Kapitel 6

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„Na das sieht doch nach einem schönen Nachhauseweg aus", raunte in mir selbst in pessimistischem Tonfall mehr zu mir als zu den Leuten um mich herum. Ich nahm einen Schluck aus meinem Becher, in dem sich mittlerweile nur noch Cola befand, und schaute aus einem der bodentiefen Fenster. Draußen tobte ein regelrechter Sturm, der wild an den Bäumen zerrte und den Regen fest auf den Boden Asphalt prassen ließ. Begleitet wurde der Wind von einem lauten Donnern, das ein vermutlich heran nahendes Gewitter ankündigte. Einige andere Leute standen genau wie ich an den Fenstern und sahen hinaus, doch keines der Gesichter sagte mir wirklich etwas.

Kayla hatte bereits vor einer halben Stunde beschlossen, dass sie besser nach Hause ging, da sie mit ihrer Mutter abgemacht hatte, dass sie spätestens um zwölf zurückkommen würde. Seitdem war ich hier größtenteils alleine. Zwar kannte ich auch ein paar Leute ganz gut und ich hatte auch kurz Zeit mit ihnen verbracht. Mittlerweile hielt ich es allerdings auch langsam für eine gute Idee ebenfalls hier zu verschwinden, bevor tatsächlich ein Gewitter aufkam.

Ich löste meinen Blick vom Fenster und trat an den anderen vorbei. Ich zerdrückte den mittlerweile leeren Becher in meiner Hand und stellte ihn auf einem der vollgepackten Tische ab. Dann machte ich mich auf den Weg in Richtung Haustür. Dort begann ich unter den vielen Jacken, die alle Besucher unordentlich an die Harken gehängt hatten, nach meiner eigenen zu suchen. Als ich sie nach einigen Sekunden gefunden hatte, zog ich sie schnell unter dem Haufen hervor und streifte sie über. Ein letztes Mal fuhr ich mit beiden Händen in meine Taschen, um nachzuprüfen, ob sich alles, was ich für den Abend mitgenommen hatte, immer noch an Ort und Stelle befand. Als ich sowohl mein Handy, als auch meinen Schlüssel ertastete, zog ich meine Hände wieder heraus und öffnete die Tür langsam.

Sofort peitschte mir der eisige Wind entgegen, doch davon ließ ich mich nicht abschrecken. Besser würde es sowieso nicht werden, wenn ich noch länger wartete. Viel eher würde sich das Gegenteil erarbeiten. Außerdem lag mein Haus ja nicht gerade weit entfernt von meinem momentanen Aufenthaltsort. Deshalb atmete ich einmal tief durch, bevor ich dann einen Schritt vor die Haustür machte und mich schnellen Schrittes durch den Vorgarten auf die Straße zu begab.

Der Wind zerrte fest an meiner Kleidung und sofort bereute ich es keine dickere Jacke angezogen zu haben. Denn bereits nach einigen Sekunden war das Leder völlig durchnässt und ich begann leicht zu frieren. Während ich über den Bürgersteig lief, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie das Wasser neben mir bereits die Straße hinunterströmte. Scheinbar hatte ich den Sturm, der für heute angekündigt war, mehr als nur unterschätzt. Augenscheinlich war ich aber nicht die Einzige, wenn ich bedachte, wie viele andere sich immer noch auf der Party befanden.

Als ich um eine Ecke bog, erklang ein weiteres Donnern über mir und ich spürte, wie mir ein heißer Schauer über den Rücken lief. Ich war noch nie ein sonderlich großer Fan von Gewittern gewesen. Instinktiv hob ich den Kopf, als ich beinahe direkt über mir ein helles Aufleuchten und kurz darauf das Geräusch eines Blitzeinschlags hörte. Sofort beschleunigte sich mein Schritt, während ich versuchte ruhig zu bleiben und einen tiefen Atemzug nahm. Was war nur los mit mir? Wenn es normalerweise gewitterte, schaffte ich es irgendwie meine Angst von mir zu weisen, doch nun schien ich dazu aus irgendeinem Grund nicht in der Lage zu sein. Allerdings vermied ich es sonst auch immer so gut es ging während so einem Sturm nach draußen zu gehen.

Beim nächsten Donnern zuckte ich leicht zusammen und versuchte mich noch schneller auf mein Haus zuzugeben, das mittlerweile bereits in Sichtweite war. Bevor ich allerdings richtig um die Kurve gebogen war, zuckte ein weiterer Blitz über mir und ich hob den Blick ein weiteres Mal. Jedoch war er dieses Mal nicht mehr wirklich von mir entfernt, sondern direkt über mir und raste mit Lichtgeschwindigkeit auf mich zu. Meine Augen weiteten sich in einem geschockten Ausdruck, doch bevor ich richtig reagieren konnte, spürte ich bereits, wie sich ein höllischer Schmerz über meinen ganzen Körper ausbreitete, während ich Sekunden lang nicht hörte, außer einem lauten Klingeln in meinem Ohr. Mein Blut schien regelrecht zu kochen und während es in Höchstgeschwindigkeit durch meine Adern gepumpt wurde, war mein Herzschlag zur gleichen Zeit beinahe wie angehalten. Dann wurde alles um mich herum schwarz.

Bolt | LegaciesWhere stories live. Discover now