37.

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Selig lächelnd schließe ich den letzten aus der Gruppe in die Arme. Nur Momente später stehe ich allein mit Bea und Adrian auf dem ansonsten leeren Parkplatz. Die Rücklichter der abfahrenden Wagen werden kleiner und kleiner, bevor sie vollkommen verschwinden, genauso wie das Geräusch der brummenden Motoren.
"Na dann. Wollen wir auch los, oder habt ihr noch andere Pläne?" wende ich mich an das Pärchen. Die Beiden haben aber natürlich nur Augen füreinander. Wie ich anfangs auch nur über eine Affäre mit Adrian nachdenken konnte, ist mir mittlerweile vollkommen schleierhaft.
Ungeduldig räuspere ich mich, bis Adrian sich zu mir dreht und hebe fragend eine Augenbraue.
"Wir würden noch ein oder zwei Tage in der Gegend bleiben wollen."
"Wenn das für dich okay ist, natürlich. Wenn du ein bisschen mehr Mädelspower um dich brauchst sag das ruhig." fällt ihm Bea ins Wort.
"Ach was. Das passt schon. Dann werde ich mich wohl auch mal auf den Weg machen. Sag mir Bescheid, wenn du wieder zuhause bist, ich brauche dich noch zum shoppen wegen der Hochzeit."

Erst, als ich etwas später alleine im Auto sitze, wird mir bewusst, wie schön die letzten Tage waren. Kein Versteckspielen, einfach nur Freunde - oder zumindest gute Bekannte- um mich rum. Wir sind viel zusammen rumgefahren, haben abends Lagerfeuer gemacht, natürlich ein paar illegale Sprints auf der Autobahn...
Keine Gedanken an irgendwelche Typen, zickige Mädels oder falsche Freunde.
Es dämmert bereits, als ich unsere Auffahrt hinauffahre und im Haus scheint alles dunkel zu sein.
Ziemlich erledigt parke ich den Mitsubishi in der Garage und greife nach meiner Tasche. Mein Blick schweift über den Wagen und ich seufze leise. Den muss ich morgen unbedingt waschen und vermutlich werde ich auch neue Reifen kaufen und aufziehen müssen.
Wie erwartet ist niemand daheim und nach einem entspannenden Bad falle ich nur noch ins Bett.

Das Klingeln meines Handys reißt mich aus dem Schlaf und unwillig knurrend taste ich nach dem nervtötenden Gerät. Schlaftrunken nehme ich den Anruf an und brummle etwas unverständliches in den Hörer.
"Kalista?"
"Liam?!" plötzlich bin ich hellwach.
"Hey Babe. Sorry dass ich dich wecke aber... ehm, das ist mir echt unangenehm."
"Was ist los?" frage ich ungeduldig.
"Mein Mitbewohner ist nicht da und ich habe anscheinend meinen Schlüssel vergessen."
"Heißt, du stehst vor deiner Tür und kommst nicht rein, richtig?"
"So ungefähr, ja."
"Gib mir 2 Minuten zum wach werden und ich hole dich ab."
Seufzend quäle ich mich aus meinem kuschelig, warmen Bett und ziehe mir schnell ein paar Jogginghosen und ein Shirt an. Im Bad gibt es noch eine Ladung kaltes Wasser für mein Gesicht, zum wachwerden.
Keine halbe Stunde später halte ich vor Liams Tür. Der sitzt wie ein begossener Pudel neben seiner großen Reisetasche auf dem Treppenabsatz zur Haustür.
"Du siehst fertig aus." stelle ich besorgt fest, als er sich zu mir ins Auto fallen lässt.
Er nickt müde und streicht zärtlich über meinen Handrücken, als ich den Gang einlege und wieder losfahre.
"Es war etwas.... anstrengend bei meinen Eltern." sagt er leise und starrt abwesend aus dem Fenster. Gern würde ich ihn jetzt in den Arm nehmen, ihm zeigen, dass ich für ihn da bin. Blöderweise muss ich mich aber auf die Straße konzentrieren, also drücke ich nur seinen Oberschenkel und schenke ihm einen aufmunternden Seitenblick. Ein mattes Lächeln antwortet mir und schweigend bringen wir den restlichen Weg hinter uns.

"Möchtest du noch was trinken oder bist du sehr müde?" erkundige ich mich und beobachte den Mann vor mir aufmerksam.
"Wenn du noch ein kaltes Bier für mich hast, sage ich nicht nein." beantwortet er die Frage mit einem schiefen Grinsen.
Wir lassen unsere Beine in meinen kleinen Teich baumeln, während wir an unseren Getränken nippen und in die Sterne schauen.
Es kommt mir vor, als wären Monate vergangen, seit ich mit Shane auf der Party meiner Eltern hier saß. Dabei ist es nur wenige Wochen her.
"Meine Eltern wollen sich scheiden lassen." durchbricht Liams leise Stimme die Stille um uns herum.
"Oh!" entfährt es mir und ich komme mir dumm vor, nichts vernünftiges sagen zu können. Doch Liam sieht nicht aus, als erwarte er tatsächlich irgendeine Aussage von mir.
"Meine Mum hat festgestellt, dass sie wohl lesbisch ist. In ein paar Wochen zieht sie mit ihrer Freundin zusammen."
"Hm. Das ist irgendwie mies, aber für deine Mum doch gut, wenn sie glücklich ist?"
"Natürlich. Ich gönne ihr ihr Glück doch auch. Aber stell dir mal vor, ein Typ, mit dem du seit 20 Jahren zusammen bist - eine Familie gegründet hast- , beschließt, dass er eigentlich auf Männer steht. Dad ist vollkommen durch den Wind. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn unterstützen kann." Er seufzte leise und lehnt sich vorsichtig bei mir an.
"Naja, du kannst für ihn da sein, wenn er jemanden braucht. Viel kannst du da, glaube ich, nicht tun. Er muss selber irgendwie herausfinden, wie er damit umgehen will."
"Dafür müsste ich bei ihm sein. Aber ich will mein Studium deswegen auch nicht gefährden."
"Damit würdest du ihm ja auch nicht helfen. Dann hätte er nur eine Sorge mehr."
"Vermutlich." 
Schweigen legt sich erneut über uns und langsam wird mir kalt. Ich kann nicht verhindern, dass ich ganz leicht zittere, woraufhin mich Liam überrascht anschaut.
"Lass uns reingehen." Er rappelt sich auf und zieht mich dann hoch, als würde ich leicht wie eine Feder sein.

Vollkommen selbstverständlich kuscheln wir uns gemeinsam in mein Bett. Er schlingt seine Arme um meinen Oberkörper und haucht mir einen sanften Kuss auf die Wange.
Ich schmiege mich dichter an ihn, sodass ich sogar seinen Herzschlag in meinem Rücken spüren kann.
Ich spüre, dass sich sein Gesicht zu einem Lächeln verzieht, während er seinen Kopf in meine Halsbeuge kuschelt.
"Liam?" frage ich leise.
"Hm?"
"Du hast deinen Schlüssel nicht vergessen, oder?"
Bevor er antwortet, zupft er mit seinen Lippen an meinem Ohrläppchen und schickt damit Gänsehautschauer über meine Körper. "Vielleicht?"
"Unmöglich." leise kichernd schüttle ich den Kopf und wende mich ihm zu.
"Bist du mir jetzt böse?"
Nachdenklich schürze ich die Lippen. "Vielleicht? Aber vielleicht kannst du mich ja auch wieder besänftigen?"
Er rappelt sich etwas auf und stützt seinen Kopf auf einen seinen angewinkelten Arm, während er vorsichtig meine Seite entlang streichelt. "An was denkst du?" fragt er unanständig grinsend.
An nichts Jugendfreies, schreien meine Gedanken. "Am Wochenende ist eine Hochzeit auf die ich eingeladen bin. Der Dad von Ethan heiratet wieder. Ich würde dort ungern allein auftauchen..."
"Du weißt, dass du dann mit mir tanzen musst?"
"Das schaffen wir schon." Liam kann ja nicht wissen, dass ich jahrelang Tanzunterricht hatte...
Statt noch etwas zu erwidern legt er zärtlich seine Lippen auf meine und presst mich näher an sich.

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt