Kapitel 4

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Pünktlich um acht Uhr drückte ich die Klingel an Kaylas Haustür. Tatsächlich hatte ich es geschafft meine Mutter rechtzeitig vor einer halben Stunde abzuwürgen, sodass ich mir ihr Gequatsche nicht weiter anhören musste und zudem noch ein wenig Zeit hatte, bevor ich zum Haus meiner besten Freundin aufbrach. Allerdings hatte ich in erster Linie nur versucht ihre Vorwürfe abzustellen.

Ehe ich darüber weiter nachdenken konnte, öffnete sich die Tür vor mir allerdings schon und Kayla erschien im Türrahmen: "Hey, Olivia. Pünktlich auf die Minute würde ich da sagen." „Hey", begrüßte ich sie ebenfalls: "Und ich bin doch immer pünktlich." „Hauptsache du selbst glaubst daran", ein amüsiertes Lächeln zuckte über ihre Lippen. Daraufhin verzog ich das Gesicht leicht, sagte aber nichts dazu, sondern trat einfach nur ein, als Kayla zur Seite ging, um mich ins Haus zu lassen.

„Ich hab übrigens alles bekommen, was ich für uns kaufen wollte", sagte Kayla dann, während ich dabei war meine Schuhe auszuziehen und meine Jacke an den Harken zu hängen. „Echt?", ich hob den Kopf und sah sie zufrieden an: "Klasse. Meine Chips also auch?" „Ja, die auch", nickte sie gegen die Wand gelehnt. Sobald ich fertig war, gingen wir zusammen in die Küche, wo ich auf der Theke einen ganzen Haufen Snacks entdeckte. Dann konnte unser Filmabend nun wohl wirklich losgehen und fürs Erste musste ich mit dem Kopf nur hier sein und konnte damit aufhören mit den Gedanken bei unzähligen anderen Dingen zu sein.

„Hallo, Mrs. Jones", begrüßte ich Kaylas Mom, als wir in die Küche kamen und ich sie auf den Knien beim Herumstöbern in den Küchenschränken entdeckte. Auf meine Worte hin, zog sie ihren Kopf aus einem der Schränke und richtete sich auf, wobei sie sich um ein Haar den Kopf an der Ecke einer offenstehenden Schranktür stieg. „Mom", sagte Kayla langgezogen in vorwurfsvollem und zugleich besorgtem Tonfall: "Pass bitte auf. Heute Abend habe ich nämlich keine Zeit dich in die Notaufnahme zu fahren."

Elina Jones besah ihre Tochter mit einem enttäuschten Blick, doch ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass es nicht wirklich so gemeint war und um das leichte, amüsierte Zucken ihrer Mundwinkel zu bemerken. Dann löste sie den Blick jedoch von Kayla und sah zu mir. Als die brünette Frau mich musterte, machte sich ein Lächeln auf ihren vollen Lippen breit, das ihr noch eine größere Ähnlichkeit zu ihrer Tochter verlieh: "Olivia, wie schön, dass du da bist."

„Sie hat sich fast schon mehr darauf gefreut, dass du kommst, als ich", konnte ich Kayla mir von der Seite zuflüstern hören und tatsächlich konnte ich mir das ziemlich gut vorstellen. Jedoch antwortete ich ihr darauf nicht, sondern schenkte ihrer Mutter stattdessen ebenfalls ein Lächeln: "Mich freut es auch." Daraufhin legte sie den Kopf in einem regelrecht liebevollen Ausdruck schief, streckte meine Arme leicht nach mir aus und hatte mich, ehe ich mich richtig versah, in eine Umarmung gezogen.

Plötzlich machte sich in mir ein Gefühl der Entspannung breit und ich erwiderte die Umarmung. Erst jetzt wurde mir richtig klar, dass ich es irgendwie vermisst hatte sie zu sehen. Denn auch, wenn sie Kaylas Mutter war, verband die Tatsache, dass ich früher fast jeden Tag hier gewesen war, fast schon hier gelebt hatte, uns. Man könnte fast sagen, dass sie mich mit erzogen hatte. Doch nicht nur das. Ihre Tür hatte auch jeder Zeit für mich offen gestanden. Das hatte sie mir oft genug deutlich gemacht. Besonders, wenn meine Eltern gestritten hatten und ich nicht zu Hause sein wollte oder wenn ich mal wieder Streit mit meiner Mutter gehabt hatte. Ohne mich auszufragen, wie Eltern es normalerweise so gerne taten, und hatte mir einfach das Gefühl gegeben, dass ich hier willkommen war. Seit sie jedoch wieder mehr arbeitete und ich mehr mit der Schule zu tun hatte, sahen wir uns nun nur noch selten. Trotzdem schien unsere Vertrautheit nicht verschwunden zu sein.

„Ich gehe schon mal ins Wohnzimmer und nehme die Sachen mit", meldete Kayla sich zu Wort und ich konnte hören, wie sie an uns vorbeiging und sich mit einem lauten Knistern die verschiedenen Tüten schnappte, bevor sie ins Wohnzimmer verschwand.

Sobald die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, lösten wir uns aus der Umarmung und sie sah zu mir herunter: "Wie läuft es eigentlich mit meiner Mom?" „Ganz gut", antwortete ich, mit der Absicht sie nicht zu beunruhigen, konnte mir ein schweres Schlucken jedoch nicht verkneifen. Ich konnte nicht genau sagen, ob es ihr aufgefallen war, hoffte aber, dass es nicht so war. Schließlich wollte ich diesen Abend einfach mal nicht damit verbringen mir einen Kopf, um das zu machen, was sie zu mir gesagt hatte. Doch selbst, wenn sie es gesehen hatte, schien sie darauf absichtlich nicht näher einzugehen. Stattdessen sah sie mich für einen Moment einfach nur durchdringend an: "Deine Mutter liebt dich, auch wenn es nicht immer so scheint. Denk immer dran." „Ja, wahrscheinlich", nickte ich langsam und sah dann zur Tür: "Ich gehe jetzt wohl besser zu Kayla. Nicht, dass sie alle Snacks ohne mich aufisst." „Klar", lächelte sie und ging dann wieder zu den Schränken, die sie gerade wohl am Umräumen war.

Mit einer kurzen Verabschiedung ging ich ins Wohnzimmer und ließ mich aufs Sofa sinken. Als ich meinen Kopf drehte, erblickte ich neben mir allerdings nicht Kayla, sondern ihren kleinen Bruder Kyle, der mich mit einem breiten Grinsen ansah. „Hey, Olivia", begrüßte der Junge, der gerade einmal dreizehn war, und beugte sich zu mir herüber. „Hey, Kyle", ich legte den Kopf leicht schief und rückte leicht von ihm weg: "Wo ist Kayla?" „Sie ist kurz auf der Toilette", erklärte er beiläufig, bevor er dann wieder näher an mich heranrückte und einen Arm um meine Schultern legte: "Aber das ist doch unwichtig. Wir sollten lieber über uns reden: Dich und mich." „Oh Gott, nicht schon wieder", sagte ich leise zu mir selbst. Tatsächlich versuchte Kyle sich fast immer, wenn ich hier war, an mich ran zu machen, was anfangs noch süß gewesen aber mittlerweile nur noch anstrengend, war. „Aus uns beiden wird niemals etwas, Kleiner", sagte ich deshalb hart und nahm seinen Arm von meiner Schulter. Daraufhin verzog er das Gesicht leicht und kletterte vom Sofa: "Ich bin nicht klein. Ich bin schon dreizehn. Aber gut, irgendwann wirst du sehen, was dir entgeht, wenn ich es bis dahin nicht doch schon geschafft habe dich in meine Arme zu treibe." Ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken leicht. Das würde niemals passieren.

„Kannst du mal bitte aufhören Olivia immer anzubaggern?!", verlange nun auch Kayla, die mittlerweile ins Wohnzimmer zurückgekehrt war. „Warum versuchst du dich immer zwischen unsere Liebe zu drängen?", erwiderte Kyle darauf mit finsterem Blick, woraufhin sie, genauso wie ich zuvor, das Gesicht verzog. „Ih, Kyle", leicht boxte sie ihn gegen den Arm und nickte dann in Richtung Treppe: "Verschwinde für den Rest des Abends gefälligst aus dem Wohnzimmer."

„Du kannst echt so gemein sein", beschwerte der Junge sich lautstark und verschwand dann mit finsterem Blick die Treppe hinauf. „Und du kannst unglaublich nerven", rief sie ihm hinterher und ließ sich neben mich aufs Sofa fallen. „Sei froh, dass du keine Geschwister hast", meinte sie und griff nach einer Packung Salzstangen. „Bin ich", lachte ich leicht und nahm mir ebenfalls eine Salzstange, bevor ich mich entschied noch etwas anzusprechen: "Ich hab übrigens über Alyssas Einladung nachgedacht." „Ja, ich auch", nickte meine beste Freundin zustimmend: "Und? Zu welchem Entschluss bist du gekommen?" „Vielleicht wäre es gar nicht so eine schlechte Idee hinzugehen", erklärte ich: "Ich meine, was für Nachteile hätten wir davon?" „Genau das Gleiche habe ich auch gedacht", ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Also gehen wir hin?", hakte sie nochmal nach, um wirklich sicher zu sein. „Wir gehen hin", nickte sie zustimmend.

Bolt | LegaciesWhere stories live. Discover now