Ich hatte es doch tatsächlich bis zur Deadline geschafft, die Songs fertig zu stellen.

Nun lief ich durch die Straßen, den Stick, auf dem ich die Lieder gespeichert hatte, in der Jackentasche und hoffte, dass ich mir den Weg gut genug gemerkt hatte.

"Soll ich mitkommen?", fragte Jimin gerade, doch ich verneinte.

"Das werde ich schon alleine schaffen. Oder, nein, ich muss es alleine schaffen. Das sind Gangsterrapper, die nehmen mich nicht ernst, wenn ich mit jemandem ankomme, der mir die Hand hält, weil ich so nervös bin. Sie haben mir ja auch gesagt, dass ich über etwas anderes schreiben soll, als über die Liebe. Das ist ganz anderes Gebiet."

Jimin lachte leise und fragte:

"Heißt das, dass ich dich ganz umsonst umerzogen habe, da du nun in den Undergroundrap der härtesten Klasse gehst und nun  so richtig unantastbar wirst? Gefährlich?"

"Natürlich.", meinte ich gelassen, "Alle sollten sich in acht nehmen, die dir was antun wollen. Denn sonst bekommen sie's mit mir zu tun."

Der andere lachte und ich musste stolz grinsen.

Ich freute mich jedes Mal unglaublich, wenn ich ihn zum Lachen bringen konnte, so, als wäre das ein Privileg.

"Okay, dann viel Glück, mein Beschützer.", verabschiedete sich Jimin und bewies damit perfektes Timing, da ich gerade um die letzte Ecke bog und in wenigen Schritten mein Ziel erreichen würde.

"Tschüss.", meinte ich und legte dann auf; meine Finger zitterten schon aufgrund der Kälte. Obwohl die Nervosität wahrscheinlich auch noch mit rein spielte.

Meine Gedanken stoppten, als ich endlich vor der Tür, die für mich alles bedeuten konnte, stand, um dann zu rasen.

Was, wenn es ihnen nicht gefiel?

Was, wenn es nicht hart genug war, wenn ich als Weichei rüber kam?

Doch bevor mich die Zweifel ganz übermannen konnten, drückte ich auf die unterste Klingel, wie Jiyong mir geschrieben hatte, und kurz darauf ertönte auch schon ein Sumen, sodass ich die Tür aufdrücken konnte.

Das Studio der beiden (oder was auch immer das war, in dem sie sich mit mir treffen wollten) lag im Erdgeschoss und ich sah auch schon den minthaarigen aus einer Tür spähen, um sie dann ganz zu öffnen und mich willkommen zu heißen.

Ich trat in einen kleinen Vorraum, in dem nichts außer einem verschlissenen Sofa, einem kleinen Kühlschrank und einer leicht vertrockneten Pflanze stand- ein Versuch, den kahlen Raum etwas wohnlicher zu gestalten, der offensichtlicher Weise misslungen ist.

"Ich weiß...kläglich.", meinte Jiyong, der meinem Blick gefolgt zu sein schien, doch gleich darauf hellte sich seine Miene auf und er grinste mich breit an, "Ich bin neugierig, was du uns mitgebrach hast."

Und wie auf ein Signal öffnete sich eine der zwei Türen, die aus diesem einsamen Zimmer und nicht in den Hausflur zurück führten, und Seunghyun stand im Rahmen, mich, wie schon bei unserem letzten Aufeinandertreffen, leicht skeptisch betrachten.

"Komm rein.", meinte er dann und hielt mir die Tür auf, damit ich in den Raum dahinter treten konnte und sofort wurden meine Augen riesig.

Es war ein Aufnahmestudio.

Ein richtiges Aufnahmestudio.

"Gefällt's dir?", fragte Jiyong grinsend und ich nickte, leicht benommen.

"Es ist...wunderschön...", hauchte ich.

Ich hatte das Gefühl, noch nie etwas so schönes gesehen zu haben. Abgesehen von Jimin vielleicht.

Sie hatten einen riesigen Tisch, auf dem diverse Mischpulte lagen, die Regler alle verschieden hoch gedreht. Neben dem Tisch standen links und rechts große Lautsprecher, die mir bis zur Brust hoch reichten und äußerst teuer aussahen. Wie es schien wurde hinter den Tisch ein niedriger Schrank gestellt, auf dem sie auch nocheinmal Lautsprecher gestellt hatten, die mit den zwei an der Seite wahrscheinlich einen tollen Sound erzeugten. Vor allem im hinteren Bereich, noch hinter den Mischpulten, war ein Kabelsalat vorzufinden, der mir etwas Unbehagen bereitete.

Wie wollten sie denn da den Überblick behalten?

Doch der große Tisch mit all seinen Utensilien war noch nicht alles.

Der gesamte Raum war viel größer, als ich es bei dem kleinen Vorraum angenommen hatte.

In der hinteren rechten Ecke war ein großes Sofa, zwar ebenfalls verschlissen, wie das hinter der Tür, das der toten Pflanze Gesellschaft leistete, doch es sah weitaus gemütlicher aus. Es war genau auf einen Flachbildfernseher gerichtet, der schwarz und leise die gesamte Zone dort zu überwachen schien. Ich glaubte, eine leere Chipstüte hinter den Kissen hervorlugen zu sehen.

Die Mitte des Raumes wurde von dem großen Aufnahmebereich beherrscht, mit einem- wenn ich mich nicht irrte- Kontrabasshocker vor einem Mikrofon, das den typischen Popfilter for sich hängen hatte. Eine Glaswand trennte den Bereich ab und im hinteren Teil war alles mit Schallwänden abgedeckt. Der Sound der Aufnahmen musste super sein.

Auf der anderen Seite des Raumes hingen und standen alle möglichen Instrumente. Gitarre neben Gitarre schmückte die Wand gemeinsam mit ein paar manchmal exotisch aussehenden Flöten. In der Ecke war ein Schlagzeug vorzufinden und etwas weiter vorne stand, ich konnte es kaum glauben, ein Klavier. Ein weißes Klavier, das zwar etwas verstaubt und teilweise angekratzt wirkte, mich aber an etwas erinnerte.

"Wo habt ihr das her?", fragte ich leise und deutete auf das Instrument, das ich ein Jahr zuvor nicht mehr am Bahnhof finden konnte.

"Haben es geschenkt bekommen.", antwortete Jiyong stolz, "Die Stadt wollte es wegschmeißen, da es anscheinend nicht mehr im Hauptbahnhof stehen sollte. Keine Ahnung, was sie plötzlich dagegen hatten. Mein Opa hat gerne darauf gespielt, er war oft da unterwegs. Aber anscheinend stand es nur noch rum, nachdem er verstorben ist..." Er zuckte kurz mit den Schultern, doch ich konnte es nicht fassen.

Es war tatsächlich das Klavier.

Das erste Instrument, auf dem ich gespielt habe. Und der alte Herr, der mir etwas beigebracht hatte-

"Hat dein Opa auch mal kleinen Kindern etwas beigebracht?", konnte ich mich nicht hindern, zu fragen und die zwei schienen etwas erstaunt über mein Interesse zu sein.

"Hm, weiß nicht...", überlegte der kleinere meiner Gastgeber, "Kann schon sein. Er hat manchmal bisschen was erzählt, aber kaum über irgendwelche Kinder. Zwei, drei Mal vielleicht... Warum?"

"Ich war vor Jahren mal am Hauptbahnhof mit meiner Mutter. Und da hat jemand Klavier gespielt, was unglaublich schön klang, weshalb ich sie gebeten hab, da hin zu gehen. Es ist ein älterer Herr gewesen, der mir danach gezeigt hat, wie man eine Tonleiter spielt und wo die Cs liegen. Er hat mich dazu gebracht, Klavier spielen zu wollen. Und dieses Piano hier erinnert mich sehr an diesen Tag.", erklärte ich und deutete auf das Instrument, das zwar Gesellschaft von anderen Instrumenten hatte, dennoch etwas einsam aussah, so verstaubt.

"Kann gut sein, dass es mein Opa gewesen ist.", stimmte Jiyong mir zu und lächelte leicht, "Ich glaube, er hätte dich gemocht. Vor allem, weil du dir diesen Tag im Herzen behalten hast."

Ich lächelte ebenfalls, doch der Moment wurde von Seunghyun unterbrochen, der sich räusperte und dann fest meinte:

"Das ist zwar schön und ich muss sagen, dass das Piano hier ein gutes zu Hause gefunden hat, doch wir sollten anfangen, sonst kommen wir zu spät."

Ich nickte und zog den Stick hervor.

Jetzt wurde es ernst.

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😇

Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen, für Verbesserungsvorschläge bin ich wie immer offen^^

Ein Kapitel noch, dann war's das auch schon...

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