Kapitel 2

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„Dad? Ich bin wieder zuhause", rief ich in den Flur hinein, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte. Als darauf keine Antwort kam, runzelte ich die Stirn und ließ meinen Rucksack auf den Boden fallen, bevor ich auf meine Jacke auszog. Dann setzte ich mich in Bewegung, um den Flur entlang bis ins Wohnzimmer zu gehen. Dort erblickte ich ihn allerdings auch nicht, weshalb ich erneut die Stimme erhob und auf die Küchentür zuging: "Dad!" Da sein musste er auf eigentlich. Zumindest hatte er heute normalerweise frei.

In der Küche angekommen, entdeckte ich meinen Vater, der vor dem Herd stand und ein ratloses Gesicht machte. „Hey Dad, was tust du da?", ich spürte, wie sich meine Mundwinkel leicht hoben. Das Bild meines Vaters, wie er mit fragendem Blick zu kochen versuchte, war einfach zu amüsant. „Hey Schatz, ich mache Mittagsessen für uns", antwortete er daraufhin und hob den Kopf für einige Sekunden lang ein Stück: "Wie war's in der Schule?"

Instinktiv verzog ich das Gesicht und versuchte darüber nachzudenken, was ich dazu am besten sagen konnte. Schließlich brauchte ich nicht sofort mit meinem Mathetest herauszurücken. „Wie immer"; antwortete ich deshalb nur knapp. Mein Vater hatte nämlich genauso wenig Ahnung davon, was ‚wie immer' bedeutete, wie ich. Wirklich viel fragte er mich glücklicherweise nämlich nicht darüber aus. Ganz anders als meine Mutter, wenn sie sich dann doch mal für mich interessierte und mich anrief.

Da ich darüber nicht mehr sprechen wollte, entschied ich mich dazu schnell das Thema zu wechseln: "Was kochst du denn?" „Ich versuche Omelette zu machen", er griff nach dem Pfannenwender und begann unbeholfen damit in der Pfanne herumzustochern, in einem Versuch das, was wohl mein Mittagessen war, irgendwie herumzudrehen. „Hättest du den Gutschein für den Kochkurs, den ich dir zum Vatertag geschenkt habe, müsstest du es nicht nur versuchen", grinste ich leicht neckend, da ich genau wusste, dass er genau das absichtlich getan hatte. „Möchtest du weiter machen?", fragte er, während er den Kopf leicht hob, woraufhin mir sein kleines Grinsen auffiel. „Ach ne, lass mal", winkte ich ab und schüttelte den Kopf.

„Ist es okay für dich, wenn ich für einen Filmabend heute gegen acht zu Kayla gehe?", fragte ich, während ich wieder auf die Tür zuging, um meinen Rucksack holen zu gehen. „Also ich habe nichts dagegen", rief er laut, da ich in den Flur verschwunden war: "Kayla sollte vorher nur besser ihre Eltern fragen, ob es okay ist."

„Okay, ich schreibe ihr gleich", rief ich in derselben Lautstärke, während ich mir meinen Rucksack schnappte und mich wieder auf den Weg machte. Dabei überlegte ich mir, ob ich sofort mit meinem Test herausrücken oder lieber noch ein wenig warten sollte. Schließlich wollte ich nicht das Risiko eingehen, dass er mir meine Pläne für das Wochenende irgendwie vermieste. Andererseits würde ich damit sowieso irgendwann rausrücken müssen und mein Vater würde sicher nicht erfreut sein, wenn er herausfinden würde, dass ich den Test lange vor ihm geheim gehalten hatte.

Wieder in der Küche angekommen, ließ ich mich auf einen der Hocker vor der Kücheninsel sinken und stellte meinen Rucksack auf meinem Schoß ab. Ich öffnete den Reißverschluss und begann nach meinem Test zu suchen. Dabei verriet mir das Klappern von Geschirr zu meiner Rechten, dass mein Vater sich auf die Suche nach Tellern begeben haben mussten.

„Ich hoffe, du hast Hunger", erklang seine Stimme zu meiner Rechten und ich nahm wahr, wie er einen Teller vor mir abstellte. Dadurch brachte er mich dazu den Kopf zu heben und einen Blick auf die Mahlzeit zu werfen, die er für mich zubereitet hatte. Tatsächlich sah er überraschend gut aus und ein angenehmer Geruch stieg mir in die Nase.

„Habe ich tatsächlich", antwortete ich und streckte mich, um eine Gabel aus einer nahegelegenen Schublade zu holen. Erst jetzt, wo mein Mittagessen vor mir stand, merkte ich wie sich langsam Hunger in mir breit machte. Was den Geschmack anging, war ich jedoch immer noch skeptisch. Schließlich wusste ich, aus eigener Erfahrung, dass er nicht der beste Koch war. Doch wenigstens versuchte er es überhaupt und gab sich Mühe, anstatt einfach jeden Tag Pizza zu bestellen. Obwohl ich mir das in einigen Situationen doch schon mal gewünscht hatte.

Während ich meine Tasche auf den Boden stellte und begann mein Omelett in mehrere Stücke zu zerteilen, nahm mein Vater sich sein eigenes Mittagessen und setzte sich dann neben mich. Sobald ich ein paar Bissen genommen hatte, fiel mein Blick jedoch erneut auf meinen Rucksack und den Test, der sich darin befand. Sofort verspürte ich wie ein harter Kloß in meinem Hals entstand und sich ein merkwürdiges Gefühl in meinem Inneren ausbreitete.

„Dad?", fragte ich nach einigen Sekunden deshalb und drehte meinen Kopf in seine Richtung. „Ja?", erwiderte er darauf und sah ebenfalls zu mir herüber, während er von seinem Omelett abbiss. „In der Schule haben wir heute den Mathetest wieder bekommen"; erklärte ich langsam und nahm wahr, wie ich mit den Kiefern zu knirschen begann. Zwar wusste ich, dass er über schlechte Noten nicht sauer war, wenn ich dafür vorher gelernt hatte. „Und?", erwartungsvoll sah er mich an, doch ich meinte sehen zu können, dass er bereits in meiner Mimik gelesen hatte, dass ich keine guten Neuigkeiten für ihn hatte. Immerhin kannte er mich schon mein ganzes Leben lang.

Seufzend ließ ich meine Gabel sinken und zog meinen Test hervor, um ihn meinem Vater zu überreichen. Ihm das lange zu verschweigen, würde mir sowieso nichts bringen. Er nahm das Stück Papier entgegen und ich konnte sehen, wie sein Blick langsam darüber wanderte. Als seine Augen sich auf meine Note hefteten, entwich auch ihm ein leichter Seufzer. „Bist du sauer?", in meiner Stimme lag etwas Vorsichtiges. „Nein", er ließ den Test sinken, sodass ich sein Gesicht wieder sehen konnte.

Er schüttelte den Kopf und gab mir das Stück Papier zurück: "Solange du dafür gelernt hast." Tatsächlich hatte ich für den Test gelernt, aber egal, was ich tat, bei Mathe half nichts, solange ich alleine lernte. „Mit deiner Mutter musst du das aber selbst klären"; fügte er dann noch hinzu. „Ich weiß"; murmelte ich in bitterem Ton. Das war mir schon von Anfang an klar gewesen, doch wirklich freute ich mich auf das Gespräch nicht.

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