Prolog

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Die Prinzessin von Samaria sah so schön aus, wie an noch keinem anderen Tage. Der königliche Hofschneider hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Als Shadia in den goldenen Spiegel blickte, hätte sie sich freuen sollen. Doch stattdessen schaute sie trübselig ihr Spiegelbild an und fand das ganze eher grässlich als bezaubernd. Nicht, dass sie nicht fand, dass sie schön aussah. Es war der Anlass, der ihr die bittere Gallensäure in den Hals trieb. 

Sie trug eine rote Haremshose aus fast durchsichtigem Chiffon, dazu eine mit Brokat verzierte Choli in dem selben dunklen Rotton, der in Samaria ein Symbol für Weiblichkeit und Wohlstand war. Es war Brauch, die Verlobte mit den edelsten Stoffen und dem wertvollsten Schmuck zu schmücken, den man besaß. Der Bräutigam sollte um den Wert seiner Zukünftigen wissen.
Deswegen trug die Prinzessin den schillerndsten und pompösesten Kopfschmuck, der jemals auf dem Haupt einer Prinzessin gethront hatte. Unzählige Juwelen bedeckten ihr tiefschwarzes, gewelltes Haar und schmückten ihre Stirn. Ihre großen, dunkelblauen Augen waren mit schwarzem Ruß umrandet und ihre vollen Lippen blutrot bemalt. An Armen, Händen und Füßen zierten festliche Hennazeichnungen ihre Haut und vollendeten das trügerisch perfekte Bild.

Auch wenn sie es gewohnt war als Prinzessin immer tadellos in ihrer Erscheinung zu sein, störte es sie heute so herausgeputzt zu sein. Denn es war allein für ihn. Ihren Verlobten. Einen Mann, den Shadia nur von Bildern und aus Briefen kannte. Einen Mann, den sie nicht liebte.
Aber um Liebe ging es hier nicht. Als Prinzessin eines unbedeutenden Landes musste sie dieses Opfer bringen. Nur so konnte sie ihrer Heimat helfen und ihrem Vater wenigstens ein Teil seiner Sorgen nehmen. 

Denn dem vergleichsweise kleinem Land gingen langsam wichtige Rohstoffe aus. Durch die Heirat mit dem Prinzen von Tawardan wurden die beiden benachbarten Länder enge Bündnispartner. Im Gegenzug für die Rohstoffe musste ihr Land mindesten 13.000 Soldaten zur Verfügung stellen. Denn Tawardan befand sich im Krieg mit zwei anderen Ländern.

>>Euer Hoheit, Eure Sänfte steht bereit.<<, teilte ein Soldat mit. Sie betrachtete ihn durch den Spiegel und senkte anmutig das Haupt, als Zeichen, dass sie verstanden hatte.
Als er ihre Räume wieder verlassen hatte, seufzte sie tief und drehte ihrem Spiegelbild den Rücken zu.
>>Euer Hoheit, Ihr habt Euer Verlobungsfußkettchen vergessen.<<, erinnerte sie eine ihrer Hofdamen. Shadia hatte es jedoch nicht vergessen. Es widerte sie einfach an es zu tragen, denn hatte sie es erst einmal an, war es wie ein Brandzeichen, das auf ewig nicht mehr weggehen würde und sie als Besitz des Prinzen kennzeichnen würde. In dieser Kultur war es Tradition, dass der Mann seiner Verlobte ein Fußkettchen schenkte. Sie hatte gehofft, dass die anderen das Kettchen vergaßen, oder dass sie es wenigstens so lange wie möglich herauszögern könnte.
>>Na schön, legt es mir an.<<, gab sie widerwillig nach und die junge Frau schloss es um ihren Knöchel.
Als sie ihre Gemächer verließ, klimperten die Glöckchen daran fröhlich und zogen Ihre Laune noch weiter herunter.

Atlas - Die Geschichte einer Diebin, die Prinzessin wurde *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt