Kapitel 26

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Kapitel 26

Es war das erste Mal seit langem, dass ich panisch aus meinem Schlaf erwachte. Selten hatte ich Träume, die mich beeinflussten, aber dieser schien einfach viel zu real. Kein Wunder, vielleicht lag es ja daran, dass mein Traum etwas mit den nächtlichen Geschehnissen zu tun hatten. Ich hatte es erneut gespürt. Gespürt, wie er auf mich eingetreten hatte, wie er mich zum bluten gebracht hatte, wie sein Freund nichts dagegen unternommen hatte. Der Unterschied zum realen Ereignis war jener, dass die Wiederholung in meinem Traum die mentalen Gefühle hervorgerufen hatte, die ich eigentlich versuchte, loszuwerden. Ich spürte es, ich spürte diesen Druck auf meiner Brust. Das hatte ich damals häufiger bekommen, als ich Opfer eines sexuellen Missbrauches wurde. Meine Brust hatte sich immer zusammengezogen, ich hatte schwer Luft bekommen und etwas mehr Zeit gebraucht, um mich wieder in den Griff zu bekommen. Dass diese psychischen Emotionen wieder auftauchten, war nicht sonderlich erfreulich für mich. Ganz im Gegenteil. Dass ich in Zayns Zimmer aufwachte, war kein großes Problem. Das Problem war jedoch, dass Zayn direkt neben mir lag und für Atemnot sorgte. Ich wollte das nicht, ich wollte es wirklich nicht, aber seit gestern Abend hatte ich Angst und diese Angst zerfraß mich. Es war nicht so schlimm wie damals, aber es war schlimm, es war extrem schlimm. Meine Hände begannen zu zittern und auch wenn ich versuchte, mich zu konzentrieren und nicht sofort durchzudrehen, ich schlug fehl. Meine Atmung war flach, ich bekam Platzangst und wollte sofort raus, was ich auch binnen Sekunden tat. Es war nicht meine Absicht, Zayns Zimmertür zuzuknallen, aber es war ein Kurzschluss. Eilig lief ich in mein Zimmer, setzte mich auf den Boden und wiegte mich leicht, versuchte die Bilder in meinem Kopf zu zerstören und normal zu atmen. Beides war in dem Moment unmöglich. Ich fühlte mich eingeengt, wollte fliehen. Mir war warm und kalt zugleich, ich bekam Gänsehaut, obwohl kleine Schweißperlen meine Stirn schmückten. Eigentlich würde ich die Theorie aufstellen, ich werde krank, aber in dieser Situation wäre eine Erkältung ein Segen Gottes. Das Atmen fiel mir immer schwerer, mir wurde schwindelig und erst jetzt spürte ich die Schmerzen an meinem Oberschenkel und an den Rippen. Wie lange würde es anhalten? Es war wie ein verdammter Teufelskreis, den ich nicht loswurde. Die mentalen Schmerzen bewiesen mir, dass die Therapie, die ich durchmachte, nur temporär helfen würde. Eine männliche Person, die irgendwas negatives in meinem Leben macht, bringt mich wieder in mein altes Verhaltensmuster zurück. Es tötete mich. Diese Qualen zerfrasen mich innerlich und noch nie spürte ich ein größeres Verlangen nach einem lauten Schrei als heute. Ich wünschte, ich hätte die Fähigkeit so laut zu schreien, dass meine Stimmbänder explodieren würden und ich in meine jetzige Situation zurückkommen könnte. Ich wünschte, ich könnte der metaphorischen Aussage nachgehen, mir die Seele aus dem Leibe zu schreien. Unkontrollierte Tränen strömten über mein Gesicht, die ich hektisch wegwischte. In Embryo-Stellung saß beziehungsweise lag ich auf dem Boden, befeuchtete das Parkett mit meinen salzigen Tränen, die sich in das dichte Holz einsaugten und kleine, dunklere Spuren hinterließen. Erst im Nachhinein bemerkte ich, dass die Zimmertür geöffet wurde. Leicht benebelt sah ich auf, bemerkte Zayns schläfriges Gesicht, welches sich rapide änderte, als er mich am Boden liegen sah.

"Bailee, was ist los?", kniete er sich zu mir und wollte mich am Arm packen, doch ich wich zurück und sah ihn beängstigend an.

Mein Albtraum geschah. Ich kam wieder in meine alte Routine, wo ich Angst vor dem männlichen Geschlecht bekam. Ich wollte das wirklich nicht, aber mein Körper gehorchte nicht, er hatte seinen eigenen Willen. Zayn bemerkte mein Zucken und Zittern, versuchte mich zu beruhigen, indem er immer wieder sagte, dass er es war, der vor mir saß und nicht irgendein Fremder. Er versprach mir, mich nicht zu verletzen und obwohl ich ihn Glauben schenkte, ich konnte ihm nicht vertrauen. Meine Angst übertraf einfach den Gedanken, dass Zayn harmlos war. Ich kroch zurück, lehnte meinen Rücken gegen die Wand, drückte meine Beine an meinen Oberkörper und umklammerte sie mit meinen Armen, weinte.

No Response || z.m.Where stories live. Discover now