Agust D

379 28 43
                                    




Min Yoongi war an diesem Abend wieder besonders sich und seiner Lust alles und jedem den Mittelfinger zu zeigen verfallen. Sehr zu dem Bedauern seiner Mutter, aber auch zu der Freude seiner langjährigen besten Freundin Seulgi. Denn als er an diesem Abend, nach einer seiner vielen und unnötigen Auseinandersetzungen, sein Elternhaus verließ, war er wütend. Sehr wütend. Und er hätte der Welt am liebsten nicht nur einen seiner schlanken mittleren Finger gezeigt, nein, er wollte ihr zwei zeigen und sie mit der Hilfe der beiden Hände, an der sich diese beiden Finger befanden, verprügeln, solange bis sie betteln und um Gnade flehen würde.

Aber wie jedes Mal, wenn Yoongi dieser Lust verfallen war, wusste er, dass er höchstens ein zwei Graffitis mit einem mehr oder weniger provozierendem Spruch an die schäbigen Hausmauern von Seoul sprayen würde, zu mehr war der 17-Jährige nicht in der Lage, leider. Er hätte seine Aggressionen auch anderweitig ausleben können. Zum Beispiel durch das Schreien in ein Glas, wie Seulgi das früher immer getan hatte. Aber dann wäre das alles nur halb so lustig, denn der Nervenkitzel vielleicht erwischt zu werden war das, was den Teenager so sehr reizte.

Auch hätte er sich einfach an seinen uralten Laptop setzen können und sich, in der Absicht mal wieder etwas Musikalisches in der DAW von diesem zu produzieren, darüber aufregen können, wie unglaublich langsam dieser Toaster war, aber wie schon gesagt, aufregend war was anderes.

Als er sich also an diesem schönen Abend mit einer großen Sporttasche und vielen Spraydosen bewaffnet auf den Weg zu seiner besten Freundin machte, drehten sich in seinem Kopf die vielen Wörter, die er gleich mit einer unglaublich großen Genugtuung an eine noch freie Stelle sprayen würde und er freute sich schon unglaublich darauf seine Wut mit der Welt zu teilen, mit Seulgi zu teilen.

Als er an die schwarzhaarige 18-Jährige dachte, grinste er. Sie war diejenige, die bei ihm geblieben war, als sein ganzes Leben den Bach runtergegangen war, sie hatte sich als einzige nicht von ihm weggedreht, ihn komisch angestarrt und mit dem Finger auf seine Stigmen gedeutet. Stattdessen hatte sie jedem gezeigt, wer sie war, wer dem damals noch 14-Jährigen und so gebrechlichen Yoongi zu nahe gekommen war, sie hatte ihn beschützt.

Als einzige.

Jetzt brauchte Yoongi nicht mehr beschützt zu werden, das wusste er genauso gut wie sie, aber dennoch gaben sie gegenseitig auf sich acht und unterstützen sich bei ihren fragwürdigen Aktionen.

Sie war nicht gegangen, als Yoongi sich an ihr festgeklammert hatte und sie wirklich gebraucht hatte und er war nicht gegangen, als sie ihm gebeichtet hatte, dass sie möglicherweise jemanden krankenhausreif geschlagen hatte.

Wenn man es genau nahm, mochte Yoongi diese Seite von ihr, die, der es egal war, was andere von ihr hielten. Aber der Fakt, dass sie ein Mädchen war und trotzdem zuschlagen konnte, wie ein Junge machte sie nochmal interessanter und besser. Nicht das Yoongi sie heiß gefunden hätte, dazu waren sie zu gut befreundet.

Als der Schwarzhaarige nach ein paar Minuten Fußweg an dem Elternhaus von seiner besten Freundin stehen blieb und zu ihrem Zimmerfenster blickte, war es fast schon Mitternacht.

Er entdeckte sie erst nach einer kurzen Suche, da sie durch ihre Klamotten ein wenig in der Dunkelheit verschwand.

Lee Seulgi saß auf ihrem Fensterbrett und schaute in die Sterne, eine glühende Zigarette zwischen den Fingern.

Sie trug eine verwaschene und ziemlich löchrige Jeans und einen schwarzen Pulli auf dem hinten ein mit großen roten Lettern ein Spruch geschrieben stand, der so ziemlich alles, was sie verkörperte, wiedergab.

'I don't give a shit'

Als sie ihren besten Freund entdeckte, wie er zu ihrem Fenster geschlichen kam, wohl darauf bedacht niemanden wissen zu lassen, dass er anwesend war, grinste sie.

Agust D | YoonseokWhere stories live. Discover now