Kapitel 4

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Kapitel 4

Gefühlte Stunden hatte ich noch gesessen, mir selbst geschworen, ich würde mir sowas nicht gefallen lassen, hatte es aber wieder zurück genommen. Was konnte ich schon tun? Eine falsche Bewegung und ich wäre geliefert. Irgendwann jedoch kämpfte ich gegen meinen Körper an, der beinahe leblos auf dem Boden lag, hob mich selbst hoch, steuerte samt Klamotten auf das Bett zu. Ich hatte keine Lust mehr. Was brachte es mir noch hier zu arbeiten? Schon das zweite Mal spürte ich Zayns Wut, aber wieso das Ganze? Was hatte ich ihm schlimmes angetan, dass er mir derartige Drohungen stellen würde? Ich dachte tatsächlich, er würde Mitleid mit mir haben, wie alle anderen Menschen in meiner Umgebung es taten, als sie erfuhren, dass ich stumm war, doch so kam es nicht. Nicht ein bisschen Mitleid hatte ich in seinen Augen gesehen und zum ersten Mal hatte ich es mir aus tiefstem Herzen gewünscht. Wie konnte man so herzlos, so abscheulich kalt sein? Ich hasste ihn, ich hasste ihn wie ich noch nie jemanden gehasst hatte.

Noch einige weitere Tränen flossen aus meinen Augen, bis ich es schaffte erneut aufzustehen, mich umzuziehen, mühselig die Zähne zu putzen und mich schlafen zu legen, was Sekunden später auch passierte.

~

"Es tut mir so leid, Bailee! Ich hätte es dir sagen sollen! Ich wusste nicht, dass er so auf dich reagieren würde! Bitte vergib mir!", bettelte mich meine Schwester früh am Morgen an, doch ich versuchte sie zu ignorieren.

Leicht jedoch war es nicht, denn ich liebte meine Schwester. Ich konnte ihr nichts böses antun, gar wünschen. Sie war alles, was mir noch übrig blieb. Ich musste ihr verzeihen, egal, wie wütend ich auf sie war.

Mach das ja nicht noch einmal und jetzt bereite dich vor! James wird dich zur Schule fahren.

Emily nickte, lief leise hoch in ihr Zimmer, um ihre Tasche zu nehmen, während ich ihr ein Lunchpaket zubereitete. Sie musste schon um 8 Uhr morgens da sein, deshalb hatte sich James bereit erklärt sie zuerst zu fahren, dann umzukehren und zu frühstücken, weshalb ich ihm dankbar war. Ich hatte mich langsam an ihn gewöhnt, er war wirklich sehr sympatisch, erinnerte mich an meinen Vater. Ich hatte meine Familie geliebt, hasste mich jedoch selbst dafür, dass ich so selten an sie dachte. An einem freien Tag würde ich das Grab meiner Eltern besuchen, ihnen schöne Blumen an ihr Grabstein legen und mich für alles bedanken. Sie waren die tollsten Eltern der Welt.

Auch nachdem Emily mit James zur Schule fuhr, bereitete ich das Frühstück zu. Ich war übermüdet, konnte gestern Nacht kaum schlafen, weil Albträume mich plagten. Zayn würde mich jetzt umso schlechter behandeln und ich verspürte große Angst.

"Guten Morgen.", lächelte mich Nadia an, weckte mich aus meinen Gedanken, während ich nickte.

Sie setzte sie an den Tisch, Jessica folgte ihr. Ich konnte sie nicht ausstehen. Die ersten Sekunden wirkte sie wirklich nett, doch nachdem zeigte sie ihr wahres Gesicht, was ich überhaupt nicht ausstehen konnte. Wie konnte sie denken, ich hätte nur ansatzweise positive Gefühle Zayn gegenüber? Ja, er war verdammt schön, doch mehr auch nicht. War das vielleicht schon zu viel? Eine Schwärmerei existierte nicht, doch ich wusste, ich würde in Verlegenheit geraten, wenn jemand meine Gedanken lesen könnte.

"Bailee, kannst du mir den Orangensaft reichen?", unterbrach mich Jessica aus meinen Gedanken und ich nickte, reichte ihr den gewünschten Orangensaft.

Sie bedankte sich, führte ihr Frühstück fort. Ich hörte, wie mich Mrs. Malik mich aus dem Esszimmer rief und ich eilig ich jenes verschwand.

"Guten Morgen, Bailee. Wir werden heute Abend hoch angesehenen Besuch bekommen, also bitte ich dich, dich etwas mehr herauszuputzen. Ein wenig Make-Up würde dir gut tun, in deiner Kommode sind Kosmetikartikel. Ebenfalls befindet sich in deinem Schrank verschiedene Arbeitskleidung, nimm bitte einer der schicken raus und die schwarzen hohen Schuhe. Du darfst jetzt gehen, danke."

No Response || z.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt