Begegnungen

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Im runden Büro des Schulleiters der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei herrschte eine erdrückende Stille. Die unzähligen Gemälde, die die Wände zierten, zeigten bekannte und unbekannte Magier, die müde ihre Köpfe gegen den Rahmen legten und dennoch interessiert dem Geschehen folgten, das sich mitten in der Nacht in diesem Büro abspielte.

Albus Dumbledore saß mit seinen violetten Blaubeermuffin-Hausschlappen hinter seinem Schreibtisch und beobachtete interessiert seinen Schützling, dem er soeben verkündet hatte, dass Sirius Black ihn ermorden möchte, nachdem er zuvor seine Eltern verraten hatte.

Harry hatte mit seiner Beherrschung zu kämpfen. Die Tatsache, dass ihn jemand ermorden möchte, löste nur einen kleinen Hauch an Angst in ihm aus. In seinen letzten Schuljahren war er Voldemort mehrmals begegnet, obwohl dieser als verschwunden galt. Er hatte sich damit abgefunden, dass es Zauberer gibt, die ihn tot sehen möchten.

Das Verhalten Dumbledores hingegen ließ Harrys Wut aufkochen. Dieser saß regelrecht vergnügt in seinem Knautschsessel und drehte seine schrumpeligen Daumen als hätte er soeben eine unendlich frohe Botschaft überbracht. Hinzu kommt, dass er Harry noch immer Informationen vorenthielt, obwohl sie eben diesen unmittelbar betrafen. Der Schwarzhaarige versuchte, diese Wut nicht nach außen zu transportieren. Sein Instinkt sagte ihm nach wie vor, Vorsicht zu gebieten und es schien, als wäre dieser das einzige, worauf er sich verlassen könnte.

Der Ältere begriff nach einiger Zeit, dass Harry nichts erwidern würde und räusperte sich, um weiterzusprechen.
„Du brauchst dir keine Sorgen machen, mein Junge. Hier in Hogwarts bist du sicher. Es gibt unzählige Schutzmaßnahmen, die getroffen wurden. Ebenso warst du bei deiner Tante und deinem Onkel im Ligusterweg sicher und wirst es auch in den folgenden Ferien sein."

Harry konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. Blitzartig durchfuhr ihn der Schmerz der Erinnerung an die Misshandlung durch seinen Onkel und seinen Cousin. Seine smaragdgrünen Augen färbten sich dunkel und richteten sich traurig auf seinen Schulleiter, den er einst geschätzt und respektiert hatte.

„Danke, Professor.", murmelte der Gryffindor und seine kalte Enttäuschung schwappte spürbar durch den Raum.

Doch Dumbeldore schien sie nicht zu erreichen. Dieser klatschte munter in die Hände, erzählte etwas von Selbstverständlichkeit und schickte seinen Schüler kurzerhand zurück in den Schlafsaal. Für ihn war das Gespräch beendet und durchweg positiv verlaufen. Während der Schwarzhaarige das Büro verließ, klopfte sich der Ältere innerlich auf die Schulter und gönnte sich eine heiße Tasse seines geliebten Ingwertees.

Harry stolperte wie in Trance durch die verlassenen Korridore. Noch nie zuvor hatte ihn der Schmerz und die Enttäuschung so kalt überrollt. Er hatte sich an den Gedanken geklammert, dass es Menschen gäbe, denen er wichtig sei. Menschen, die ihm helfen würden. Albus Dumbledore zählte zu diesen Menschen – er hatte in ihm jemanden gesehen, der sich um ihn sorgte. Doch nun hatte er Klarheit. Er sorgte sich nicht; er erfüllte lediglich seine Pflicht. Harry war sich sicher, dass der Schulleiter sehr wohl von seinem Schmerz und der Misshandlung wusste. Er war einer der mächtigsten Zauberer und für den Schutz im Ligusterweg verantwortlich. Der Schwarzhaarige ballte seine Hände zu Fäusten. Es wäre fast lächerlich zu glauben, dass Dumbledore nichts davon wüsste.

Keuchend blieb Harry an einem Fenster stehen, das in einer Abbiegung des Korridors das Schimmern des Mondes in das dunkle Schloss gleiten ließ. Er lehnte seinen glühenden Kopf gegen die feuchte Scheibe und begann zu zittern.

War er so wenig wert?

Eine Träne stahl sich aus seinen Augen, die noch immer dunkel vor Enttäuschung waren. Er raufte sich verzweifelt die Haare, schluchzte laut und schlug mit voller Kraft seine Faust gegen das feste Gemäuer aus Stein.

Ein kaltes Knacken durchschnitt die Stille und Harry beobachtete, noch immer zitternd, das Blut, das nun langsam von seinen aufgeplatzten Knöcheln tropfte.

„Potter!"

Der Gryffindor erwachte aus seiner Trance und wirbelte herum. Er hatte niemanden näherkommen gehört und suchte nun aufmerksam die Gänge ab, um den Zauberer zu entdecken, zu dem diese Stimme gehörte. Kurz darauf trat Draco Malfoy aus einer Nische, nicht weit von dem Fenster entfernt, an dem Harry eben noch gelehnt hatte.

„Potter.", wiederholte der Slytherin erneut.
„Allein im Schloss unterwegs?", schnarrte er und begab sich direkt in den Mondschein, sodass sein blasses Gesicht erkennbar wurde, das erneut von tiefen Augenringen geziert wurde.

„Lass gut sein, Malfoy.", seufzte Harry matt. Er hatte keine Kraft für eine kurzfristige Pausierung des Waffenstillstandes. Er hatte keine Kraft für eine Auseinandersetzung.

Der Blonde musterte sein Gegenüber und legte seinen Kopf schief. „Du blutest.", stellte er nüchtern fest und taxierte die knochige, aufgeplatzte Hand mit seinen wachsamen Augen, die silbern im Mondschein glitzerten.

„Ich ...", begann Harry, doch er brach ab – wohlwissend, dass Malfoy seinen Zusammenbruch gesehen hatte. Er musste schon in der Nische gestanden haben, als Harry gekommen war, andernfalls hätte er ihn bemerkt. Der Schwarzhaarige hob nun den Blick. Draco sah müde aus. Er versuchte seiner adeligen Haltung gerecht zu werden, doch seine Schultern waren eingeknickt, sein Blick erschöpft. Er wirkte in diesem Augenblick nicht wie jemand, der auf eine Auseinandersetzung hinaus war.

Harry setzte sich langsam in Bewegung. Er hatte nur noch wenige Stunden, bis er bereits wieder im Unterricht sitzen müsste und sein Körper lechzte förmlich nach Erholung. Malfoy nahm jede Bewegung des Gryffindors wahr und als er realisierte, dass dieser ging, folgte er kurzerhand.

Stumm gingen sie nebeneinander mit einem gewissen Abstand durch das verlassene Schloss. Beide Zauberer genossen die Ruhe, waren tief in ihren Gedanken gefangen und im Inneren doch froh, für einen kurzen Augenblick nicht allein zu sein.

An einer weiteren Abbiegung blieb der Slytherin stehen, um dem Weg hinab in die Kerker zu folgen. Harry bemerkte es nach einigen Schritten, wandte sich noch einmal um und fing Dracos Blick ein.

„Gute Nacht, Malfoy."

Ein kurzes Nicken folgte als Antwort und beide begaben sich, unbemerkt von ihren Mitschülern, in ihre Schlafsäle.

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Hallo Hallo!

Wie versprochen noch heute ein weiteres Kapitel. Das Schreiben hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, auch wenn es mir leid tut, dass es Harry absolut nicht gut geht.

Was sagt ihr zu diesem Kapitel?

Ich freue mich über jede Rückmeldung!

Bis ganz bald.
Eure Ronja :)

FighterWhere stories live. Discover now