blick nahm einen verträumten und noch abwesenden Ausdruck als ohnehin schon an.

Der junge Reisende mit den gelblichen Augen wollte sich schon an den Wirt und dem Mann vorbeidrängen, um diese Schanke endlich zu verlassen, doch die nächsten Worte von Baz ließen ihn aufhorchen. Lauschend verharrte er.

Atlas - Die Geschichte einer Diebin, die Prinzessin wurde *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt