Kapitel 31 - Der goldene Ring

Beginne am Anfang
                                    


Ich fuhr mir mit meinen Händen über meinen nackten Bauch, über die Arme, Rücken und Beine. Ich spürte nichts, keinen Schmerz. Ich dachte er wäre noch da. In einem meiner Alpträume hatte jede einzelne Stelle meines Körpers geschmerzt, fast so, als stünde mein Körper in Flammen. Jede Bewegung hatte geschmerzt, jede Berührung versprühte Leid und ich knirschte angestrengt mit den Zähnen, was den Schmerz jedoch nicht linderte. Ich wollte schreien, Hilfe suchen, doch ich war allein. Allein in irgendeiner fremden Stadt, kein anderer Mensch war zu sehen. Keine Autos, keine Katzen, Vögel, oder irgendetwas lebendiges - nur ich, und dieser Schmerz.


Ich stellte das Wasser für einen Moment ab und seifte mich ordentlich ein. Erneut schoss das Wasser auf mich herab und dieses Mal fühlte ich mich sogar noch befreiter von all dem Unrat. Ich könnte Stunden hier unter der Dusche verbringen, die Wärme genießen, mich in der Zeit verlieren - doch nicht heute. Ich stellte den Wasserstrahl ab, öffnete die Tür der Dusche, griff nach meinem Handtuch und rubbelte mich gründlich trocken.


Danach zog ich mir eine Unterhose an, eine einfache Jogginghose drüber, stülpte ein Paar kuschelige Socken über meine Füße, damit diese nicht fröstelten und dann noch ein Shirt, weich und frisch. Ich stapfte zurück in mein Zimmer und zog die Bettwäsche ab. An ihr klebte mein Geruch, der meines Schweißes, meines Körpers, des Lustbereiches. Doch er war viel intensiver, stach in meiner Nase. Ich nahm einen tiefen Atemzug davon und seufzte in mich herein. Ich liebte meinen eigenen Geruch einst so sehr...


Bepackt mit dem Bettbezug lief ich zurück in Richtung Bad. Kurz vor der Tür hielt ich jedoch inne - und lauschte. Keine Geräusche. Ich wurde stutzig. Ich lief schnell ins Bad, stopfte den Bettbezug ebenfalls in den Wäschekorb und lief anschließend in die Küche. Niemand war hier. Ich ging zu dem Schlafzimmer von Nico und Flo. Die Tür stand einen Spalt weit offen. Auch hier hörte ich nichts. Ich linste durch den Spalt und ging schließlich in das Zimmer hinein, da auch hier niemand war. Wo sind die beiden denn nur?


Ich drehte meinen Kopf ein wenig zur Seite und erspähte zwei Koffer. Sie schienen gepackt, ihre Bäuche wölbten sich. Ein schneller Blick in den Kleiderschrank bestätigte meine Vermutung. Was hatten die beiden nur vor? Als ich zurück in den Flur trat, sah ich plötzlich auch meinen eigenen Koffer neben der Eingangstür stehen. Auch er schien gepackt. Ein aufgeklebter Smiley lächelte mich fröhlich an. Den Sticker hatte ich an einem meiner Geburtstage von Ben geschenkt bekommen und habe ihn dort aufgeklebt. So konnte er mich immer an ihn erinnern, falls ich einmal weit weg auf Reisen war.


Ich ging zurück in mein Zimmer. Eine laue Wärme strömte durch das Fenster herein und schleckte mich wie ein Hund von oben bis unten ab. Gerade als ich das Fenster schließen wollte und es schon gegen die Einlassung in der Wand drückte, fiel mein Blick auf die Straße, auf das Auto, was dort unten parkte. Irritiert zog ich eine Augenbraue hoch und öffnete das Fenster nun doch ganz. Ich lehnte mich heraus und erhaschte keine paar Sekunden später die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Was machen die dort unten? Ein grüßender Pfiff stieg zur mir herauf. Sie wollten offensichtlich, dass ich zu ihnen herunterkomme.


Schwer seufzend schloss ich nun endlich das Fenster, betrat wieder den Flur, schlüpfte in meine Schuhe, hüpfte über meinen Koffer und verließ die Wohnung. Ich lief im Treppenhaus nach unten und stieß die Tür nach draußen auf - und wurde augenblicklich von einem besorgt dreinschauenden Ben überfallen. Ohne ein Wort zog er mich in eine feste Umarmung, die mir beinahe all meine Luft aus dem Körper presste. Seine Berührung brannte - und wahrscheinlich wusste er es noch nicht einmal. Sie kochte Erinnerungen herauf, die ich tief unter der Erde vergraben wollte. Meine anfängliche Freude meinen besten Freund hier zu sehen war wie betäubt.

Tanz für mich, Sing für uns!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt