My crime (mailiz_)

2.6K 93 7
                                    

~Wie glücklich, dacht' ich, sind die Menschen, die den freiwilligen Blättern gleichen,

Und, wenn sie ihres Lebens Ziel, in sanfter Ruh' und Fried', erreichen;

Der Ordnung der Natur zufolge, gelassen scheiden, und erbleichen!. ~ (Zitat)

Eine lange Zeit sitze ich einfach da, schaue stillschweigend aus dem Fenster. Ich sehe zu, wie die Blätter fallen, beobachte, wie die Schüler langsam in die Schule kommen. Sie alle sind von ganz unterschiedlicher Natur, jeder von ihnen etwas ganz eigenes. Und doch sehe ich immer wieder gerne zu, wie sie sich alle mit ihren Freunden zusammen in ihre Räume begeben. Mich aber fasziniert viel eher, wie all die Blätter einen bunten, fast fröhlich wirkenden Teppich auf die Steine legen. In meinem Gesicht ist nichts zu lesen, meine Emotionen sind - wie immer - eingefroren, und auch wenn man mich kennt, ist es schwer, etwas zu lesen. In der Regel bin ich kein offener Mensch, doch wie sagt man so schön: Ausnahmen bestätigen die Regel!

Ich streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht, werfe meine schwarzen Haare zurück, die mir sanft über die Schulter fallen. Mittlerweile gehen sie mir schon bis gut über die Brust, und ich bin jedes mal, wenn ich sie sehe, mit stolz erfüllt.

In all der Zeit dieser Stunde, habe ich nicht eine Sekunde zu der Neuen geschaut. ich fand es nicht sonderlich schön, das alle sie anstarren. Aber ich war schon immer anders, ich habe mich schon immer von der Masse abgehoben.

Mein Blick trifft die Uhr, dann sehe ich wieder aus dem Fenster...

Die Blätter fallen, ganz unbeschwert, zu Boden, nur, damit letztendlich ein jeder dieser Schüler, auch ich selbst, dort herüber laufen konnte. Es wäre Schwachsinn, zu glauben, irgendetwas dort draußen hat Gefühle. Immer wieder wurde einem so ausdrücklich wie möglich gezeigt, das Gefühle, Emotionen, in der heutigen Gesellschaft keinen Wert haben.

So sehr ich mich in die Gedanken an den Wert eines einzelnen Menschen in der Gesellschaft steigere, je trauriger werde ich auch. Es ist einfach eine Tatsache, das kaum ein Individuum in der heutigen Gesellschaft eine Chance hat, sich alleine eine funktionierende Existenz aufzubauen. Es ist schwer, hier, heutzutage, alleine klar zu kommen. Aber ja, wir lieben unser Leben. Das Leben ist schön, das lernt man von klein auf.

Ich steigere mich in meine Gedanken, und gerade heute überwiegen die negativen. Ich bin kein negativer Mensch, nach außen. Eher male ich mir alles in Kunterbunten Farben. Kennt man mich, so zeige ich eine wundervolle Welt, die mehr einem Traum ähnelt, als der Realität.

Ich schüttele meinen Kopf, reiße mich damit aus der düsteren Welt meiner Gedanken. Dann sehe ich doch einmal rüber: zu ihr. Zugegeben, sie ist nicht hässlich - alles andere als das. Sie ist eine hübsche junge Dame, und ich bin heilfroh, das sie keine von den Tussis ist! Nein. Sie ist eher eine wie ich. Anders. Besonders.

Ohne es selbst gemerkt zu haben, lächle ich. Meine Hand berührt meine Lippen, das lächeln verblasst wieder. Und doch kommt es noch einmal kurz durch, ehe es wirklich verschwindet.

Kaum klingelte es, springe ich auf. Ich schnappe mir meinen Mantel von der Stuhllehne, gehe so schnell ich kann aus dem Raum. Ich laufe zu meinem Spint, packe meine Sachen hinein, nehme eine kleine Tasche mit heraus, und laufe dann in Richtung der Klos.

Die drei Obertussis aus meiner Klasse stehen gerade vor der neuen, lachen. Ich werde fast schon sauer bei diesem Anblick: gerade neu und muss schon Horrorszenarien im Kopf haben. So schnell ich kann werfe ich meinen Spint zu, verdrehe die Zahlenkombination, laufe schon fast in genau diese Richtung, zu der ich jede Pause laufe.

Blondie Nummer 1 stellt sich in meinen Weg, doch zu spät merke ich es. Ich rämple sie an, und wie eine Tussi es nun mal macht: Sie beginnt in einer schräg-schrillen Tonlage, rumzujammern.

Wie kann ich es doch nur wagen, ihr Make-Up zu versauen.

Innerliche lache ich, doch nach außen kommt ein dumpfes: " Steh' mir nicht im Weg rum!" aus meinem Mund. Sicher, ich bin mir durchaus bewusst das der kleine zusammenstoß meine Schuld war, doch ich kümmere mich nicht wirklich darum. Sie ist alt genug, um zu wissen, das es Menschen gibt, die eben nicht darauf achten, wo sie gerade ihren roten Teppich ausrollt. - Der ist natürlich nicht wirklich da, doch manchmal wage ich zu bezweifeln, das sie das weiß. Doch mich kümmert das alles viel zu wenig, als das ich mir nun darüber Gedanken machen würde, geschweige denn möchte.

Ich sitze auf dem Schulklo, im Schneidersitz, in der letzten Kabine. Vorsichtig hole meine Extra-Dose aus der kleinen Tasche. Mein OCB-Longpape liegt auf meiner schwarzen Jeans. Und so beginne ich, zu bauen.

Kurz darauf schon mache ich das kleine Fenster auf dieser Toilette auf.

Ich nehme den Geruch auf, atmete ein paar mal ein, bevor ich mit dem Feuerzeug meinen neuen besten Freund anzünde.

Ich nehme ein paar Tiefe Züge, ehe ich mich zurücklehne und mir genehmige, zu genießen. Ich schließe meine Augen,

Ich schließe meine Augen, spüre, wie mein Körper beginnt, frei zu werden. Alle sorgen, alle Gedanken fallen von mir ab. Ich habe im laufe meines Lebens so viel Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, was ich anders, besser machen soll. Und mittlerweile ist es mir egal. Ich habe mein kleines aber feines Mittel gefunden, um mit meiner eigenen kleinen Welt klar zu kommen.

Ich nehme ein paar tiefe Züge, atmete ein, pustete aus. Ich bin mir sicher: dieser Raum, in dem ich sitze, riecht so sehr nach diesem Zeug. Doch, warum Gedanken daran verschwenden, wo ich doch -hier und jetzt - einfach glücklich sein konnte.

Es gibt sicher viele Mittel und Wege, um frei, glücklich, schwerelos zu sein. Und ich bin mir ebenfalls sicher: es gibt weitaus schlimmere als meinen. Aber ich habe diesen Weg hier gewählt, und gegen nichts der Welt würde ich ihn eintauschen wollen.

Ich zog wieder.

Es ist nicht, das ich mich cool fühlen will. Es ist nicht, das ich mich dadurch besonders fühle. Nein. Es ist einfach mein Weg, frei zu sein. wenigstens einen kurzen Moment habe ich mein Leben im Griff. Wenigstens einen kurzen Moment kann ich einfach ich selbst sein. Ich habe meine eigene kleine Welt, und mit meinen 'Babys', wie ich sie so gerne nenne, sehe ich durch und habe alles im Griff. Und wenigstens kurz mache ich mir keine Gedanken um so viele Dinge. Vielleicht ist in meinem jungen Leben einfach zu viel passiert. Vielleicht ist es meine Unterstützung zum verarbeiten. Nicht, das ich den Konsum bei jedem unterstützen würde: niemals. Doch für mich ist es ein guter Weg. Im Moment bin ich der festen überzeugung.

Tag für Tag sehe ich Menschen leiden. Sie weinen, sie sind unglücklich. Und ja, ich bin mir sicher: jeder dort draußen hat schon mal scheiße erlebt. Die einen mehr, die anderen weniger. Aber sind wir ehrlich, sehen wir: Kaum jemand dort draußen ist wirklich noch ein Individuum

Irgendwo sind wir alle eines, jeder Mensch dort draußen, aber Irgendwo auch nicht. Sie gehen den gleichen Trends nach, sie tragen die gleichen Sachen, finden gleiches schön.. Irgendwie stimmt es mich traurig, wenn ich daran denke was mit der Gesellschaft passiert. Doch bin ich gerade, in diesem Moment, ehrlich zu mir selbst, so hege ich kaum noch Interesse an der Welt da draußen.

Ich ziehe, einen letzten Zug. Dann puste ich aus, erhebe mich vom Klo. Ich lasse die Glut ins Klo fallen, spüle. Der Rest fliegt aus dem Fenster. Ich setze mich noch kurz, schließe die Augen. Ich spüre regelrecht, wie meine Pupillen geweitet sind, auch, wenn es sich komisch anhört. Es ist wie ein Rausch. So sollte jede Pause sein. So, nicht anders.

Und so komme ich aus der hintersten Ecke der Toiletten heraus, ahne nicht das noch jemand hier ist - denn so kurz vor dem Klingeln sind eigentlich alle in den Räumen. Bis auf ich.

Ich stocke in meiner Bewegung. Und sie.!

Ich halte inne, atme ein paar mal tief ein und aus. Kurz beobachte ich sie, wie sie dort steht. Ihr Körper, ihre Haare. Ich strich mit mit einem Finger über meine vollen Lippen, werfe dann einige meiner Haare zurück.

Hände waschen. Genau. Ich gehe nach vorne zu ihr, wage es kaum, in den Spiegel zu sehen. Meine Blauen Augen sind so schon groß - dank meiner Aktion gerade wohl noch größer. Ich wage nicht, sie anzusehen - nur aus dem Augenwinkel sehe ich ein paar mal Rüber.

Gerade will ich an ihr vorbei gehen, wo ich doch hoch sehe. Sie sieht mich an - und mein Blick dringt direkt in ihre Augen. Für einen kurzen Moment, fühle ich mich wie gefangen... doch ich weiche von ihrem Blick, nehme mir ein Tuch, trockne meine Finger. Und so schnell wie möglich verschwinde ich von diesem Ort...

She's like hell (GirlXGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt