Kapitel 10

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Kapitel 10

"Miss? Wo soll es hin?", fragte mich der Taxifahrer und ich zeigt ihm erstmal die Visitenkarte, die ich aus dem Hotel genommen hatte.

Er nickt nur, startete den Motor und wollte losfahren. Ich hörte Zayn draußen meinen Namen rufen, doch ich ignorierte ihn komplett, konzentrierte mich auf die Fahrt und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Noch heute würde ich mit dem Zug zurück nach London fahren, meine Schwester aus diesem bescheuerten Haus holen und schlimmstenfalls auf der Straße leben. Das Problem war nicht, dass Zayn meine Schwachstelle wusste. Das Problem war er selbst und seine verdammt agressiven Reaktionen auf Kleinigkeiten. Spästestens jetzt müsste ihm aufgefallen sein, dass ich keines seiner Bemerkungen, Erniedrigungen und Beleidigungen verdient hatte und wenn er immernoch so reagieren würde, wie er momentan tat, dann hatte er kein Herz, kein Mitgefühl, nichts. Ich lachte mich innerlich aus, dass ich ihn theoretisch gesehen sogar in Schutz genommen hatte, gedacht hatte, dass er das alles tat, nur weil er mich nicht kannte, doch ich lag falsch. Seine Unfreundlichkeit mir gegenüber war unakzeptabel, sowas hatte ich nicht verdient, vor allem nicht, nur weil ich einer gottverdammten Person ähnlich sah, die ich nicht einmal kannte. Nur weil dieser Penner eine schlechte Vergangenheit hatte, hatte er nicht das Recht Anderen die Gegenwart zu versauen. Er ist und blieb ein Egoist, dachte nur an sich selbst und nicht an seine Mitmenschen. Ich hasste ihn und ich hasste mich selbst. Ihn, weil er mir das Leben zur Hölle machte, weil er kein Mitgefühl hatte und sich nicht in meine Situation versetzen konnte. Mich, weil ich einfach dumm genug war, ihn in Schutz zu nehmen, idiotische Ausreden für sein bescheuertes Verhalten zu erfinden und ihn nicht zu hassen, aber jetzt hasste ich ihn auf's Abscheulichste. Ich konnte ihm nicht verzeihen und wenn doch, dann könnte ich es niemals vergessen. Mneschen machen Fehler, das war mir bewusst, aber dass man Menschen auf so eine extreme Weise verletzen konnte, war mir wirklich neu. Durch meine Antwort, die Zayn laut vorgelesen hatte, kamen wieder Erinnerungen von der Nacht hoch, wie sich ein betrunkener junger Mann auf mich gestürtzt hatte und dafür sorgte, dass ich meine Existenz bereute. Natürlich hatte ich daran gedacht mir das Leben zu nehmen, wer würde das nach so einer Tragödie denn nicht tun? Emily jedoch müsste dann entweder in ein Heim oder in eine Pflegefamilie und mit dem Gedanken, dass beides schrecklich für sie sein werden könnte, würde ich mir das niemals verzeihen. Sie war nicht auf mich angewiesen, aber ich konnte sie nicht alleine lassen. Sie war noch zu jung und einen weiteren Verlust in der Familie würde sie nicht ertragen. Ich schniefte, verdeckte mein Gesicht aus voller Verzweiflung und wischte mir weiterhin die Tränen aus dem Gesicht.

"Miss, möchten Sie ein Taschentuch?", fragte mich der Chauffeur und ich verneinte mit einem Kopfschütteln, als er mit dem Innenspiegel in meine Richtung sah.

"Wissen Sie, es ist menschlich, dass man Fehler begeht, aber es ist ehrenwürdig, wenn man den Menschen verzeihen kann. Wenn jeder Hass fühlen würde und stur wäre, wäre dieser Planet nicht das, was es heute ist. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber ich hoffe für Sie, dass sie jemandem die Chance geben, das alles wieder gerade zu biegen.", lächelte er, parkte vor dem Hotel und wartete darauf, dass ich ausstieg.

Ich reagierte nicht auf seine weisen Sprüche, öffnete meine Clutch und wollte zahlen. Gott sei Dank hatte ich an die Ersparnisse vom Betteln gedacht und sie mitgenommen, ansonsten wäre ich jetzt geliefert.

"Geht auf's Haus. Sie sehen aus wie jemand, der das Geld benötigen könnte."

Ich wollte eigentlich trotzdem zahlen, doch der Taxifahrer blieb standhaft, also stieg ich mit einem halbherzigen Lächeln aus, schloss die Autotür und lief ins Hotel. Es hatte angefangen zu schneien, welches ich erst bemerkt hatte, nachdem ich ausgestiegen war. Anscheinend war ich zu sehr in Gedanken vertieft. Mir war recht egal, wie ich aussehen musste und dementsprechend auf die Personen wirkte. Ich wollte nur meine Sachen holen und schnell hier weg. Schnell stieg ich in eines der Aufzüge, drückte auf die Nummer meiner Etage und wartete ungeduldig auf das Zeichen, welches mir verriet, dass in an der Etage ankam. Als auch dieses passierte, verließ ich den Aufzug, wischte mir die übrig gebliebenen Tränen auf dem Gesicht weg und steckte meine Karte in das Schloss. Die Tür öffnete sich, ich lief hinein, nahm meinen Rucksack, packte alles mögliche, was mir gehörte, ein und war nach zehn Minuten dabei das Zimmer zu verlassen, doch ich knallte gegen eine harte Brust.

No Response || z.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt