Kapitel 6 - 2. Gerichtstermin

6.2K 259 34
                                    

Ich strich mir mit der Hand über den Bauch. Immer mehr liebte ich den Gedanken daran, dass ich das Baby von mir und Andrès in mir trug. Aber es war der falsche Moment. Ich nahm das Haargummi von meinem Handgelenk und versuchte mich an einen strengen Dutt. Aber meine Nervosität kroch mir den Hals hoch und daher versagte ich darin.

An allen Seiten schauten meine Strähnen heraus. Der Zopf hing locker herunter und glich eher einem Low Bun. Meine Handinnenflächen waren feucht und irgendwie taub. 

Ich spürte nur meinen Herzschlag.

Scheiße, so viel Nervosität in deinem Leben ist nicht gut für das Baby.

Erneut nahm ich den Trubel wahr, der sich neben dem Raum, in dem ich mich befand, breit machte.

Richtig. Es war der zweite Gerichtstermin.

Mein Anwalt stürmte herein und lief hektisch auf und ab.

"Sie wissen noch alles?"

"Ja, Mister Morton. Sofern wir bei der Geschichte bleiben?", ich klang vielleicht ruhig, aber in mir drin veranstalteten meine Gedanken ein einziges Chaos. 

"Ja. Das tun wir", die Tür wurde aufgeschlagen, "kommen Sie. Es geht los."

Ich glaubte schon fast, dass Mister Morton nervöser war als ich. 

Wir betraten den Gerichtssaal und wie am ersten Tag war er rappelvoll. Nein, der Saal war noch viel voller. Alles Augenpaare, die mir gehässige Blicke zuwarfen. Außer der von Léon. Er saß ganz beruhigt da und hielt mir heimlich den Daumen hoch. Wir setzten uns auf unsere Plätze.

Der angepisste Richter erhob sich und wir taten es ihm gleich. Der Staatsanwalt verlies kurz die Anklage und der Richter nahm die wichtigsten Punkte des ersten Termins auf. Schon wieder wurde mein Hals wüstentrocken. Ich nahm ein Schluck Wasser aus dem Glas, das sich vor mir befand. Aber ich musste mich zusammen reißen, wenn ich lebend raus wollte und mein Kind nicht im Knast gebären wollte.

"Ich möchte den Fall heute gerne zu Ende bringen. Rufen Sie den Zeugen Mister Thompson herein."

Mein Onkel erschien und wurde vorgeführt. Er stellte sich an einem dafür errichteten Platz mittig zwischen den Tischen des Staatsanwaltes und unserem und schenkte mir einen entschlossenen Blick.

"William Thompson, geboren am dreißigsten Dezember neunzehnhundertvierundsiebzig, Klempner und Onkel von Mia Liane. Können Sie die Aussage von Miss Liane bestätigen, dass sie Mister Mancini nicht gesichtet hatte und auch nicht schwanger ist?"

"Schwanger ist sie", sagte er selbstbewusst und der Saal wurde etwas lauter.

"Ruhe!", schrie der Richter und warf den Zuhörern giftige Blicke zu.

"Nun ja. Sie ist schwanger. Aber eben nicht von Andrès Mancini. Das hat sie mir erzählt."

"Und von wem dann?"

"Das wollte sie mir nicht sagen. So wie sie es Ihnen nicht sagen wollte. Aber meine Nichte ist zuversichtlich, es heute Preis zu geben."

Gelächter von mehren Ecken des Saals. Es war wie eine Show für die anderen.

"Ich rufe den Polizisten auf, der Miss Liane am Flughafen abgeholt hatte und sie sicher im Krankenhaus abgesetzt hat."

Onkel William setze sich in der vordersten Reihe, abgetrennt von dem Rest. Der gut gebaute Mann mit den kupferbraunen Haaren und seinem Abzeichen an seinem Hemd kam herein und stellte sich in den Zeugenposten. Nach einem Identitätscheck begann er zu sprechen.

"Ich kenne Miss Liane nicht. Aber sie hatte nicht den Eindruck gemacht, als befürchte sie, dass man ihrer Schwangerschaft auf die Schliche ging. Sie hat sich der ärztlichen Untersuchung ganz hingegeben. Als hätte sie es nicht gewusst. Das kann ich bestätigen."

"Ist das wahr, Miss Liane?"

Ich sah zu meinem Verteidiger, der mir zunickte. Dann sah ich zum Richter: "Ja. Das ist wahr Herr Richter. Ich wusste es nicht. Leider."

"Und können Sie mir dann sagen, von wem, um Himmels Willen, Sie ein Kind erwarten?"

Der Mann, der neben dem Richter saß und seine Rolle mir noch nicht bekannt war, stand plötzlich auf und flüsterte dem Richter etwas ins Ohr. Dieser verlor seine Konzentration. Er ließ sich bequatschen und überlegte kurz. Mit einem knappen Winken gab er einem Polizisten an einer anderen Tür ein Zeichen. Dieser öffnete die Tür hinter sich. Vermutlich wurde ein weiterer Zeuge eingeladen.

Währenddessen nahm der Richter seinen Satz auf.

"Miss Liane. Wie uns bereits bekannt ist, sind Sie in der...siebten Schwangerschaftswoche schwanger? Ist das die Siebte?", er durchsuchte seine Papiere.

"Achte", korrigierte ich ihn und ein Gemurmel machte sich im Saal breit.

"Wie auch immer. Wie lautet nun Ihre Aussage?"

"Meine Aussage....genau...meine Aussage lautet, dass ich von dem Personal geschwängert wurde. Es war so eine Art...Zuflucht für mich. Es war ein Mann, der sich gut um mich kümmerte, während ich dort festsaß. Sein Name ist mir nicht bewusst."

Ich nahm Schritte vom Zeugen wahr. Sprach weiter, mein Blick haftete immer noch an den Richter.

"Auf jeden Fall war es kein Zwang, es war Angst. Nennen Sie es Schock. Wie ich bereits sagte: Andrès Mancini ist mir so gut wie kaum bekannt."

"Das Personal also. Kriegen wir eine Beschreibung von Ihnen, Miss Liane?"

Ich öffnete den Mund, willig, zu antworten, so, wie ich es mit meinem Verteidiger geübt hatte, als eine andere Stimme mich aus dem Konzept brachte. 

"Euer Ehren? Ich bin das Personal gewesen. Das Kind ist von mir."

Nein.

Nein.

Nein!

Der Zeuge sprach. Ich kannte diese Stimme. Oh, und wie ich sie kannte. Es war jetzt mucksmäuschenstill. Damit hatte niemand gerechnet.

Nein!!!

Meine Nägel krallten sich an dem Tisch und ich riss den Kopf zur Seite. Beobachtete das Seitenprofil dieses Mannes.

Der sizilianischer nicht aussehen konnte. Meine Augen wurden direkt feucht und ich zwang mich mit allen Mitteln dazu, dass mir die Tränen nicht hinab rollten.

Alles nur nicht das.

Kurz schaute ich auf zur Decke.

Bitte, Gott. Bitte quäl mich nicht. Verarsch mich nicht. Tu das nicht. 

Hör auf damit!

Der Richter wandte sich an ihm, während mein Brustkorb gewaltig zu schmerzen begann: "Gut. Das ist ja schon mal ziemlich...selbsterklärend. Neben mir ist ein Übersetzer, falls Ihnen englische Wörter fehlen. Beginnen wir mit Ihrer Identität. Ihr Name lautet Riccardo Exposito, geboren neunzehnhundertneunundneunzig in Palermo, in Sizilien. Wächter der Familie Mancini. Ist das korrekt?"

"Ja. Das ist korrekt."

If You Love Me Stay With Me [ABGESCHLOSSEN]Where stories live. Discover now