Ein abendliches Treffen

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Ein Raunen gibt durch die Bibliothek. Große Regale aus dunklem, schweren Holz reihten sich dicht aneinander und beherbergten eine Unmenge an Bücher, Pergamentrollen und staubigen Wälzern. Hier und da schwebten glimmende Kerzen und warfen tanzende Schatten an die hohe Decke. Die Sonne, die an diesem Vormittag besonders hell leuchtete, kämpfte sich nur mühsam durch die staubigen Milchgläser der Fenster.

Harry Potter saß mit gesenkten Kopf an einem der runden Tische, die in der Bibliothek verteilt waren. Seine zerzausten Haare kitzelten ihn sanft an seiner Stirn, während er konzentriert über ein dickes Buch gebeugt war. Aufmerksam huschten seine Augen über die schmalen Zeilen und nahmen alle Zaubersprüche zur Verteidigung gegen schwarzmagische Flüche wahr, die dort aufgelistet waren. Dieser Anblick verleitete die umstehenden Schüler und Schülerinnen nicht zum Tuscheln und Raunen. Viel mehr sorgte dafür die Tatsache, dass Harry Potter, der wohl bekannteste Gryffindor von ganz Hogwarts, sich einen Tisch mit zwei Slytherins teilte. Und diese beiden, ganz in grün gekleideten Klassenkameraden, waren niemand anderes als Blaise Zabini und Draco Malfoy.

Im Unterricht für Verteidigung gegen die dunklen Künste führte Professor Lupin seit Beginn des Schuljahres eine Gruppenarbeit durch, während der sich die Schüler eigenständig mit den verschiedenen Rubriken der Verteidigung auseinandersetzen sollten. Eine Gruppe beschäftigte sich mit Verteidigung gegen magische Geschöpfe, eine Weitere mit Verteidigung gegen magische Artefakte. Und zuletzt eine Gruppe, in der die Verteidigung gegen Hexen und Zauberer studiert wurde. Das war auch die Gruppe, in der Harry und die Slytherins gelandet waren.

Der Schwarzhaarige war mit Beginn des Unterrichts und den ausbleibenden Sticheleien von Seiten Malfoys selbst überrascht gewesen. Nachdem die Gruppe gemeinsam besprochen hatte, zunächst nach passender Literatur zu suchen, begaben sich die drei sowie wenige weitere Schüler aus den Häusern Hufflepuff und Ravenclaw in die schuleigene Bibliothek. Auch nachdem für Harry kein anderer Platz als der bei den Slytherins übrig blieb, folgten weiterhin keine fiesen Kommentare. Der junge Gryffindor kam nicht umhin zu bemerken, wie zermürbt sein blonder Gegenüber wirkte. Die sonst glitzernden Augen schauten matt aus ihren Höhlen und die hohen Wangenknochen standen noch weiter hervor als sie es gewöhnlich taten.

Draco Malfoy saß ebenfalls konzentriert nach vorne gebeugt über einem schäbigen Wälzer, dessen Seiten einen besonders sanften Umgang erforderten, um nicht direkt in den Händen des Lesers zu zerfallen. Auch ihm war nach einem kurzen Augenblick der gemeinsamen Gruppenarbeit aufgefallen, dass er Potter noch nicht getriezt hatte, obwohl er ihm direkt ausgeliefert war. Für wenige Sekunden hatte der Slytherin verblüfft dagesessen und den Gryffindor angestarrt als hätte dieser soeben den Untergang der Zaubererwelt verkündet. Das waren die wenigen Sekunden, in denen der sonst so kaltherzige Blonde realisierte, dass sein angeblicher Erzfeind unglaublich zerbrechlich wirkte. Potter hatte Gewicht verloren, das konnte auch der lange Umhang nicht verstecken. Doch nicht nur die hervorstehenden Knochen, über die sich die blasse Haut des Schwarzhaarigen spannte, ließen in dem Slytherin ein ungewohntes Gefühl aufkommen. Auch die Enttäuschung und Verzweiflung, die den Gryffindor wie eine Art Nebel zu umgeben schienen, wirkten greifbar nah und erschreckend real. Draco mochte diese Gefühle und Gedanken nicht, die so gar nicht zu seinem bedeckten Malfoy-Charakter passten. Dennoch verleiteten sie ihn dazu, schweigend seine Aufgaben zu erledigen, während zwischen den Schülern ein Waffenstillstand herrschte, von dem niemals jemand geglaubt hätte, dass er möglich wäre.
.....

Die helle Sonne über den Ländereien der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei verlor zu wachsender Stunde ihre Kraft und zog sich langsam hinter dichten Wolken und die hohen Kiefern des Verbotenen Waldes zurück. Wer nun seine Nase platt gegen ein Fenster des Gemeinschaftsraumes gedrückt hätte, dort halten sich die meisten Schüler nach dem Abendessen auf, hätte eine schwarze Gestalt mit einer tiefen Kapuze beobachten können. Diese Gestalt huschte mit einem wallenden Umhang über das feuchte Gras der Ländereien und näherte sich zielstrebig dem dunklen Wald, der direkt vor ihr lag. Am Waldrand angelangt, zuckte die Gestalt willkürlich mit ihrer linken Hand und das wilde Gebüsch beugte sich zur Seite und ließ sie durch das Dickicht steigen. Ein lautes Knarzen und das Brechen der feinen Äste schallte durch die aufkeimende Nacht.

„Severus?", ertönte ein Flüstern, nicht weit von der Gestalt mit dem schwarzen Umhang. „Ich bin hier.", antwortete eine murrende Stimme. Mit diesen Worten erschien das Gesicht des Tränkemeisters unter der schwarzen Kapuze und er ließ seinen Blick durch den Wald schweifen. Vor ihm stand Professor Lupin. Sein zerschlissener Mantel fiel ihm locker über die Schultern und trotz der seltsamen Situation leuchteten seine honiggoldenen Augen sanft der Nacht entgegen.

„Deine Nachricht war sehr kurz, was möchtest du mir dringendes mitteilen, dass wir uns an einem solch ungemütlichen Ort treffen?", flüsterte der Professor für Verteidigung gegen die dunkeln Künste. Severus Snape zückte seinen Zauberstab und schwor kurzerhand einen Zauber hervor, der verhinderte, dass jemand ihr Gespräch mitverfolgen könnte.
„Minerva und ich haben einen radikalen Schritt gewagt, um ein detaillierteres Bild über den... ich würde es Zustand des Schulleiters nennen, zu erhalten.", raunte er und ließ seine Argusaugen nicht von der dunkeln Umgebung ab. Remus Mund öffnete sich leicht, doch er schwieg und ließ den Schwarzhaarigen fortfahren.
„Wir sind während der Sitzung des Zaubergamots in das Büro des Schulleiters eingedrungen...", doch diesmal wurde er unterbrochen. „Ihr seid in das Büro von Dumbledore eingestiegen? Mit Verlaub, aber welcher Wahnsinn hat euch da getrieben? Dumbledore wird das sofort bemerken!", keuchte der ehemalige Gryffindor und suchte krampfhaft nach einer Beschäftigung für seine nervösen Hände. Snape jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und zischte genervt. „Nein Remus, eben nicht. Professor Dumbledore hat es nicht bemerkt."

Und so langsam ging dem Zauberer mit dem zerschlissenen Umhang ein Licht auf. „Es war ein Test.", murmelte er mehr zu sich selbst als zu seinem Gesprächspartner. Dieser stimme dennoch zu. „Ja Lupin, es war ein Test. Ein Albus Dumbledore, der auf seine volle Intelligenz zugreifen kann, hätte noch im selben Augenblick, in dem wir uns seinem Büro näherten, gemerkt, dass dort etwas nicht nach rechten Dingen zugeht."
„Doch er hat es nicht gemerkt.", vervollständigte Remus seinen Gedankengang und schaute alarmiert auf. Snape antwortete auf diesen Blick mit einem bestätigenden Nicken und fuhr fort.
„Minerva und ich waren absichtlich forsch und unvorsichtig. Wir haben sogar deutliche Spuren mit unseren Zauberstäben zurückgelassen. Dennoch hat Dumbles nicht das geringste bemerkt."

„Dumbledore ist in einer deutlich schlechteren Verfassung als wird ursprünglich dachten. Da läuft irgendetwas ganz gewaltig neben der Spur."

Und noch während die beiden Professoren fachsimpelten, was mit dem Schulleiter geschehen war, sandte eben dieser einen Hauselfen mit einer kleinen Rolle Pergament in den Schlafsaal des Gryffindorturmes und ließ Harry Potter solange an den Füßen kitzeln, bis dieser völlig verstört aus seinem langersehnten Schlaf hochschrecke und die Worte Dumbledores lesen konnte.

Harry, bitte komm doch in mein Büro. Es ist von großer Dringlichkeit.

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Guten Abend ihr Lieben!

Hier folgt schon das nächste Kapitel und endlich endlich gibt es die ersten Auflösungen. Aber es bleibt weiterhin spannend.

Was denkt ihr über Draco?

Ich freue mich sehr über Eure Votes, Kommentare und Rückmeldungen.

Macht es gut und bis zum nächsten Mal!
Eure Ronja

FighterWhere stories live. Discover now