Kapitel 5 - Die Klinik

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Weil etwas in mir drin dagegen kämpfte. Von Anfang an dagegen war. Und dann kam dieser Léon und sprach aus, was ich mich nicht traute.

"Überdenke das."

 Shit, warum hat er das gesagt?!

Die Krankenschwester verschwand.

Ich will das nicht.

Ich will das Baby nicht töten.

Kurz darauf kam sie wieder. Mit einem kleinen Tisch auf Rollen, in denen sich eine Nadel und das Narkosemittel befanden. 

Ich will dem Baby eine Chance geben.

Sie lächelte mich an und schob meinen Ärmel hoch. Desinfizierte die Stelle, an der sie zustechen würde.

Ich will uns eine Chance geben.

"Sitzen Sie bequem?"

Ich nickte.

Das Baby ist das einzige Stück Andrès, das mir übrig geblieben ist.

"Gut. Entspannen Sie sich einfach."

Sie kam mit der Nadel näher.

Ich fuchtelte wie verrückt mit den Händen und fiel quasi von der Liege.

"Oh-mein Gott! Alles okay?!"

Ich japste nach Luft. Riss den Arm hoch. Ich war noch nicht gestochen.

Ich faltete den Ärmel meines Oberteils wieder herunter und fuhr mir verzweifelt durch die Haare.

"Miss Liane", sie lief auf mich zu. Der Fehler war, dass sie immer noch die Nadel in ihrer Hand hielt. 

"Nein! Ich kann das nicht!", ich rannte hinaus. An dem Wartezimmer vorbei und einfach raus aus der Klinik. Selbst Léon vergaß ich. Ich rannte die paar Treppenstufen herunter und griff nach der silbrigen Stange der Treppe, sonst wäre ich auf das Gesicht gefallen. Panik kam in mir auf.

Toll. Ich habe den Termin sausen lassen!

War das richtig?! 

War das falsch?!

Ein Mann rannte aus dem Eingang heraus, die Treppen herunter und bevor ich mich umdrehte, zog er mich in seine Umarmung. Mein Gesicht war tränenüberströmt.

"Léon, ich- ich weiß nicht....ich....", nuschelte ich ihm in die Jacke.

"Alles gut, Mia."

Ich nahm alles zurück. Und war in diesem Moment so dankbar, dass Léon hier war. Bei mir.

War es richtig?!

Oder war es falsch, verdammt?!

Ich sah auf in seine hellen Augen. Meine Augen sprachen hingegen Bände.

"Das war richtig, was du getan hast."

[...]

Wir spazierten jetzt öfters. Ich lachte immer mehr. Es war schön, jemanden zu haben, der mich verstand. Léon war nur ein paar Jahre älter, er erinnerte mich so sehr an Julian. Ab und an untersuchte er mich sogar. Er war schließlich Allgemeinmediziner. 

Täglich prüfte er, ob ich Folsäure nahm und mich an meinen Nahrungsplan hielt. Und wenn mir schlecht wurde hatte er die besten Tipps parat, damit es mir besser ging.

Er tat mir gut. Gesundheitlich. Und seelisch.

Aber ein kleiner Teil von mir verdächtigte dahinter noch etwas anderes: Das Léon es nicht nur tat, weil er sowas wie mein Cousin war. Sondern aus anderen Gründen. 

Nach einem längeren Spaziergang, weil Sport laut Léon unheimlich wichtig war in der Schwangerschaft, schlenderte ich in mein Zimmer zurück und setzte mich an die Fensterbank. Ich sah hinaus, während ich in ein Apfel biss. 

Als ich jemand schwarz Bekleidetes sah, der hinter dem Baum hervortrat, der am Weg unseres Haustür stand. Er war nicht wie ein gewöhnlicher Paparazzo denn A hatte er keine Kamera um unser Haus zu fotografieren und B sah er mir direkt ins Zimmer hoch. Er erkannte mich und als er sah, dass auch ich ihn sah, rührte er sich nicht vom Fleck. Selbst sein Gesicht war bedeckt von einem Cap und einer schwarzen Sonnenbrille. 

Mir fiel beinahe das Herz in die Hose. Adrenalin packte mich und ich schreckte auf. Ich klebte am Fenster, starrte ihn an. Er bückte sich leicht, hielt sich in der Position, um davon zu rennen.

"Hey!", schrie ich. Auch wenn ich wusste, dass er mich nicht hören konnte. Ich ließ den Apfel fallen und rannte die Treppen herunter, rannte hinaus.

Nach Luft schnappend stand ich nun dort wo er stand.

Keine Spur. Er war wie vom Erdboden verschluckt.

Ich rannte um das Haus herum und fand auch dort niemanden.

Mir wurde schnell schwindelig und ich ließ mich auf das kalte, farblose Gras nieder. Knickte die Knie ein und zog sie zu mir. Fröstelte leicht, dennoch genoss ich die Kälte. Pickte ein oder zwei Grashalme heraus und pustete die Haarsträhnen aus dem Gesicht. 

Und dann wurde es mir auf einmal klar. Glasklar. Dass ich mir weder die Statur hinter dem Gebüsch im Park, noch das angsteinflößende Gesicht am Fenster eingebildet hatte.

Es war real.

Und es verfolgte mich.

Nur mal so nebenbei: Habe ich hier Leser/-innen, die regelmäßig darauf warten, dass ich update? Jaaa ich weiß alles noch viel zu früh. Aber meine Neugierde eben :)

If You Love Me Stay With Me [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt