Kapitel 23

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Es war dunkel. Sehr dunkel. Ich konnte kaum einige Meter weit sehen, weshalb ich besonders vorsichtig sein musste. Ich konnte nicht wissen, ob nicht um den nächsten Strauch, um die nächste Mauer oder um den nächsten Felsblock eine Wache stand. Auch wenn ich in den letzten Tagen viele Routen und Posten der Wachen ausgekundschaftet hatte, so hatte ich noch längst nicht alle erfasst. Vor allem nicht die, die weiter vom Palast entfernt waren.

Ich lief zügig über staubigen Boden, hielt jedoch ein Tempo bei, bei das ich noch schnell stoppen konnte, sollte ich irgendetwas hören oder in der Dunkelheit erspähen. Ich behielt natürlich vor allem die Umgebung vor mir im Auge, doch auch Blicke über die Schulter ließ ich nicht aus. Sollte mich irgendjemand hier entdecken, bekam ich sicherlich Probleme und ich musste mir eine gute Ausrede einfallen lassen, was eine Prinzessin um diese Zeit, in diesem Aufzug außerhalb des Palastgebäudes machte.

Kurz bevor ich die Palastmauern erreichte, hörte ich ein Knacken, wie als würde jemand einen Ast zertreten, der auf dem Boden lag. Sofort hielt ich inne und duckte mich hinter einem spärlich belaubten Strauch. Aufmerksam musterte ich die Umgebung, konnte jedoch nicht besonders weit sehen, da der schmale Sichelmond kaum Licht spendete.

Ich wartete.

Ich vernahm kein weiteres Geräusch, doch das sollte nichts heißen. Die Wachen waren bestimmt gut genug darin ausgebildet wurden, sich möglichst leichtfüßig und still zu bewegen, trotz ihrer metallenen Rüstungen. Es war mucksmäuschenstill, nur das stetige Zirpen der Singzikaden, welches manchmal durch das der Grillen verstärkt wurde, war zu vernehmen. Ich wollte schon mein notdürftiges Versteck verlassen, als ich in circa zwei Metern Entfernung eine dunkle Silhouette gehen sah. Ich duckte mich tiefer auf den Boden und ließ die Person keine einzige Sekunde aus den Augen. Nach einer Weile war sie verschwunden und ich atmete erleichtert aus. Ich versicherte mich noch einmal, ob nicht noch jemand in der Nähe war und als ich nichts sah und auch nichts hörte, stand ich wieder auf und huschte von dannen.

Zum Glück war die Mauer von Innen leichter zu überwinden, als von Außen. Im Gegensatz zu der äußeren Seite, wuchsen hier einige Bäume, die ich benutzen konnte, um auf die andere Seite zu gelangen. Ich lief einige Meter an der hohen Mauer entlang, bis ich eine Steineiche fand, die relativ nah an ihr wuchs. Ohne lange zu Zögern, kletterte ich an dem unebenen Stamm hinauf und kämpfte mich durch das karge Geäst. Es ließ sich leider nicht vermeiden, dass ich mir weitere Schnitte zufügte, doch schließlich erreichte ich die Krone. Mit geübten Blick schätzte ich die Entfernung zur Mauer ab und kletterte auf allen Vieren einen der dickeren Äste entlang, bis er so weit unter meinem Gewicht nachließ, dass ich mich an ihm herunterhangeln konnte, um auf der Mauer zu landen. Als meine Füße nur einige Zentimeter über der Mauer schwebten, ließ ich los.

Für einen Moment fühlte ich die Schwerelosigkeit des Fallens in meiner Magengegend, bis ich auf der Mauer landete. Ich hatte mich jedoch ein wenig zu weit rechts vom Ast fallen gelassen, sodass nur mein linker Fuß richtig Halt finden konnte und der linke abrutschte. Geschockt rutschte ich an der Mauer hinab, konnte mich jedoch noch rechtzeitig mit den Händen festhalten. Mühsam stemmte ich mich wieder hinauf und stieß wütend darüber, dass mir so ein dummer Fehler passiert war, den Atem aus.

Als ich mich wieder beruhigt hatte, blickte ich die andere Seite der Mauer hinab. Hinter der Mauer gab es weder Bäume noch sonst irgendetwas, an das ich hinab klettern konnte. Jegliches Gewächs war sorgfältig entfernt worden, damit die Mauer von außen nicht so leicht zu überwinden war.

Mir blieb eigentlich nur eine Möglichkeit dort hinunter zu gelangen. Zu springen. Doch die Mauer war mindestens sieben Meter hoch und ein unkontrollierter Sprung aus dieser Höhe, konnte zu Verletzungen führen. Doch ich war ja nicht dumm.

Atlas - Die Geschichte einer Diebin, die Prinzessin wurde *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt